KOSMOLOGIE
Am Ende gefriert die
Zeit
von Stefan
Deiters
astronews.com
17. Dezember 2001
Viele Kosmologen beschäftigen sich mit der Frage, wie das
Universum einmal entstand und zu dem wurde, was es heute ist. Der
theoretische Astrophysiker Professor Abraham Loeb interessierte sich für
das andere Extrem: Wie wird unser Weltall enden? Die Antwort, die Loeb
jetzt veröffentlichte, ist überraschend: Die Zeit wird scheinbar stehen
bleiben und das Universum extrem langweilig aussehen.
In 7 Milliarden Jahren dürften von der Milchstraße aus (unten
links) nur noch die Galaxien der lokalen Gruppe sichtbar sein,
wie etwa M77 (oben links), M33 (oben Mitte), M74 (links unter
M33), M31 (Mitte) und NGC 147 (unten rechts).
Bild: Harvard Smithsonian Center for Astrophysics |
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Obwohl die Frage nach den Anfängen des Universums in den theoretischen
Überlegungen deutlich mehr Gewicht zu haben scheint, hat das Schicksal unseres
Weltalls Kosmologen schon immer beschäftigt: So vermuteten einige, dass sich
irgendwann einmal die Expansion des Universums umkehren und alle Materie wieder
in einem winzigen Punkt komprimiert würde. Im Gegensatz zu dieser Big Crunch
genannten Theorie stand das Modell, dass die Ausdehnung unendlich lange
weitergeht, die Sonnen verlöschen werden und schließlich komplette Dunkelheit
herrscht.
Jetzt hat Professor Abraham Loeb, theoretischer Astrophysiker am renommierten
Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, das Schicksal unseres
Universums genauer untersucht. Das Bild, das er von der Zukunft unseres Alls
malt, lässt unsere Milchstraße als recht einsamen Ort erscheinen, denn je älter
das Weltall wird, desto weniger Galaxien werden sichtbar sein. Zusätzlich werden
die Galaxien, deren Verblassen wir langsam beobachten, in ihrer zeitlichen
Entwicklung eingefroren erscheinen.
Dieses überraschende Ergebnis ist ein direkte Konsequenz von Einsteins
Relativitätstheorie kombiniert mit den zur Zeit aktuellen kosmologischen
Parametern. Jüngste Untersuchungen hatten nämlich die Existenz einer
zusätzlichen Kraft nahe gelegt, die dafür sorgt, dass die Expansion des
Universums schneller wird und sich nicht etwa unter Einfluss der
Gravitationswirkung der Galaxien verlangsamt. In die kosmologischen Modelle
fließt dies in Form der kosmologischen Konstante ein, die Forscher zuweilen als
Energiedichte des Vakuums beschreiben, ohne jedoch eine konkrete Vorstellung
davon zu haben, wie diese geheimnisvolle Kraft eigentlich genau wirkt. Sie
dürfte aber, so die Berechnungen von Loeb, dazu führen, dass entfernte Galaxien
sich so schnell von uns entfernen, dass wir sie gar nicht mehr sehen können.
Durch diese Beschleunigung wird sich unser kosmologischer Horizont in den
nächsten 100 Milliarden Jahren dramatisch verkleinern, so dass wir nur noch etwa
1.000 Galaxien unserer näheren Umgebung beobachten können. Wenn eine Galaxie
unseren kosmologischen Horizont überschreitet, wird ihr Bild quasi eingefroren
erscheinen. Das Licht, was sie danach aussendet, wird uns nie mehr erreichen
können. "Dieser Prozess ähnelt dem Vorgang, der zu beobachten ist, wenn eine
Lichtquelle in ein Schwarzes Loch fällt," erläutert Loeb. "Sowie ein Objekt den
Ereignishorizont des Schwarzen Lochs überschreitet, erscheint sein Bild
eingefroren und wird langsam schwächer, weil das Licht, das es hinter diesem
Punkt ausgesandt hat, uns nicht mehr erreichen kann." Genauso wird es mit
Galaxien passieren: Ihre Entwicklung dürfte für einen Beobachter auf der Erde
plötzlich stoppen. Stattdessen wird man nur sehen können, wie ihr unverändertes
Bild langsam verblasst.
Die Berechnungen von Loeb haben auch Konsequenzen für zukünftige Studien des
Weltalls, weil die gefundenen Prozesse die Informationen, die unsere Nachfahren
von fernen Galaxien erhalten, deutlich reduzieren werden. So können wir
beispielsweise zur Zeit das Licht eines Quasars beobachten, das dieser aussandte
als das Weltall gerade einmal eine Milliarde Jahre alt war. Loeb hat nun
berechnet, dass wir die Entwicklung dieses Quasars nur noch für etwa sechs
Milliarden Jahre verfolgen werden können. Dann wird er sich plötzlich nicht mehr
weiter verändern: Sein gefrorenes Bild wird nur immer schwächer und schwächer
werden.
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