GENESIS
Eine
Schnellstraße durch das Sonnensystem
von Stefan
Deiters
astronews.com
18. Juli 2002
Martin Lo, Ingenieur am NASA Jet Propulsion Laboratory, hat eine
Art Schnellstraße durchs Sonnensystem entdeckt: Folgen Raumsonden den von
ihm berechneten Bahnen, kommen sie mit deutlich weniger Treibstoff aus. Lo
träumt sogar schon von wissenschaftlichen Servicestationen für Raumschiffe
- direkt an seinem Interplanetary Superhighway.
Fliegen Raumsonden auf bestimmten Bahnen durch das Sonnensystem
können sie erheblich Treibstoff sparen. Bild: NASA/JPL |
Wenn man sehen könnte, was Martin Lo, Ingenieur am NASA Jet Propulsion
Laboratory, entdeckt hat, würde man eine Reihe verschlungener Tunnel
erkennen, die
sich auf geheimnisvolle Weise durch unser Sonnensystem winden. Obwohl
unsichtbar, könnte
die Entdeckung einigen Einfluss auf zukünftige und auch auf laufende
Raumfahrtmissionen haben: Folgt ein Raumschiff nämlich diesen scheinbar wirren
Bahnen, spart es einen beträchtlichen Teil an Treibstoff. Der Flugingenieur
spricht daher auch von einem Interplanetaren Superhighway.
Lo entdeckte diese Schnellstraße durchs Sonnensystem bei der Berechung der
Flugbahn für die Genesis-Sonde, die Partikel des Sonnenwindes einfangen
und zur Erde zurückbringen soll (astronews.com berichtete). Die meisten interplanetaren Mission machen sich
die Gravitationskraft der Körper im Sonnensystem zu Nutze, in dem sie an einem
Planeten oder Mond quasi "Schwung holen". Lo nutzte einen anderen Effekt: Durch
die Vielzahl von Körpern im Sonnensystem wirken an jedem Ort eine ganze Reihe
von Gravitationskräften in verschiedene Richtungen, an manchen Stellen heben
sich nahezu auf - ein idealer Ort für die Flugbahn einer Raumsonde.
Dieser Effekt ist schon lange bekannt und geht auf das so genannte
Dreikörperproblem zurück, das sich mit der Frage befasst, wie sich drei Körper
unter dem Einfluss ihrer gegenseitigen Anziehung bewegen. Es im allgemeinen Fall
nicht exakt lösbar. Lagrange zeigte aber, dass man es für einige Spezialfälle
doch lösen kann, nämlich wenn sich einer der drei Körper in einem
Gleichgewichtspunkt zu den anderen beiden Körpern befindet. In jedem System
lassen sich insgesamt fünf dieser so genannten Lagrange-Punkte finden - auch
für jedes Planet-Mond-System.
Lo hat nun verschiedene Flugbahnen entlang dieser Lagrange-Punkte berechnet
und dabei Geschwindigkeiten und zurückgelegte Entfernungen berücksichtigt. Die
möglichen Bahnen will Lo nun für das gesamte Sonnensystem in einer Karte
zusammenfassen. Für die Planung von Missionen entwickelte er ein
Computerprogramm namens LTool, mit dessen Hilfe die Bahn der
Genesis-Sonde berechnet wurde, die im August 2001 gestartet ist. Genesis
ist damit die erste Sonde, die mit Hilfe der Theorie des Interplanetary
Superhighway gesteuert wird.
Die Bahn führt Genesis zunächst zu einem Lagrange-Punkt der Erde, den sie
fünf Mal umrundet und dann - ohne zusätzliche Manöver - zum Lagrange-Punkt auf
der anderen Seite des Planeten wechselt. Von dort wird die Sonde in die obere
Atmosphäre der Erde zurückkehren, von wo sie die Probe mit den Partikeln des
Sonnenwindes abwirft. "In einer perfekten Welt würde Genesis überhaupt keinen
Treibstoff benötigen", so Lo, "aber da wir nicht alle Einflüsse kontrollieren
können, müssen wir hin und wieder kleine Korrekturen an der Flugbahn anbringen.
Aber die Treibstoffersparnis führt direkt zu geringeren Kosten für die Mission."
Für Lo hat die von ihm entwickelte Technik ein gewaltiges Potential: So denkt
der Ingenieur an eine Art wissenschaftliche Service-Plattform, die um einen
Lagrange-Punkt des Mondes kreist. Diese könnten Raumschiffe, die sich auf dem
Interplanetary Superhighway bewegen, einfach erreichen und so kostengünstig
gewartet werden. Auch für zukünftige bemannte Missionen käme die Schnellstraße
durchs Sonnensystem in Frage. Allerdings ist es durchaus möglich, dass sich nicht nur Raumschiffe auf dem
Interplanetary Superhighway bewegen: Der Asteroid, der für das Aussterben
der Dinosaurier verantwortlich ist, könnte nach Ansicht von Lo eine ähnliche
Bahn wie die Genesis-Sonde gehabt haben.
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