Europas Paradestück der Umweltbeobachtung heißt Envisat. Der größte,
aufwändigste und leistungsstärkste Erdbeobachtungssatellit der Europäischen
Weltraumorganisation (ESA) ist - vollständig ausgerüstet - 25 Meter hoch, zehn
Meter breit und über acht Tonnen schwer. Sein Start mit einer Ariane 5 ist in
der Nacht vom 28. Februar zum 1. März geplant. Europas fliegendes Klimalabor ist
den Umweltveränderungen auf der Spur. Er soll mindestens fünf Jahre lang Daten
über die globale Erwärmung, den Abbau von Ozon und den Klimawandel liefern. Sie
sind als Grundlage politischer Entscheidungen dringend notwendig und überfällig.
Bislang hatte nur eine Handvoll Menschen das Glück, die Erde aus dem Weltraum
zu sehen und zu erkennen, wie winzig und zerbrechlich sie ist. "Ich hoffe",
sagte Alexei Leonow, der erste Kosmonaut, der aus seinem Raumschiff ausstieg,
"dass alle Menschen dies verstehen und unseren blauen Planeten schützen: Als das
Heim, in dem sie geboren sind, als die Heimat, in welcher sie leben, und als die
Heimstatt, wo ihre Kinder und Enkelkinder nach ihnen leben werden." Dieses Ziel
hat sich Envisat zu eigen gemacht. Er ist mit den besten Augen ausgestattet.
Seine zehn Instrumente bieten alles, was sich Wissenschaftler zur Beobachtung des von
Umweltgefahren bedrängten Heimatplaneten wünschen. Die einzigartige fliegende
Umweltstation schließt zugleich nahtlos an die erfolgreichen europäischen
Geofernerkundungssatelliten ERS 1 (1991) und ERS 2 (1995) an.
Klimaschutz ist eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft. Deshalb
hat die ESA auch nicht gekleckert, sondern geklotzt: Die Gesamtkosten des
Envisat-Programms liegen bei 2,3 Milliarden Euro, verteilt über 15 Jahre.
Darin eingeschlossen sind Entwicklung und Bau der Geräte sowie des Satelliten,
der Start mit der Trägerrakete Ariane 5 sowie die Kosten des Satellitenbetriebes
während fünf Jahre. Jeder Bürger der 15 ESA-Mitgliedsländer investiert hiermit 7
Euro in die Umwelt. Oder anders ausgedrückt: Envisat kostet jedem
europäischen Bürger etwa eine Tasse Kaffee pro Jahr. Im Gegenzug erhält er
mindestens fünf Jahre lang exakte Daten über die Umweltveränderungen: Über die
globale Erwärmung, den Abbau von Ozon und den Klimawandel.
Seit vier Jahrzehnten stehen Wetter-, Erderkundungs- und Umweltsatelliten zur
großräumigen synoptischen Erfassung zur Verfügung. 1991 begann die Europäische
Raumfahrtagentur ESA mit ERS 1 ein höchst erfolgreiches globales
Erderkundungsprogramm, dem 1995 der weltbeste Ozonwächter ERS 2 folgte. Mit dem Global Ozone Monitoring Experiment GOME wurde erstmals alle drei Tage
eine komplette Ozonweltkarte erstellt, die - aneinandergereiht - im
Zeitrafferfilm das dramatische Ausmaß des jährlichen Ozonlochs eindrucksvoll
visualisierte. Envisat baut auf die Erfahrungen von ERS auf, ist ein um
mehrere Klassen leistungsfähigerer Satellit zur dreidimensionalen Überwachung
der Umwelt. Der Superlativ von der gigantischsten Mission zum Planeten Erde ist
berechtigt.
Mit Envisat hat die ESA eine Plattform geschaffen, der ein derart
komplexes System, wie es die vielgestaltige Umwelt darstellt, mit all ihren
wichtigen Teilprozessen in der Atmosphäre, den polaren Eisregionen, den Ozeanen
sowie an Land regelmäßig beobachtet. Die hervorragende Vergleichbarkeit der
Daten bildet zugleich die entscheidende Voraussetzung für das Erkennen von
Prozessabläufen auf der Erde. "GOME war ein schöner Erfolg," schätzt der Atmosphärenchemiker
John Burrows von der Universität Bremen rückblickend ein, "aber mit Envisat
können wir weltweit in der Bundesliga mitspielen. GOME hatte bereits einen
Vorsprung gegenüber den amerikanischen Systemen, doch Envisat stellt die
absolute Spitzenstellung für Umweltmessungen dar. Wir Europäer können damit auf
eigene, unabhängige Datensätze bauen."