INTERSTELLARES
MEDIUM
Das Weltall im Labor
von Stefan
Deiters
astronews.com
14. August 2000
Die chemischen und physikalischen Prozesse in riesigen
Molekülwolken und Nebeln sind für die Astrophysik von entscheidender
Bedeutung: Nur wenn man über sie Bescheid weiß, kann man auch verstehen,
wie aus einer riesigen Gaswolke einmal eine Sonne mit einem Planetensystem
wird. Leider lassen sich diese Vorgänge nur sehr schwer auf der Erde
simulieren. Das will die Forschergruppe Laboratory Astrophysics an
den Universitäten Jena und Chemnitz jetzt ändern. Die Erkenntnisse
könnten sogar für die Suche nach Leben im All wichtig sein.
An der Technischen
Universität Chemnitz und an der Friedrich-Schiller-Universität Jena wird die
erste Forschergruppe für "Laboratory Astrophysics" entstehen. Die
finanziellen Mittel dafür - knapp drei Millionen Mark für zunächst drei Jahre
- hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) jetzt bereitgestellt. Ziel der
Gruppe, die gemeinsam von
Prof. Dr. Dieter Gerlich (Chemnitz) und Prof. Dr. Thomas Henning (Jena) geleitet
wird, ist es, möglichst viel über die Struktur, Dynamik und die Eigenschaften von
Molekülen und Partikeln unter den extremen Bedingungen des Weltraums - also bei
großer Kälte, sehr niedrigem Druck und Schwerelosigkeit herauszufinden.
"Die Physik und Chemie
funktioniert im Weltall etwas anders als unterherkömmlichen Bedingungen auf
der Erde", erläutert Henning, "in vielerlei Hinsicht
stehen wir noch vor echten Rätseln." So ist beispielsweise immer noch
ungeklärt, wie etwa
die Hälfte des interstellaren Gases in unserer Milchstrasse entstanden ist,
das als molekularer Wasserstoff vorkommt. "Wir vermuten, dass diese einfachen
Moleküle sich aus frei schwebenden Wasserstoff-Atomen auf der Oberfläche von Staubteilchen bildeten
und dann
in den interstellaren Raum gelangten," erläutert Henning. Wie solche Prozesse ablaufen,
hat natürlich noch niemand unmittelbar vor Ort beobachtet. Henning und sein
Team versuchen sie aber nun im Labor unter weltraumähnlichen Bedingungen
nachzubilden.
Was sich zunächst
nach einem relativ unspektakulären Spezialgebiet der Astrophysik anhört,
berührt in Wahrheit noch ganz andere und deutlich publikumswirksamere Gebiete:
Die Forschungen über
die physikalischen und chemischen Abläufe in Molekülwolken und Sonnennebeln
würden, so Henning, dazu beitragen, die Entstehung von Sternen und Planetensystemen besser zu
verstehen. Und sie dienen auch als Basis für eine neue astrobiologische
Forschungsrichtung. "Wenn wir im All nach
irgendwelchen Formen von Leben suchen, müssen wir zunächst die chemischen
Grundlagen dafür aufklären."
Obwohl die
Wissenschaftler hauptsächlich an der Grundlagenforschung interessiert sind,
wollen sie trotzdem nicht ausschließen, dass sie in ihrem Weltraumlabor etwas
entdecken, was sich auch auf der Erde verwenden lässt: "Es wäre nicht das erste Mal,
dass bei solchen Experimenten neue Wege für die Synthese-Chemie, die
Materialwissenschaft oder für experimentelle Techniken entdeckt werden,"
so Henning.
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