Mit Hilfe des Hubble-Weltraumteleskops könnte es
amerikanischen Wissenschaftlern gelungen sein, hinter das Geheimnis von
riesigen Gaswolken zu kommen, deren genauer Ort und Einfluss auf unsere
Galaxis bisher unbekannt war. Nach den nun veröffentlichten Erkenntnissen
der Forscher könnten diese High-Velocity Clouds die
Sternentstehungsprozesse in der Milchstraße entscheidend beeinflussen.
Radioaufnahme der Milchstraße, die große Gaswolken zeigt. In
der Mitte die galaktische Scheibe. Das Hubble-Teleskop
untersuchte die eingekreiste Wolke oben links. Foto: NASA und
Bart Wakker |
Die mysteriösen High-Velocity Clouds (oder
Hochgeschwindigkeitswolken) wurden vor über 30 Jahren entdeckt, ohne dass
man aber wusste, welche Rolle sie bei der Entwicklung unserer Milchstraße
spielen. Ja, man wusste noch nicht einmal genau, wo sich diese Wolken
befinden: Entfernungsbestimmungen reichten von einigen hundert bis zu zehn
Millionen Lichtjahren. Zudem benahmen sich diese Objekte relativ
ungewöhnlich: Sie umrundeten nicht - wie andere galaktische Objekte - das
Zentrum unserer Milchstraße, sondern bewegten sich einfach mit hoher
Geschwindigkeit durch den Raum.
Doch immer besser werdende Instrumente auf der Erde und das Hubble-
Weltraumteleskop ermöglichten es nun, hinter das Geheimnis dieser
mysteriösen Wolken zu kommen: So konnte man beispielsweise die Entfernung
zu einer dieser Wolken mit rund 20.000 Lichtjahren recht genau ermitteln.
Die Wolke liegt damit im
Halo
unserer Milchstraße. Und mit Hubbles Hilfe ließen sich nun die
Inhaltsstoffe einer anderen Wolke bestimmen, die zwischen 10.000 und
40.000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist. "Die neuen Ergebnissen
sind deutliche Hinweise darauf, dass einige der Wolken eine
Schlüsselrolle bei der chemischen Entwicklung unserer Galaxis spielen.
Sie versorgen unsere Milchstraße mit metallarmen Gas, wodurch der
Elementanreicherung durch Sternentwicklung entgegengewirkt wird,"
erläutert Bart B. Wakker von der Universität von Wisconsin.
Somit könnte diese Entdeckung auch ein weiteres Rätsel lösen: Das
Gas der Milchstraße durchläuft einen gewissen Recyclingprozeß: Sterne
werden aus dem Gas geboren, verbrennen dann Wasserstoff zu Helium und
schwereren Elementen und verlöschen schließlich mehr oder weniger
spektakulär. Im Laufe ihres Lebens geben die Sterne einen großen Teil
ihres Material wieder an ihre Umgebung ab und dieses Material enthält
dann natürlich deutlich mehr schwerere Elemente wie Helium oder
Kohlenstoff als das Gas aus dem die Sterne entstanden sind. Somit müssten
eigentlich jüngere Sterne aus Gas geboren werden werden, das mehr
schwerere Elemente enthält als das Gas aus dem ältere Sterne entstanden
sind. Der Gehalt an schweren Elementen im Gas der Milchstraße müsste
ständig größer werden und damit auch die sogenannte Metallizität der
Sterne.
Dummerweise scheint es so zu sein, dass sich die Metallizität der
jungen Sterne in der galaktischen Scheibe nicht von denen der alten Sterne
unterscheidet. "Der ständige Gasregen ist Material, das noch nie
zuvor in der Milchstraße war", erklärt Wakker dieses Phänomen.
"Das einfallende Gas gleicht die Anreicherung an schweren Elementen
durch die Sternentwicklung aus." Damit, so Wakker, sei dieses Problem
gelöst: "Wir brauchen keine andere Erklärung mehr, da wir nun
wissen, dass das Gas ständig auf die Milchstraße einregnet."
Die neuen Entdeckungen erklären auch, warum in der Milchstraße immer
noch genügend Gas vorhanden ist, um im Durchschnitt einen Stern pro Jahr
zu bilden: Allein die jetzt beobachtete Wolke liefert etwa ein Fünftel
der Masse unserer Sonne. Aber, so Wakker, es sind noch mehr Wolken da
draußen, die ständig Material für neue Sterne nachliefern.