Das Geheimnis des kleeblattförmigen Radiokreises
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
8. Mai 2024
Als "Odd Radio Circles", also ungewöhnliche Radiokreise,
bezeichnete Strukturen haben unlängst das Interesse der Astronomie geweckt.
Einen der insgesamt acht bislang bekannten Kreise hat ein Team nun mithilfe des
Weltraum-Röntgenteleskops XMM-Newton genauer untersucht. Offenbar
blicken wir beim Kleeblatt-ORC auf den kosmischen Tanz zweier Galaxiengruppen.
Das Kleeblatt-ORC ist hier bei
Radiowellenlängen (rot, ASKAP), optischen Wellenlängen (weiß
bis gelb, DESI Legacy Survey DR10) und Röntgenwellenlängen
(blau, XMM-Newton) dargestellt.
Bild:
Xiaoyuan Zhang & Matthias Kluge (MPE), Baerbel Korbalski
(CSIRO) [Großansicht] |
Jüngste Fortschritte in der Radioastronomie haben zur Entdeckung von
schwachen Radioquellen geführt, den "Odd Radio Circles" (ORCs). Diese neue
Kategorie extragalaktischer Quellen zeichnet sich durch ihre einzigartige
Morphologie aus, eine ringförmige Emission mit besonders hellen und klumpigen
Rändern sowie helle und unregelmäßige Emissionsspitzen im Zentrum. Der
sogenannte Kleeblatt-ORC ist ziemlich nah - sein Licht musste "nur" etwa 600
Millionen Jahre reisen, um uns zu erreichen. Das entspricht einer
Rotverschiebung von 0,046. Erste Beobachtungen deuteten auf eine mögliche
Verbindung mit einer elliptischen Zentralgalaxie hin.
Eine neue, jetzt vorgestellte Studie unter der Leitung des
Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE) hat den Kleeblatt-ORC
nun mit dem XMM-Newton-Observatorium ins Visier genommen. Die intensive Analyse
des Teams hat zu unerwarteten Ergebnissen geführt. "Auch wenn die Quelle in den
Daten des Röntgenteleskops eROSITA nur schwach zu erkennen ist, wollten wir uns
dieses faszinierende System genauer ansehen und hatten das Glück, die nötige
Teleskopzeit zu erhalten", erläutert Esra Bulbul, die die Gruppe am MPE leitet.
"Zu unserer Überraschung ist die von uns entdeckte ausgedehnte Röntgenemission
quer zur Radioemission ausgerichtet."
Das Forschungsteam hat zwei auffällige Spitzen identifiziert, die beide
faszinierende Eigenschaften aufweisen. Der südliche Röntgenpeak, der genau mit
der hellsten Radioemission übereinstimmt, hat ein optisches Gegenstück, eine
elliptische Zentralgalaxie. Im Gegensatz dazu weist der nordöstliche Peak
rätselhafte Merkmale auf, er hat weder ein optisches Gegenstück noch entspricht
er einer hellen Radioquelle. Weitere Untersuchungen des diffusen Röntgengases,
das den Kleeblatt-ORC umgibt, deuten darauf hin, dass sich der ORC in einer mit
Gas gefüllten Region befindet, die den Raum innerhalb der kleinen
Galaxiengruppen durchdringt.
Das Team entdeckte eindeutige Hinweise darauf, dass sich das
Kleeblatt-ORC-System mitten in einer Verschmelzung befindet. Bei einer genaueren
Untersuchung einzelner Galaxien innerhalb des Systems fanden die Forscher
erhebliche Störungen in deren Morphologie, insbesondere in Richtung Osten. Die
Studie zeigt auch eine Untergruppe mit hohen Geschwindigkeiten, die bei
optischen Wellenlängen erkennbar ist. Zusammen mit der gestörten Morphologie der
Röntgenemission des gruppeninternen Mediums ist dies ein deutlicher Hinweis auf
eine aktuelle Verschmelzung innerhalb des Kleeblatt-ORC.
Signifikante Abweichungen zwischen Galaxien und Röntgengas werden häufig bei
der Verschmelzung großer Galaxienhaufen beobachtet, sind aber innerhalb von
Galaxiengruppen selten. Xiaoyuan Zhang, Postdoktorand am MPE und Zweitautor der
Studie, betont, wie wichtig tiefere Röntgenbeobachtungen sind, um die thermische
Geschichte des gruppeninternen Mediums zu verfolgen und tiefere Einblicke in das
Fusionsszenario zu gewinnen. "Wenn wir die thermische Geschichte des
gruppeninternen Mediums aufspüren wollen, die Aufschluss über das
Verschmelzungsszenario geben würde, brauchen wir in Zukunft tiefere
Röntgenbeobachtungen", so Zhang.
Da bisher nur acht ORCs bekannt sind, muss jede mögliche Erklärung für ihren
Ursprung die Frage beantworten, warum sie so selten sind. Die führende Theorie
über die Seltenheit von ORCs besagt, dass nur wenige geometrische Faktoren zu
ihrer Beobachtung im Zusammenhang mit solchen Verschmelzungen führen. Eine
faszinierende Hypothese zu dem beobachteten starken Radiosignal besagt, dass die
supermassereichen Schwarzen Löcher innerhalb des ORC in der Vergangenheit Phasen
intensiver Aktivität durchlaufen haben. Die durch diese Aktivität beschleunigten
Elektronen könnten durch die laufende Verschmelzung wieder beschleunigt werden
und so zu dem beobachteten starken Radiosignal beitragen.
"Obwohl das Verschmelzungsszenario die Eigenschaften des Kleeblatt-ORCs auf
natürliche Weise erklärt, müssen wir vorsichtig sein, da es sich nur um ein
einziges System handelt", betont Bulbul. "Durch umfassende Beobachtungen über
einen weiten Wellenlängenbereich wollen wir auch die Ursachen für andere ORCs
entschlüsseln."
Über ihre Ergebnisse berichten die Forschenden in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlicht wurde.
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