RAUMFAHRTTECHNOLOGIE
Kraftwerke im All
von
Hans Zekl
für
astronews.com
16. September 2002
Raumsonden benötigen Energie. In Sonnennähe werden Solarzellen
verwendet, aber schon hinter der Marsbahn reicht die Strahlung der Sonne
nicht mehr aus, um genügend elektrische Energie zu erzeugen. Bei der NASA
beschäftigt sich man deshalb mit neuen Konzepten für effektivere und
bessere Energiequellen, um menschliche oder maschinelle Entdecker durch
das Sonnensystem zu schicken.

Setzt auf nukleare Energie: Voyager. Bild: JPL / NASA |
Es ist kalt, dunkel und leer im Raum hinter den Planeten des
Sonnensystems. Bis dorthin flog nun Voyager 1 auf seiner seit 25 Jahren
andauernden Entdeckungsreise. Sein nächstes Ziel ist die Heliopause, die
Grenze an der der Einfluss der Sonne endet und der interstellare Raum
zwischen den Sternen beginnt. Dort wo sich Voyager zur Zeit befindet ist
die Sonne nur noch ein sehr heller Stern am Himmel - sieben Tausend mal
schwächer als auf der Erde.
Deshalb besitzt die Raumsonde keine Solarzellen. Sie müssten so riesig
sein, dass sie viel zu viel Gewicht hätten, um die Sonde auf die Reise zu
schicken. Voyager führt dagegen sein eigenes kleines Kraftwerk mit sich,
einen alten thermonuklearen Generator. Darin wird die Wärme, die beim
Zerfall radioaktiver Atome frei wird, in elektrische Energie umgewandelt.
Bis etwa 2020 wird dieses Kraftwerk die Sonde mit ausreichender Energie
versorgen können.
Auch die Sonnensonde Ulysses, zu Deutsch Odysseus setzt auf
Kernenergie: Sie
wurde 1990 von einem Space Shuttle aus gestartet, um die Pole der Sonne zu
erkunden. Um aber über die Sonne zu kommen, musste die Sonde erst den
Planeten Jupiter anfliegen. In dessen Schwerefeld wurde sie dann nach oben
aus der Bahnebene der Planeten geschleudert. Aber nahe dem Riesenplaneten
sind die Strahlen der Sonne 25 mal schwächer als auf der Erde.
Solarzellen, die ausreichend Energie bereit stellen könnten, würden ca.
540 kg wiegen. Dadurch hätte sich das Gewicht der Sonde verdoppelt. Kein
Shuttle kann aber eine so schwere Nutzlast in eine Erdumlaufbahn bringen.
Statt dessen erhielt auch Ulysses einen thermonuklearen Generator,
der nur 56 Kilogramm wiegt. Damit werden alle Bordsysteme für die Navigation,
Kommunikation und die wissenschaftlichen Instrumente mit elektrischer
Energie versorgt. Ulysses braucht einige hundert Watt zum Arbeiten. Im Vergleich dazu
benötigen die Systeme des Space Shuttles fünf bis zehn kW, also 50 mal mehr. Die
Internationale Raumstation ISS braucht nochmals 10 mal soviel, etwa 100
kW.
Die ISS verlässt aber niemals die Erdumlaufbahn. Das verringert ihren
Energiebedarf. Bemannte Raumfahrtmissionen außerhalb des erdnahen Bereichs
dagegen benötigen nicht nur Energie für die Bordsysteme, sondern auch für
den Antrieb und die Lebenserhaltungssysteme. "Für aufwendige bemannte
Missionen, um vielleicht auf den Mond oder zum Mars zu
fliegen, braucht man hunderte bis tausend Kilowatt auf der Oberfläche und
hunderte bis tausend Kilowatt für das Transportsystem", erläutert John Mankins, Cheftechniker für das Spitzentechnologie-Programm der NASA. "Man
kann nicht einfach den Stecker in die nächste Steckdose stecken", fügt er
noch hinzu. "Man muss schon seine eigene Energiequelle mitbringen. Am
Besten sollte man etwas finden, das sowohl die Energie für den Antrieb als
auch für den Betrieb bereit stellt".
Seit den ersten Raketenversuchen am Anfang des 20. Jahrhunderts verwendet
man chemische Antriebe, um die Schwerkraft der Erde zu überwinden. Nach
einer Brenndauer von fünf bis 15 Minuten ist der Treibstoff verbraucht und
das Raumfahrtzeug fliegt seinem Ziel antriebslos entgegen. Neuen
Schwung kann es nur bekommen, wenn es die Schwerkraft eines anderen
Planeten ausnutzt. Voyager brauchte damit Jahre, um den Saturn zu
erreichen. Aber dann konnte die Sonde sich nur ein paar Tage im
Saturnsystem aufhalten, in der Nähe des Planeten sogar nur einige Stunden.
Für die nächste Welle bemannter Missionen sieht Jeff Georges vom Johnson Space Center "eine sich entwickelnde Familie für die Energie- und
Antriebstechnologie, die zusammen gehören". Voraussichtlich ist der
elektrische Antrieb der erste Kandidat. "Im Weltraum selbst braucht man
nicht soviel Schub wie beim Überwinden der Erdanziehung", erklärt George,
"aber man muss Schub mit sehr wenig Treibstoff erzeugen. Das liegt an den
Beschränkungen für das Gewicht. Nach dem Start mit chemischen Mitteln
können elektrische Antriebe sehr Treibstoff sparend sein".
Der effektive Impuls ist ein Maß, wie gut Treibstoff in Schub umgesetzt
wird. Je größer umso besser. Elektrische Antriebe sind dabei etwa um das
zehnfache besser als chemische. Theoretisch sind Verbesserungen bis zu
einem Faktor 10 000 denkbar.
Weiter zum 2. Teil: Sind
Ionen-Antrieb, Fusionsreaktoren und Antimaterie-Triebwerke die Lösung?
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