Ein neues Radioteleskop auf Deutschlands höchstem Berg
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Würzburg astronews.com
3. Januar 2025
Auf der Zugspitze soll in den kommenden Jahren ein
Radioteleskop entstehen, das eigenständig für Forschungen genutzt werden kann,
aber vor allem als europäischer Ableger des künftigen next-generation Very
Large Array vorgesehen ist. Das Wetterstein-Millimeter-Teleskop
wird die Einrichtungen der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus erweitern.
Modell des Wetterstein-Millimeter-Teleskops
an einem der möglichen Standorte am Zugspitzplatt. Die
Umweltforschungsstation ist im Hintergrund sichtbar, rund
dreihundert Höhenmeter unterhalb des Gipfels der Zugspitze.
Bild: mtex antenna technologies /
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Auf der Zugspitze soll in den kommenden Jahren ein hochmodernes Radioteleskop
entstehen. Mit dem Schneefernerhaus betreibt Bayern hier bereits Deutschlands
höchstgelegene Umweltforschungsstation. Das rund 4,5 Millionen Euro teure
Teleskop, das "Wetterstein-Millimeter-Teleskop" (WMT), soll gleichzeitig
Prototyp und deutscher Ableger in einem weltweiten Netz von Radioteleskopen
sein. Federführend in dem Projekt ist der Lehrstuhl für Astronomie der
Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU).
"Aktuell arbeitet die US-amerikanische Forschungseinrichtung NRAO (National
Radio Astronomy Observatory) daran, ein Netzwerk aus über 260
zusammengeschalteten Einzelteleskopen aufzubauen – das sogenannte next-generation
Very Large Array", erklärt Matthias Kadler, Professor am Lehrstuhl für
Astronomie der JMU und treibende Kraft hinter dem neuen Teleskop an der
Zugspitze. Dank der Verteilung über viele Standorte und eine große Fläche
ermögliche solch ein Zusammenschluss vieler Teleskope Beobachtungen mit einer
hohen Empfindlichkeit und einem großen Auflösungsvermögen, erklärt der
Astrophysiker. Das nordamerikanische Netzwerk, kurz ngVLA genannt, wird nach
seiner Fertigstellung Mitte der 2030er-Jahre das weltweit dominierende
Großteleskop im kurzwelligen Radiobereich sein.
Bisher war geplant, die einzelnen Teleskope ausgehend von einem
spiralförmigen Kern in New Mexico auf eine Gesamtfläche zu verteilen, die von
Hawaii bis Puerto Rico und von Kanada bis Mexiko reicht. Kombiniert mit einer
Reihe von strategisch positionierten Radioteleskopen an zusätzlichen Standorten
in Deutschland, könnte dieses Netzwerk allerdings seine Leistungsfähigkeit
signifikant steigern. Das entsprechende Konzept hat Kadler gemeinsam mit
führenden Experten auf dem Gebiet der Radioastronomie entwickelt und vor kurzem
vorgestellt. Das WMT spielt dabei als erstes deutsches ngVLA-Teleskop eine
zentrale Rolle. "Das Wetterstein-Millimeter-Teleskop soll mit dem
nordamerikanischen ngVLA zusammengeschaltet werden können und auch selbstständig
ein vielfältiges astrophysikalisches Forschungsprogramm durchführen. Es wird
unter anderem Schwarze Löcher und relativistische Jets in aktiven Galaxien
untersuchen", erklärt Kadler.
"Darüber hinaus stellt das Teleskop eine interdisziplinäre
Forschungsplattform an der Umweltforschungsstation dar. Diese kann von
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in den Bereichen Geodäsie, Radar zur
Weltraumlageerfassung, Atmosphärenphysik, Erprobung neuer Radio-Hochfrequenz
Technik, Empfängertechnologien, Digitalität und vielem mehr genutzt werden",
ergänzt Tobias Ullmann, Professor am Lehrstuhl für Fernerkundung der JMU sowie
Mitglied des Science Teams der Umweltforschungsstation, der für die fachlichen
Beiträge der JMU sowie die wissenschaftliche Qualität der Forschung am
Schneefernerhaus zuständig ist.
Eine weitere besondere Stärke der JMU liegt in der Satellitentechnologie.
Auch in diesem Bereich soll das WMT eingesetzt werden. Mit SONATE-2 betreibt die
Universität Würzburg bereits heute einen hochmodernen Satelliten zur Erprobung
von KI-Technologien im Weltraum. Zukünftige Entwicklungen bei der
Satellitenkommunikation im Hochfrequenzbereich können perspektivisch in
interplanetaren Kleinsatellitenmissionen des Interdisziplinären
Forschungszentrums für Extraterrestrik (IFEX) eine wichtige Rolle spielen.
Gemeinsam wollen die Würzburger Arbeitsgruppen auch ein wissenschaftliches
Programm zur Bewahrung des für die Menschheit astronomisch nutzbaren
Frequenzbereichs des Radiohimmels durchführen. Dieser ist durch den rapiden
Anstieg der kommerziellen Nutzung, beispielsweise für Satellitenkonstellationen,
zunehmend bedroht und kann nur durch interdisziplinäre Forschung geschützt
werden.
Und noch einen Vorteil bietet das Teleskop an der Zugspitze: "Wir schaffen
damit eine lokale Infrastruktur in Bayern, die Würzburger Forschenden im Kontext
internationaler Großforschungsinfrastrukturen Zugriff auf wissenschaftliche
Daten von Weltrang gewährt, ohne transkontinentale Reisen notwendig zu machen",
so Karl Mannheim, Inhaber des Lehrstuhls für Astronomie an der JMU. Das Projekt
sei damit ein wichtiger Baustein in dem langjährigen Bemühen der JMU und des
Lehrstuhls für Astronomie für mehr Nachhaltigkeit in der Forschung.
Nach seiner Fertigstellung wird das Wetterstein-Millimeter-Teleskop eine
sofort verfügbare wichtige Infrastruktur für die deutsche Astronomie darstellen.
Möglich ist dann auch der Zusammenschluss mit europäischen und weltweiten
Radioteleskop-Netzwerken wie dem European VLBI Netzwerk (EVN) und dem Global
Millimeter VLBI Array (GMVA). Die internationalen Astronomen jedenfalls
sind davon überzeugt: "Das Wetterstein-Millimeter-Teleskop wird über Jahrzehnte
hinweg in weltweiten Netzwerken wie dem ngVLA und im Verbund mit dem
südafrikanischen Zukunftsteleskop SKA arbeiten und Spitzenforschung
ermöglichen", erklärt J. Anton Zensus, Direktor des Max-Planck-Instituts für
Radioastronomie. Auch national ruft das Projekt WMT großes Interesse hervor. So
wird zum Beispiel bereits intensiv eine Kooperation mit dem Fraunhofer Institut
für Hochfrequenzphysik und Radartechnik diskutiert, in der das Teleskop als
Empfangselement für Radarexperimente im Verbund mit der Großradaranlage
Tracking and Imaging Radar (TIRA) zur Beobachtung und Analyse aktiver
Satelliten, Weltraumtrümmer oder erdnaher Asteroiden eingesetzt werden kann.
Das Schneefernerhaus befindet sich knapp unterhalb des Gipfels der
Zugspitze auf einer Höhe von 2650 Metern. Die Forschungsstation soll nach Plänen
des Freistaats Bayern in den kommenden Jahren deutlich gestärkt werden und noch
höhere internationale Sichtbarkeit erhalten. Das Wetterstein-Millimeter-Teleskop
ist da ein wichtiger Baustein.
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