DUNKLE MATERIE
Astronomen
entdecken dunkle Zwerggalaxien
von Stefan
Deiters
astronews.com
21. Mai 2002
Kosmologische
Modelle sagen um große Galaxien einen Schwarm von Zwerggalaxien voraus, die
überwiegend aus dunkler Materie bestehen. Beobachtet wurden diese dunklen
Satelliten bis heute noch nicht, doch glauben zwei amerikanische Astronomen nun,
eindeutige Beweise für ihre Existenz gefunden zu haben.
Das Bild des Quasars MG 0414+534 ist durch den
Gravitationslinseneffekt gleich mehrfach zu sehen. Schuld ist
eine massereiche Galaxie im Vordergrund. Bild: E. Falco
et al., CfA |
Zwei amerikanische Astronomen haben Beweise dafür entdeckt, dass Galaxien von
einem Halo aus Hunderten von dunklen und somit unsichtbaren Zwerggalaxien
umgeben sein könnten. Dieser Fund, der in der Juni-Ausgabe des Astrophysical
Journal, detailliert erläutert wird, unterstützt eine Theorie, nach der die
meiste Materie in Universum in Form von so genannter kalter dunkler Materie zu
finden ist.
Neal Dalal von der Universität von Kalifornien in San Diego und Christopher
Kochanek vom Harvard-Smithsonian Center für Astrophysik im amerikanischen
Cambridge stützen ihre Untersuchung auf die Analyse von Bilder so genannter
Gravitationslinsen. Nach Einsteins Gravitationstheorie kann eine große
Ansammlung von Materie - wie etwa eine große Galaxie - das Licht von weiter
entfernten Objekten ähnlich wie eine Linse ablenken. Als Konsequenz sieht man
von einem entfernten Objekt plötzlich mehrere identische Abbilder, deren Anzahl
und Aussehen etwas über die Verteilung der Materie in der Galaxie verrät, die
für den Effekt verantwortlich ist. Das ist insbesondere dann interessant, wenn
diese Galaxie von vielen kleineren Zwerggalaxien umgeben ist: Dann kann nämlich
eines der Abbilder des entfernten Objektes sehr viel heller sein als die
übrigen, nämlich genau dann, wenn die kleine Zwerggalaxie in der Sichtlinie
zwischen uns und dem entfernten Objekt liegt.
Dalal und Kochanek haben nun sieben verschiedene Galaxien untersucht, deren
Masse jeweils das Licht von Hintergrundobjekten in vier verschiedene Bilder
aufgespaltet hatte. Sie errechneten, dass etwa zwei Prozent der Materie in den
untersuchten Galaxien in Zwerggalaxien vorhanden sein muss. Nur so könne man
nämlich die beobachteten Helligkeitsschwankungen in den Abbildern erklären.
Dieses Ergebnis ist vor allem für Astronomen bedeutend, die sich mit der
Entstehung von Galaxien nach dem Urknall beschäftigen. Nach den favorisierten
kosmologischen Modellen handelt es sich bei etwa 80 bis 90 Prozent der Materie
im Universum um dunkle Materie. Dabei denken die Forscher meist an eine
unbekannte Form von Elementarteilchen, die sich nur durch ihre
Gravitationswirkung verraten, aber sonst fast gar nicht mit normaler Materie
wechselwirken.
Dunkle Materie kommt in den Theorien der Astronomen in zwei verschiedenen
"Geschmacksrichtungen" vor: als kalte und heiße dunkle Materie. Die
Wissenschaftler favorisieren derzeit kalte dunkle Materie, die sich nur sehr
langsam bewegt und sich deswegen leicht unter Einfluss der Gravitation zu
Galaxien zusammentun kann. Doch bislang gab es ein Problem: In den Simulationen
mit kalter dunkler Materie konnte man bislang zwar immer die Entstehung von
Galaxien wie etwa unsere Milchstraße beobachten, doch wurden die Galaxien in den
Modellrechnungen auch immer von einen Schwarm aus Zwerggalaxien begleitet, den
man bislang nicht gefunden hat. Das hatte sogar dazu geführt, dass einige
Astronomen schon nicht mehr an dieses Modell glaubten.
"Die Tatsache, dass man bislang zu wenig Satellitengalaxien um große Galaxien
entdeckt hat, war ein sehr schwerwiegendes Argument gegen die Theorien mit
kalter dunkler Materie", so Dalal. "Unser Ergebnis ist daher eine gute
Verteidigung der Theorie." Allerdings bleiben Unwägbarkeiten: Wenn diese dunklen
Zwerggalaxien - wie es die Theorie voraussagt - aus zehn bis 20 Prozent normaler
Materie bestehen, müsste man in ihnen auch Sterne sehen. "Es ist schwer so viel
Materie zu verstecken", meint Dalal. Das zur Bildung von Sternen nötige Gas
könnte, so ein Ausweg, allerdings bei der Entstehung der Galaxie verloren
gegangen sein.
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