Auf dem Weg zur Entdeckung der zweiten Erde
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
15. August 2024
In Heidelberg sind zentrale optische Elemente für das
Coronagraph Instrument des Nancy Grace Roman Space Telescope
entwickelt und inzwischen an das Jet Propulsion Laboratory der NASA
übergeben worden. Mit dem Instrument soll ein innovatives Kameradesign getestet
werden, das das Potenzial für den ersten direkten Nachweis einer zweiten Erde
bietet.
Künstlerische Darstellung des
Weltraumteleskops Nancy Grace Roman. Der aktiv
gekühlte Hauptspiegel hat einen Durchmesser von
2,4 Metern und ist eine Kopie des Hauptspiegels
des Hubble-Weltraumteleskops.
Bild:
GSFC / CVS [Großansicht] |
Das Weltraumteleskop Nancy Grace Roman (ehemals WFIRST) wird seit
etwa einem Jahrzehnt unter der Leitung der NASA entwickelt. Der Durchmesser des
Hauptspiegels beträgt 2,4 Meter und ist eine Kopie des Spiegels des
Hubble-Weltraumteleskops. Für eines der beiden wissenschaftlichen Instrumente,
das Coronagraph Instrument (CGI), baute das Max-Planck-Institut für
Astronomie (MPIA) in Heidelberg unter der Leitung von Oliver Krause zentrale
opto-mechanische Komponenten. Das CGI stellt eine Technikstudie zur Erprobung
eines neuen Messdesigns zum Nachweis von Exoplaneten durch direkte Abbildung
dar. Sollte es wie erwartet zuverlässig Gasplaneten ähnlich dem Jupiter nahe
ihrer Muttersterne in Form eines Lichtpunkts abbilden, könnte die Messmethode
mit zukünftigen Weltraumteleskopen Gesteinsplaneten wie die Erde nachweisen und
erforschen.
Das MPIA lieferte sechs Flugmodelle und weitere sechs Ingenieurmodelle der
Precision Alignment Mechanisms (PAM), die optische Komponenten wie Spiegel und
Filter des CGI für die Beobachtungen ausrichten und stabilisieren.
Ingenieurinnen und Ingenieure des MPIA haben diese Elemente entworfen. Gefertigt
und getestet wurden sie in den Werkstätten und Laboren des MPIA. Die Firma von
Hoerner & Sulger aus Schwetzingen hat den Bau unterstützt. Oliver Krause, Leiter
der Forschungsgruppe für Infrarot-Weltraumastronomie, und sein Team haben diese
Kernelemente des CGI seit dem Frühjahr 2022 nach und nach an das Jet
Propulsion Laboratory (JPL) am California Institute for Technology
(CalTech) in Pasadena, USA, ausgeliefert. Das JPL gehört zur NASA und
beschäftigt sich mit der technischen Entwicklung von Weltraumsonden.
Das MPIA ist direkter Partner der NASA und des JPL im CGI-Projekt. Nicht
zuletzt die herausragenden Leistungen bei der Konzeption und Fertigung der
Mechanismen für NIRSpec und MIRI, die zentralen Messinstrumente des
Weltraumteleskops James Webb, haben NASA und JPL überzeugt. NIRSpec und
MIRI liefern seit Mitte 2022 spektakuläre Bilder und Daten. Die PAM-Flugmodelle
wurden bereits für den Weltraumeinsatz in das CGI eingebaut und ausführlich
getestet. Die baugleichen Ingenieurmodelle dienen der Überprüfung der
Spezifikationen am Boden. Darunter befindet sich ein Lebensdauermodell, das
bereits über 27.000 Bewegungen durchgeführt hat. Das entspricht in etwa der
doppelten Belastung eines Flugmodells während der Bodentests und der Mission im
All. Ein weiterer Meilenstein bestand in der Auslieferung des CGI an Goddard
Space Flight Center der NASA am 19. Mai 2024. Dort wird das Instrument in das
Teleskop eingebaut und weiteren ausführlichen Funktions- und Belastungstests
unterzogen.
Das CGI kombiniert erstmals zwei gängige Beobachtungstechniken für die
Anwendung im All, die Koronografie und die adaptive Optik. Koronografen werden
eingesetzt, um mit speziellen Masken helle Objekte auszublenden, um so
schwächere Himmelskörper in ihrer Nähe sichtbar zu machen. Diese Methode wird
auch heute schon genutzt, um Exoplaneten durch direkte Abbildung nachzuweisen.
Allerdings führen die eingesetzten Masken rund um die abgeblendeten Sterne zu
teils starken Bildartefakten. Dadurch werden mögliche Exoplaneten, die das Licht
ihres Muttersterns reflektieren, zuverlässig nur in relativ großen Abständen
nachgewiesen. So finden Astronominnen und Astronomen mit dieser Methode fast
ausschließlich Riesenplaneten aus Gas, ähnlich dem Jupiter, die in einer relativ
großen Entfernung vom Zentralstern ihre Bahnen ziehen. Für kleinere Planeten mit
engeren Bahnen müssen die Artefakte verringert werden.
Aus diesem Grund verfügt das CGI zusätzlich über eine adaptive Optik, die
einen höheren Helligkeitskontrast zwischen dem Stern und dem Planeten
ermöglicht. Diese Technik finden wir üblicherweise in Teleskopen am Erdboden.
Dort hilft sie dabei, Störungen in der Abbildung durch die Luftunruhe der
Erdatmosphäre zu verringern Im CGI minimiert die Technologie Störeffekte durch
das optische System des Teleskops. Die dafür benötigte Rechenleistung ist
allerdings eine neue Herausforderung für Weltraumkameras. Insgesamt sollte es
den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern so gelingen, Exoplaneten so nah
wie nie zuvor in der Nähe von hellen Muttersternen durch einen hellen Lichtpunkt
im Bild sichtbar zu machen. Das CGI ist so konstruiert, dass es einen Planeten
nachweisen kann, dessen naher Mutterstern eine Milliarde Mal so hell ist, was in
etwa dem Unterschied zwischen Jupiter und der Sonne entspricht. Gegenüber
heutigen Fähigkeiten entspricht das einer bis zu tausendfachen Verbesserung. Ein
eingebauter Spektrograf ermöglicht sodann, die Zusammensetzung der Atmosphäre
dieser Planeten zu erforschen.
Damit das gelingt, müssen die vom MPIA gefertigten PAMs eine außerordentlich
hohe Genauigkeit und Stabilität bei der Positionierung der optischen Elemente
wie Filter, Koronografen und Spiegel über mehrere Stunden gewährleisten. Im
Betrieb dürfen die PAMs über acht Stunden hinweg maximal um einen Winkel von 40
Millibogensekunden verkippen (3,6 Millionen Millibogensekunden ergeben ein
Winkelgrad). Das entspricht einem Winkel, den man erhält, wann man von
Heidelberg aus die Größe eines Menschen in Los Angeles wahrnehmen könnte. Diese
Anforderungen und die Komplexität des CGI machen es zum aufwendigsten und
teuersten wissenschaftlichen Instrument, das je im All stationiert werden wird.
Sollten die ersten Tests im All gelingen, wird das CGI Astronominnen und
Astronomen zur Erforschung von Exoplaneten zur Verfügung gestellt.
Bei einem erfolgreichen Abschluss der CGI-Mission könnte die verwendete
Technologie für zukünftige Weltraumteleskope wie etwa dem Habitable Worlds
Observatory weiter optimiert werden. Die direkte Abbildung einer zweiten
Erde wäre dann in greifbarer Nähe. Das Roman-Weltraumteleskop, das zunächst
WFIRST (Wide-Field Infrared Survey Telescope) hieß, ist nach der Astronomin
Nancy Grace Roman benannt, die jahrzehntelang astronomische Forschungsprogramme
der NASA leitete. Unter anderem war sie für die wissenschaftliche Planung des
Weltraumteleskops Hubble verantwortlich. Der Start des Roman-Teleskops
ist für 2027 vorgesehen.
|