MARS EXPRESS
Reise zum roten Planeten
hat begonnen
Redaktion
astronews.com
3. Juni 2003
Europas Reise
zum Mars hat begonnen: Gestern kurz vor Mitternacht Ortszeit startete die europäische Sonde Mars
Express vom russischen Raketenbahnhof Baikonur aus zum roten Planeten, wo
sie im Dezember ankommen wird. An Bord ist auch ein kleines Landegerät Beagle 2,
das die Marsoberfläche erkunden und nach Spuren von Leben fahnden soll.

Mars Express Start in Baikonur. Foto: ESA /
STARSEM-S.Corvaja

Beagle 2 soll auf dem Mars nach Lebensspuren fahnden. Bild: ESA |
Die 1.120 kg schwere, im Auftrag der ESA von einem europäischen Konsortium
unter der Leitung von Astrium gebaute Sonde wurde von einem Sojus-Fregat-Träger
der Firma Starsem auf die Reise gebracht. Dieser hob am 2. Juni um 23.45 Uhr
Ortszeit (19.45 Uhr MESZ) vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan ab. Nach der
ersten Zündung der Fregat-Oberstufe gelangte die Sonde zunächst auf eine
Wartebahn um die Erde; die 92 Minuten später erfolgte zweite Zündung beförderte
sie dann auf ihre interplanetare Bahn.
"Europa fliegt mit dem ehrgeizigen Ziel zum Mars, die bisher gründlichste und
vollständigste Erkundung des Roten Planeten anzustellen. Wir können stolz sein
auf dieses Vorhaben und auf die Schnelligkeit, mit der wir unser Ziel erreicht
haben", erklärte David Southwood, der Direktor des Wissenschaftlichen Programms
der ESA, während des Starts der Sonde von Baikonur. Anschließend nahm das
ESA-Raumflugkontrollzentrum ESOC in Darmstadt, Deutschland, Funkkontakt zu
Mars Express auf. Die Sonde hat sich planmäßig zur Sonne ausgerichtet und
ihre Sonnenzellenflügel ausgefahren. Alle Bordsysteme arbeiten einwandfrei. Nach
zwei Tagen wird ein Bahnkorrekturmanöver die Sonde auf Zielkurs zum Mars
bringen, während sich die ihr folgende Fregat-Oberstufe in den Weiten des
Weltraums verlieren wird, womit die Gefahr gebannt ist, dass sie auf der
Marsoberfläche aufprallt und diese dadurch kontaminiert.
Danach wird Mars Express sechs Monate lang mit einer Geschwindigkeit
von über 30 km/s durch das Sonnensystem rasen (von der Erde entfernt sich die
Sonde mit einer Geschwindigkeit von 3 km/s) und dabei 400 Millionen km
zurücklegen. Nach Überprüfung der Funktionstüchtigkeit der Nutzlast wird sie in
einen "Ruhezustand" versetzt, in dem sie nur noch einmal pro Tag Kontakt zur
Erde aufnehmen wird. Im September ist - nach halber Wegstrecke - eine weitere
Kurskorrektur vorgesehen.
Ende November soll die Sonde "reaktiviert" und auf das Ausklinken von
Beagle 2 vorbereitet werden. Die 60 Kilogramm schwere Kapsel mit dem
Landegerät, die über kein eigenes Antriebssystem verfügt, soll am 20. Dezember
auf einer Kollisionsbahn mit dem Mars ausgesetzt werden. Nach fünftägigem
ballistischem Flug wird die Kapsel am Weihnachtstag in die Marsatmosphäre
eintreten. Das Landegerät, das beim Abstieg durch die Atmosphäre zunächst durch
einen Hitzeschild geschützt und anschließend durch zwei Fallschirme abgebremst
wird, soll - dann nur noch 30 kg schwer - in der Region Isidis Planitia in der
Nähe des Marsäquators aufsetzen. Der Aufprall wird durch drei Airbags gedämpft.
Diese kritische Phase der Mission wird vom Eintritt in die Atmosphäre bis zur
Landung gerade mal zehn Minuten dauern.
In der Zwischenzeit wird der Orbiter auf eine Bahn manövriert, auf der er vom
Schwerefeld des Mars erfasst werden kann. Die Zündung seines Haupttriebwerks
wird ihn abbremsen und auf eine stark elliptische Marsumlaufbahn befördern. Für
das Erreichen der endgültigen Einsatzbahn - eine quasi-polare Bahn mit einer
Umlaufzeit von 7,5 Stunden, die den Orbiter bis auf 250 km an den Planeten
heranführen wird - werden vier weitere Zündungen notwendig sein.
Auf der Marsoberfläche wird das Landegerät Beagle 2 - es wurde nach
dem Forschungsschiff von Charles Darwin, dem Vater der Evolutionstheorie,
getauft - seine Sonnenzellenpaneele entfalten und den Roboterarm PAW mit seinem
Instrumentenpaket (zwei Kameras, ein Mikroskop und zwei Spektrometer) ausfahren.
Mit diesen Instrumenten wird es dann die Umgebung erkunden und geologische und
mineralogische Daten sammeln, die erstmals eine genaue Altersbestimmung der
Gesteinsproben ermöglichen dürften. Mit Hilfe eines Kernbohr- und Mahlgeräts und
des "Maulwurfs", eines drahtgesteuerten Miniroboters, der unter Felsbrocken
kriechen und bis zu 2 m tief graben kann, werden Bodenproben entnommen und in
dem automatisierten Mini-Labor GAP, das mit zwölf Öfen und einem
Massenspektrometer ausgerüstet ist, analysiert. Diesem Mini-Labor wird die
Aufgabe zufallen, etwaige Spuren von Leben zu erkennen und das Alter der
Gesteinsproben zu bestimmen.
Umfassende Beobachtungen des Planeten werden mit dem Orbiter, dem in der
Umlaufbahn um den Mars verbleibenden Teil der Sonde, angestellt, der seine
Instrumente eine halbe bis ganze Stunde pro Umlauf auf den Planeten richten und
sich dann der Erde zuwenden wird, um seine Meßdaten und die von Beagle 2
übermittelten Daten an die Bodenstation weiterzuleiten.
Die sieben Instrumente an Bord des Orbiters sollen Informationen über den
Aufbau und die Entwicklungsgeschichte des Mars liefern. Die hochauflösende
Stereo-Kamera HRSC soll eine vollständige Kartografie des Planeten mit 10 m
Auflösung durchführen und einzelne Regionen sogar mit einer Präzision von knapp
2 m fotografieren. Das Spektrometer OMEGA soll die erste mineralogische Karte
des Mars mit einer Genauigkeit von 100 m erstellen. Mit dem Spektrometer PFS
soll die mineralogische Untersuchung vertieft und darüber hinaus die
Zusammensetzung der Marsatmosphäre kartiert werden, um ihre Dynamik zu
bestimmen.
Das mit einer 40 Meter langen Antenne ausgestattete Radargerät MARSIS wird
die Oberfläche bis in 2 km Tiefe sondieren, um die Bodenstruktur zu ermitteln
und insbesondere Wasservorkommen aufzuspüren. Das Analysegerät ASPERA soll die
Wechselwirkungen zwischen der oberen Marsatmosphäre und dem interplanetaren
Medium untersuchen und Aufschluss darüber geben, wie und über welchen Zeitraum
das Fehlen eines Magnetfelds, das als Schild gegen den Sonnenwind gedient hätte,
es letzterem gestattet hat, den Großteil der Marsatmosphäre im All zu
zerstreuen. Auch das Spektrometer SPICAM und das Funkexperiment MaRS werden die
Atmosphäre untersuchen, das erste durch Beobachtung von Sternbedeckungen und das
zweite durch Messung der Funkwellenausbreitung.
Die Mission des Orbiters soll mindestens ein volles Marsjahr (687 Erdtage)
dauern, während Beagle 2 auf der Marsoberfläche rund 180 Tage
funktionsfähig bleiben soll.
Diese erste europäische Mission zum Mars greift einen Teil der Ziele des
Gemeinschaftsvorhabens Mars 96 mit Rußland wieder auf, das wegen einer
Fehlfunktion der Trägerrakete Proton beim Start scheiterte. Bei Mars Express
ist deshalb jedem Bordinstrument des Orbiters auch ein russischer Partner
zugeordnet. Mars Express fügt sich in eine Reihe internationaler
Missionen zur Exploration des Planeten ein, an der darüber hinaus die
amerikanischen Sonden Mars Surveyor, Mars Odyssey und die zwei
Mars Exploration Rovers sowie die japanische Sonde Nozomi beteiligt
sind. Im Rahmen dieser Partnerschaft könnte Mars Express gegebenenfalls
die Messdaten der NASA-Landefahrzeuge und im Gegenzug Mars Odyssey bei
Bedarf die Daten von Beagle 2 zur Erde funken.
Von Mars Express werden wissenschaftliche Erkenntnisse von höchster
Bedeutung erwartet. Die Mission soll Antwort auf zahlreiche Fragen geben, die
bei Vorgängermissionen aufgeworfen wurden und insbesondere die Entwicklung des
Mars, die Geschichte der Aktivität im Marsinneren, Wasservorkommen unter der
Oberfläche sowie die Möglichkeit betreffen, dass Mars einmal von Meeren bedeckt
war, was zur Entstehung von Lebensformen geführt haben könnte, die vielleicht
heute noch in "unterirdischen" Seen fortbestehen. Außerdem soll das Landegerät
Beagle 2 den Boden und die Umwelt des Mars vor Ort analysieren, was
Mars Express zu einer wirklich einzigartigen Mission macht.
Mars Express, eine Mission, für die in beträchtlichem Umfang Elemente
genutzt wurden, die für die Kometensonde Rosetta entwickelt wurden, deren
Start im kommenden Jahr ansteht, wird darüber hinaus den Weg für andere
interplanetare Missionen der ESA - Venus Express im Jahr 2005, gefolgt
von BepiColombo zum Planeten Merkur am Ende des Jahrzehnts - sowie für
die Fortsetzung der Marsforschung im Rahmen des Programms Aurora ebnen, das der
Exploration unseres Sonnensystems gewidmet ist.
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