SCHWARZE LÖCHER
Das
Geheimnis des Kugelsternhaufens M15
von Stefan
Deiters
astronews.com
13. Januar 2003
Im September
letzen Jahres glaubten Astronomen mit Hilfe des
Hubble-Weltraumteleskops Schwarze
Löcher mittlerer Größe im Zentrum zweier Kugelsternhaufen aufgespürt zu haben.
Nun veröffentlichten andere Wissenschaftler die Ergebnisse einer Untersuchung,
die die gleichen Beobachtungsdaten ohne Schwarze Löcher erklären. Selbst das
Entdeckerteam glaubt inzwischen nicht mehr an das Mittelklasse-Schwarze Loch in
M15.
Hubble-Aufnahme des Kugelsternhaufens M15.
Foto:
NASA und das Hubble Heritage Team |
Die Entdeckung von mittelschweren Schwarzen Löchern, deren Masse einige
Tausend Mal größer ist als die unserer Sonne, im Zentrum von zwei
Kugelsternhaufen galt im September des vergangenen Jahres vielen Forschern
zumindest als Beleg dafür, dass diese "Mittelklasse" unter den Schwarzen Löchern
tatsächlich existiert (astronews.com berichtete). Mit ihrer Hilfe ließen sich
beispielsweise auch die supermassereichen Schwarzen Löcher im Zentrum von
Galaxien erklären, die durch Verschmelzen der kleineren Schwarzen Löcher
entstanden sein könnten. Immerhin gehören Kugelsternhaufen ja zu den ältesten
Bestandteilen der Galaxis.
Doch jetzt veröffentlichte theoretische Untersuchungen über den
Kugelsternhaufen M15, einer der Systeme in dem ein Schwarzes Loch gefunden
wurde, dürften die damalige Freude trüben: Danach ließen sich die Daten des
Hubble-Weltraumteleskops ganz ohne ein Mittelklasse-Schwarzes Loch
erklären, nämlich einfach durch eine Ansammlung von stellaren Überresten im
Zentrum, die eine Folge ganz normaler Sternentstehungsprozesse wären. Dabei
könnte sich im Zentrum von M15 auch ein kleines Schwarzes Loch befinden, es ist
aber für die Erklärung der Ergebnisse nicht notwendig.
Die Frage, ob ein Schwarzes Loch im Zentrum von M15 existiert, beschäftigt
die Forscher schon seit langer Zeit: Mehrfach wurde eine solche Schwerkraftfalle
im Zentrum postuliert, um die große Dichte von Sternen in dieser Region des
Haufens zu erklären und die Tatsache, dass manche Sterne sich schneller um eine
Zentrum bewegten, als sie es eigentlich dürften. Als Erklärung kam eine zentrale
Masse in Frage, ein guter Hinweis auf ein Schwarzes Loch. Die Hubble-Beobachtungen
aus dem letzten Jahr kamen da zur Unterstützung dieser These wie gerufen.
Doch einige Astronomengruppen blieben skeptisch, gab es doch Modelle, die
hohe Geschwindigkeiten im Zentrum von M15 ganz ohne Schwarzes Loch erklärten -
und diese kamen pikanterweise aus denselben Forschergruppen mit Hilfe deren
Modelle das Schwarze Loch nunmehr postuliert wurde. Um die Frage nun klären zu
können, verwendete ein internationales Team von Astronomen den schnellsten
Rechner der Welt, der für diese Art von Simulationen existiert - ein so
genannten GRAPE-6-Rechner, bei dem bestimmte, besonders zeitintensive
Rechenoperationen fest auf der Platine verdrahtet sind. Mit diesem Computer in
Tokio simulierten die Forscher ein dem Kugelsternhaufen M15 ähnliches System und
fanden heraus, dass man kein Schwarzes Loch benötigt, um die Beobachtungsdaten
zu erklären. Dieses Ergebnis hat vor allem deswegen Gewicht, weil die
GRAPE-Simulationen derzeit zu den besten Simulationen gehören, die in der
Astronomie verfügbar sind.
Als das GRAPE-Team die Kollegen über ihrer Ergebnisse benachrichtigen, die
die ursprünglichen Beobachtungen gemacht hatten, erfuhren sie, dass auch diese
ihre These von einem Mittelklasse-Schwarzen Loch nicht mehr aufrecht erhalten
können. Alle Gruppen sind sich nun einig, dass ein Schwarzes Loch, wenn es
überhaupt im Zentrum von M15 vorhanden ist, deutlich kleiner sein muss, als
ursprünglich gedacht. Ein Grund für den Irrtum war, dass eine Abbildung in einer
Veröffentlichung über ein theoretisches Modell, das die Beobachter zur Analyse
ihrer Ergebnisse nutzten, falsche Achsenbezeichnungen enthielt, was die
Schlussfolgerungen wertlos macht.
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