RÖNTGEN-DOPPELSTERNE
Das Chaos hat Methode
von Stefan
Deiters
astronews.com
6. Juni 2001
Der Kosmos erscheint auf den ersten Blick chaotisch: Millionen
von Sonnen leuchten, Sterne entstehen, sterben oder umkreisen Schwarze
Löcher oder Neutronensterne und senden dabei Röntgenstrahlen ins
All. Jetzt haben Astronomen entdeckt, dass die Ausstrahlung der
Röntgenstrahlung von diesen Doppelstern-Systemen einem mathematischen
Muster zu folgen scheint.
Schematische
Darstellung eines Röntgendoppelsterns: Ein normaler Stern und
ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch kreisen um ihren
gemeinsamen Massenschwerpunkt. Das Schwarze Loch zieht Materie
vom normalen Stern ab, in der Akkretionsscheibe hat sich eine
Dichtewelle gebildet.
Etwas später liegt diese in Richtung der größten Anziehung.
Als Ergebnis der Wechselwirkung kann wenig später die
Röntgenstrahlung deutlich abklingen. Bild:
K. Smale - NASA/GSFC/SPS |
Die
Astronomen Particia Boyd und Alan Smale vom NASA Goddard Space Flight
Center haben während der letzten Jahre die Abstrahlung von drei
verschiedenen Röntgen-Doppelsternen verfolgt und dabei ein allen
gemeinsames Konzept entdeckt: Die Anzahl der Tage zwischen den Zeitpunkten
mit wenig Emission im Röntgenbereich ist zwar in jedem System zufällig
verteilt, ist aber immer das Vielfache einer kleinen konstanten Zahl.
Dieses Muster in der Röntgenabstrahlung spiegelt nach Ansicht der
Forscher die zu Grunde liegende Physik wider, nach der Materie auf einen
Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch spiralt.
"Neutronenstern
und Schwarze Löcher können gleichzeitig berechenbar und zufällig sein
wie ein Würfelspiel", erläutert Boyd. "Nach vielen Würfen
verrät einem die Statistik etwas über den Würfel, nämlich das er sechs
verschiedene Seiten hat. Bei einem Doppelsternsystem können wir die
Länge der Variationen der Röntgenstrahlung mit der Dynamik der beiden
beteiligten Sterne in Verbindung bringen." Die Untersuchung gelang
mit Hilfe des NASA Rossi-X-Ray Timing Explorers, mit dem seit fünf
Jahren alle Sterne unserer Umgebung untersucht werden, die Variationen im
Röntgenbereich zeigen.
Röntgendoppelsterne
bestehen aus einem Schwarzen Loch oder einem Neutronenstern und haben als
Begleiter einen normalen Hauptreihenstern. Dabei passiert es, dass der
Neutronenstern oder das Schwarze Loch Materie vom normalen Stern abzieht. Das
heiße Gas sammelt sich in der sogenannten Akkretionsscheibe und spiralt in das
Schwarze Loch oder in den Neutronenstern hinein.
Boyd und Smale
haben eine neue Methode angewandt, um die Physik dieser Akkretionsscheiben zu
studieren, bei der die Vorhersagbarkeit der Geometrie der Scheibe kombiniert
wird mit der Zufälligkeit von Störungen in dieser Scheibe. Sie wandten dieses
Verfahren auf zwei Kandidaten für Schwarze Löcher (Cygnus X-3 und LMC X-3)
sowie auf einen Neutronenstern (Cygnus X-2) an.
Cygnus X-2 hat
eine Orbitperiode von 9,8 Tagen und die Forscher fanden heraus, dass die Zeit
zwischen zwei Minima der Röntgenabstrahlung immer ein Vielfaches von 9,8 ist.
Man kann nicht vorhersagen welches Vielfache, doch die Orbitperiode und die
Tatsache, dass es sich um ganzzahlige Vielfache handelt steht fest. Auch bei den
Schwarzen Löchern fanden Boyd und Smale die gleichen Regeln für langfristigen
Variationen. Die Gemeinsamkeiten sprechen nach Ansicht der Forscher dafür, dass
der Mechanismus für die Störung der Scheibe an etwas gekoppelt sein muss, das
ähnlich vorhersagbar ist wie eine Uhr.
In Frage käme da
eine Art Klumpigkeit in der Akkretionsscheibe. Dichtewellen in diesen Scheiben,
also Bereiche von höherer Dichte, könnten - wenn sie sich an der richtigen
Stelle befinden - zu einer Verstärkung der Gravitationskräfte führen, was die
Akkretionsscheibe stark stören und schließlich zu einer deutlichen
Verringerung der Röntgenabstrahlung führen könnte. An einer detaillierten
Theorie wird derzeit noch gearbeitet: "Das Zusammenspiel zwischen den
zufälligen und regelmäßigen Komponenten in diesen Systemen ist wirklich ein
Rätsel", so Smale. "Weitere Beobachtungen sollten dieses Muster
entweder bestätigen oder noch kompliziertere Zusammenhänge offenbaren."
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