Was die Farbe von Galaxien über ihre
Entfernung verrät
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
26. August 2024
Was verrät die Farbe einer Galaxie über ihre Entfernung? Um
diese Frage zu beantworten, hat ein Team Daten von insgesamt
230.000 Galaxien ausgewertet. Die Ergebnisse der Studie sollen es ermöglichen,
auf Aufnahmen
aktueller Himmelsdurchmusterungen für jede beobachtete Galaxie
den wahren Abstand statistisch zu bestimmen.
Illustration der von DESI bestimmten
dreidimensionalen Positionen von Galaxien, also
auch der Abstände, mithilfe der spektroskopischen
Messung der Rotverschiebung. Bild:
DESI [Großansicht] |
Unser Universum ist etwa 13,8 Milliarden Jahre alt, und mit der Zeit sind aus
kleinsten Ungleichheiten am Anfang die großen Strukturen gewachsen, die
Teleskope heute am Nachthimmel sehen können: Galaxien wie unsere Milchstraße,
Galaxienhaufen und noch größere Ansammlungen von Materie oder dünne Strukturen
aus Gas und Staub. Wie schnell dieses Wachstum vonstattengeht, hängt zumindest
im heutigen Universum von einer Art Ringkampf der Naturkräfte ab: Was hat die
Dunkle Materie, die durch ihre Gravitation alles zusammenhält und noch mehr
Materie anzieht, der Dunklen Energie, die das Universum auseinandertreibt,
entgegenzuhalten? !
"Diesen Ringkampf können wir beobachten, wenn wir die Strukturen am Himmel
genau vermessen können", sagt Astrophysiker Daniel Grün von der
Universitäts-Sternwarte München der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Dazu dienen teleskopische
Beobachtungsprojekte, die große Teile des Himmels sehr genau in Bilder fassen:
zum Beispiel der Dark Energy Survey mit dem Blanco-Teleskop in Chile
und der kürzlich in Betrieb genommene Euclid-Satellit. An beiden Projekten sind
LMU-Wissenschaftler und -Wissenschaftlerinnen, teilweise in leitender Funktion,
seit Jahren beteiligt.
Die Entfernungen der
einzelnen Strukturen und Galaxien von uns exakt zu bestimmen, ist dabei nicht
immer einfach, aber besonders wichtig. Denn je größer der Abstand, desto länger
war das Licht einer Galaxie zu uns unterwegs und desto älter ist also die
Momentaufnahme des Universums, die wir uns aus ihrer Beobachtung machen können.
Eine wichtige Quelle dafür ist etwa die beobachtete Farbe einer Galaxie, die von
erdgebundenen Teleskopen wie dem Blanco-Teleskop oder Satelliten wie Euclid
gemessen wird. Eine neue Studie eines Teams um Jamie McCullough, Doktorandin an
der LMU und an der Universität Stanford, und Grün liefert nun mit dem bisher größten Datensatz Aufschluss
darüber, was die Farbe verschiedener Galaxien tatsächlich über ihren wahren
Abstand aussagt.
Prinzipiell lässt sich der Abstand einer Galaxie mithilfe von
Spektroskopie genau bestimmen. Dabei vermisst man die Spektrallinien von
entfernten Galaxien. Diese scheinen, da das Universum sich insgesamt ausdehnt,
eine umso größere Wellenlänge zu haben, je weiter eine Galaxie von uns entfernt
ist. Denn das Licht ferner Galaxien erfährt auf dem langen Weg zu unserer
Galaxie ebenfalls eine Ausdehnung der Wellenlänge. Dieser Effekt,
Rotverschiebung genannt, verändert auch die scheinbaren Farben, die die
Instrumente im Bild der Galaxie messen. Sie wirken röter, als sie sind. Das ist
ähnlich dem Dopplereffekt beim Martinshorn eines sich entfernenden
Krankenwagens, bei dem sich auch die scheinbare Tonhöhe beim Vorbeifahren
ändert.
McCullough verwendete für ihre Analyse spektroskopische
Messungen des Dark Energy Spectroscopic Instrument (DESI) und verknüpfte sie mit
dem bisher größten Datensatz zur genauen Messung von Galaxien-Farben (KiDS-VIKING).
Konkret kombinierten die Autorinnen und Autoren spektroskopische Daten von DESI aus insgesamt
230.000 Galaxien mit den Farben dieser Galaxien in der KiDS-VIKING-Durchmusterung
und bestimmten daraus jeweils die Beziehung zwischen der Entfernung einer
Galaxie von uns und ihrer beobachteten Farbe und Helligkeit.
Keine zwei Galaxien
im Universum sind gleich, aber für jede Klasse ähnlicher Galaxien gibt es eine
spezielle Beziehung zwischen beobachteter Farbe und Rotverschiebung. "Wenn wir
Entfernungsinformationen mit Messungen der Form von Galaxien kombinieren können,
können wir aus den Lichtverzerrungen großräumige Strukturen herauslesen", sagt
McCullough. Die Ergebnisse der Studie ermöglichen es, aus den Aufnahmen
von Euclid oder dem Dark Energy Survey für jede in Bildern beobachtete Galaxie
den wahren Abstand statistisch zu bestimmen.
So besteht dann die Möglichkeit, aus den
beobachteten Verzerrungen der Galaxienbilder selbst etwas über das Verhalten
kosmischer Strukturen heute und vor Milliarden von Jahren zu lernen und diese
besser zu verstehen. Dies gibt einen Einblick in die Entwicklungsgeschichte des
Universums. Um den Verlauf der Strukturbildung mit der Zeit beobachten zu
können, muss man nicht Milliarden Jahre warten, sondern nur die Struktur in
verschiedenen Abständen von der Erde vermessen. Mit Bildern alleine ist das aber
fast unmöglich, denn der Abstand einer Galaxie von uns ist nicht ohne Weiteres
aus ihrer Erscheinung in einem Bild abzulesen. Die Studie von McCullough
enthält den Schlüssel hierzu: Sie liefert ein Modell dafür, was die scheinbare
"Farbe" einer Galaxie uns über ihren Abstand von uns aussagt.
Das große Ziel ist es, aus
dieser genauen Verteilung und Beobachtung unterschiedlich weit entfernter
Galaxien etwas über den Ringkampf der Naturkräfte abzuleiten, also dem Ringen
von Dunkler Materie und Dunkler Energie. "Um wirklich zu sehen, was passiert,
muss man die einzelnen Runden dieses Ringkampfes betrachten können", sagt Grün.
Denn die Dunkle Energie ist aktuell im Begriff aufzuholen und die Bildung
größerer Massenansammlungen im Universum womöglich ganz aufzuhalten. "So erst
verstehen wir, was die Dunkle Materie und die Dunkle Energie denn eigentlich
sind und wer von ihnen den kosmischen Ringkampf am Ende gewinnen wird."
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society
erschienen ist.
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