Alte Proben vom Mond liefern neue Erkenntnisse zur Mondgeschichte
von
Stefan Deiters astronews.com
22. Oktober 2024
Die letzte Mondlandung liegt bereits über ein halbes
Jahrhundert zurück und noch immer liefert sie Material für neue Studien: Die
Analyse von Bodenproben, die ihm Rahmen von Apollo 16 zur Erde gebracht
wurden, ergaben nun neue Hinweise auf die Geschichte des Erdtrabanten. Die
untersuchte Gesteinsart war zuvor noch nie mithilfe der Massenspektrometrie
untersucht worden.
Astronaut John W. Young beim Sammeln von Bodenproben auf dem
Mond. Foto:
NASA [Großansicht] |
Die Apollo-16-Astronauten John Young, Charles Duke und Ken Mattingly brachten
im Jahr 1972 mehr als 95 Kilogramm Proben aus dem Descartes-Hochland des Mondes
zurück zur Erde. Unter diesen Proben befanden sich auch sogenannte "Regolithbrekzien",
die entstehen, wenn Mondstaub - oder Regolith - durch Asteroideneinschläge mit
Gestein verschmolzen wird. Das Besondere an diesen Brekzien ist, dass in ihnen
die geochemische Zusammensetzung des Regoliths zum Zeitpunkt ihrer Entstehung
erhalten ist. Die Analyse ihrer Zusammensetzung kann also etwas über Art und
Zeitpunkt ihrer Entstehung verraten.
Das heutige, stark kraterübersäte Erscheinungsbild des Mondes ist das
Ergebnis unzähliger Kollisionen mit Asteroiden in der rund 4,5 Milliarden Jahre
währenden Geschichte des Erdtrabanten. Forschende aus Großbritannien und aus den USA
haben nun moderne analytische Massenspektrometrie-Verfahren eingesetzt, um die
Zusammensetzung von Gasen zu analysieren, die in "bodenähnlichen Brekzien", eingeschlossen
waren. Diese Proben der Apollo-16-Mission waren zuvor noch nie massenspektrometrisch untersucht worden. "Die Massenspektrometrie, die Moleküle in Proben identifiziert
und ihre relative Häufigkeit quantifiziert, kann uns helfen zu bestimmen, wie
viel Zeit die Proben auf oder in der Nähe der Mondoberfläche verbracht haben",
erläutert Dr. Mark Nottingham, der das Forschungsteam leitete als er noch an der
University of Manchester arbeitete. Inzwischen ist er an die University of Glasgow
gewechselt. "Das hilft uns, eine klarere Vorstellung von der Geschichte der Einschläge in
diesem speziellen Bereich des Mondes zu bekommen."
Die Ergebnisse des Teams liefern neue Erkenntnisse dazu, wie die Oberfläche des Mondes
im Laufe von mehr als zwei Milliarden Jahren durch den Einfluss des Sonnenwinds und
gewaltige Einschläge von Asteroiden verändert wurde. "Im Laufe der Zeit, in der sich die
Proben auf der Oberfläche des Mondes als Regolith aufhielten, waren sie
unterschiedlichen Mengen an Sonnenwind ausgesetzt – geladene Teilchen, die von
der Sonne ins All strömen und auch Spuren von Edelgasen wie Argon und Xenon tragen –,
die sich über Millionen von Jahren auf den äußeren Schichten der Staubkörner
ansammelten, bevor sie von einem Asteroiden getroffen wurden."
"Die Geschichte des Mondes ist auch die Geschichte der Erde – die
Aufzeichnungen von Asteroidenbombardements, die auf seiner Oberfläche und unter
seiner Oberfläche eingebrannt sind, können uns helfen, die Bedingungen des
frühen Sonnensystems zu verstehen, das unseren Planeten sowie seinen nächsten
Nachbarn geformt hat", so Nottingham weiter. "Im Gegensatz zur Erde ist die Geschichte des Mondes
jedoch in geologischen Zeitkapseln auf seiner Oberfläche eingeschlossen,
unberührt von Plattentektonik oder Erosion, was es uns ermöglicht,
Spitzentechnologien wie die Massenspektrometrie zu nutzen, um ihre Geheimnisse
zu entschlüsseln." Die Untersuchungen könnten zudem helfen, wertvolle natürliche Ressourcen
auf dem Erdtrabanten zu lokalisieren, die sich astronautische Mondmissionen
zunutze machen könnten.
Bereits frühere Studien hatten nach Spuren von
Edelgasen in größeren Fragmenten der Brekzienproben von Apollo 16
gesucht und festgestellt, dass sich diese Proben in zwei Gruppen unterteilen
lassen - in eine "urzeitliche", zwischen 3,8 und 2,4 Milliarden Jahre alte und
eine "jung" Gruppe, die vor 2,5 bis 1,7
Milliarden Jahren gebildet wurde. Für die aktuelle Studie stellte die NASA den
Forschern elf Mondproben zur Analyse zur Verfügung. Neun der Proben zeigten eine
sehr diverse Altersstruktur, von 2,5 Milliarden Jahren bis zu weniger als einer
Milliarde. Dies deutet darauf hin, dass sie aus einem Gebiet mit einer sehr
abwechslungsreichen Einschlaggeschichte stammen.
Das Team fand auch
heraus, dass zwei der Proben viel niedrigere Konzentrationen an Edelgasen
aufwiesen, was darauf hindeutet, dass sie vor sehr viel kürzerer Zeit entstanden
sind und
möglicherweise weniger als eine Million Jahre lang dem Sonnenwind ausgesetzt
waren. Das Team vermutet, dass der Einschlag, der den nahe gelegenen South-Ray-Krater bildete, die Quelle dieser Probe gewesen sein könnte.
"Diese Studie zeigt zum ersten Mal, dass bodenähnliche Brekzien eine
eigene Kategorie sind, die ihre eigene Geschichte erzählt", so Nottingham. "In Kombination mit der
Analyse der alten und jungen Gesteine, die von Apollo 16 geborgen wurden, können
wir ein viel vollständigeres Bild der Geschichte dieses Teils des Mondes während
des frühen Sonnensystems erstellen, wo es in der ersten Milliarde Jahren schwerere Einschläge auf der
Mondoberfläche gab und sich dann vor etwa zwei Milliarden Jahren eine weniger
intensive Phase anschloss."
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel in der
Zeitschrift Meteoritics & Planetary Science.
|