Es ist das seltenste Isotop im Universum: Tantal-180. Durch
Messungen des Stuttgarter Instituts für Strahlenphysik konnte jetzt die
Entstehung dieses Stoffes geklärt werden - mit Hilfe einer Probe von 6,7
Milligramm im Wert von 2,3 Millionen Dollar. Und das nukleare Leben von
Sternen spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Die meisten der schweren Elemente,
die auf der Erde und im Universum vorkommen, werden über zwei Prozesse im
Lebenszyklus der Sterne erzeugt: Entweder relativ langsam im heißen Inneren
eines Sterns (im sogenannten s-Prozess) oder aber während einer
Supernova-Explosion (im sogenannten r-Prozess). Mit dem vorhandenen Wissen über den Ablauf dieser Prozesse konnte die Entstehung fast aller in
der Natur vorkommender Isotope geklärt werden - das Vorhandensein von
Tantal-180 jedoch nicht.Das Schwermetall
Tantal ist bereits das seltenste in der Natur vorkommende Element. Wegen
seiner außerordentlich hohen chemischen Resistenz gegen Säuren und seines
hohen Schmelzpunktes wird das 1802 entdeckte natürliche Tantal heute
beispielsweise für
chemische Geräte und medizinische Instrumente benutzt. Natürliches Tantal besteht fast ausschließlich aus dem Isotop Tantal-181;
das Isotop Tantal-180 ist nur zu 0,012 Prozent enthalten. Und auch diese winzige Menge kann nur
unter besonderen Bedingungen überleben und stabil bleiben; dann
aber hat es eine Lebensdauer von mehr als einer Billiarde Jahre.
Normalerweise zerfällt Tantal-180 mit einer Halbwertszeit von rund acht Stunden.
Trotz beträchtlicher experimenteller und theoretischer Anstrengungen
stellte die Nukleosynthese von Tantal-180 immer noch ein Rätsel
dar. Das geringe Vorkommen erklärt sich im Prinzip daraus, dass es während
Supernova-Explosionen grundsätzlich nicht entstehen kann. Und auch die
Entstehung im sogenannten s-Prozess ist zwar nicht unmöglich, findet aber
nur sehr selten statt. Und es gibt noch ein weiteres Problem: Während der s-Prozess-Reaktionen herrschen in den
Sternen Temperaturen von einigen Hundert Millionen Grad, was dazu führen
würde, dass selbst die stabile Form von Tantal-180 sofort in die
kurzlebige Form übergehen würde. Somit müsste eigentlich das gesamte beim
s-Prozess erzeugte Tantal-180 gleich wieder zerstört werden.
Ob und wie dies alles genau abläuft wollte man im Labor am Stuttgarter
Dynamitron-Teilchenbeschleuniger
herausfinden: 20 Wissenschaftler bemühten sich, hinter das Geheimnis des
Tantal-180 zu kommen und machten einen bemerkenswerte Entdeckung: Mit
Hilfe des gesamten Weltvorrats an angereichertem Tantal-180 - der für ein Jahr vom amerikanischen National-Laboratorium Oak Ridge
nach Stuttgart ausgeliehen wurde - simulierten die Forscher die Vorgänge während des
s-Prozesses. Die bei
den Messungen erzielten Ergebnisse sind von großer Bedeutung für
Sternmodellrechnungen: Benutzt man die althergebrachten Theorien für das
Innere von Sternen, wird
tatsächlich das gesamte entstehende Tantal-180 sofort wieder zerstört.
Realistischere
und aktuellere Sternmodell-Rechnungen Karlsruher Astrophysiker, in
denen verschiedene Details wie zum Beispiel der schnelle Transport des erzeugten Tantals in kühlere
äußere Zonen der Sterne berücksichtigt wird,
haben jedoch gezeigt, dass man im optimalen Fall sogar die Menge Tantal-180
mit dem s-Prozess erzeugen kann, die man in der Sonne beobachtet.
Auf den Fund ist man Stolz in Schwaben: "Der Erfolg der Stuttgarter
Untersuchungen zeigt", so betonte der Leiter des Instituts für
Strahlenphysik der Universität Stuttgart, Professor Ulrich Kneissl, "dass
Spitzenergebnisse der Grundlagenforschung nicht nur an Großforschungseinrichtungen erzielt werden
können, sondern auch an Universitätsinstituten mit entsprechender Ausstattung und
Förderung und begeisterungsfähigen Mitarbeitern."