Der atomare Sauerstoff in der Atmosphäre der Venus
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. astronews.com
9. November 2023
Die Venus gilt als Zwilling der Erde, hat sich aber komplett anders entwickelt.
Und natürlich interessiert sich die Forschung dafür, wie das passieren konnte.
Mit dem Flugzeugobservatorium SOFIA wurde vor zwei Jahre nun erstmals die
Konzentration des atomaren Sauerstoffs auf der Tag- und Nachtseite der
Venusatmosphäre direkt gemessen.
Absorptionsspektrum von atomarem Sauerstoff
bei 4,74 Terahertz (schwarze Linie) vor dem Hintergrund der
Venus.
Bild: Hübers et al. / NASA / JPL-Caltech [Großansicht] |
Unser Sonnensystem hat zwei bemerkenswert ähnliche Planeten: die Erde und die
Venus. Sie sind wahrscheinlich gleich alt, vergleichbar groß und vermutlich aus
den gleichen Materialien entstanden. Aber es gibt auch große Unterschiede
zwischen beiden Himmelskörpern. Während die Erde einen blauen Himmel, Ozeane mit
flüssigem Wasser voller Leben und eine sauerstoffreiche Atmosphäre hat, ist die
Venus umgeben von einer dichten Wolkendecke aus Kohlendioxid, Stickstoff und
verschiedenen Spurengasen.
In der Atmosphäre der Venus herrschen zwei starke Strömungen vor: Unterhalb
von etwa 70 Kilometern gibt es Winde, die in Hurrikanstärke entgegen der
Rotationsrichtung der Venus wehen, jedoch strömen oberhalb von 120 Kilometern
starke Winde in Rotationsrichtung. Zwischen diesen beiden entgegengesetzten
atmosphärischen Strömungen befindet eine Schicht von atomarem Sauerstoff. Dieser
entsteht durch die UV-Strahlung der Sonne, die das Kohlendioxid und
Kohlenmonoxid der Venusatmosphäre in atomaren Sauererstoff und weitere Produkte
zerlegt.
Frühere und aktuelle Nachweismethoden sind indirekt und basieren auf
Messungen anderer Moleküle in Kombination mit photochemischen Modellen. Einem
Team von Forschenden vom DLR-Institut für Optische Sensorsysteme, dem
Max-Planck-Institut für Radioastronomie und der Universität zu Köln ist es im
November 2021 erstmals gelungen, die äußerst reaktiven Sauerstoffatome in der
Atmosphäre der Venus direkt nachzuweisen. Die Messungen wurden mit dem Terahertz-Spektrometer
upGREAT (German Receiver for Astronomy at Terahertz Frequencies) an Bord des
Flugzeugobservatoriums SOFIA durchgeführt.
"Sie waren besonders herausfordernd, da die Venus nur an drei Tagen für
jeweils circa 20 Minuten mit SOFIA beobachtet werden konnte und zudem nur wenig
über dem Horizont stand. Dank der überragenden Messempfindlichkeit von upGREAT
und der einzigartigen Qualität von SOFIA gelang es, eine Karte der
Sauerstoffverteilung auf der Venus zu erstellen", erläutert Prof. Heinz-Wilhelm
Hübers, Direktor des DLR-Instituts für Optische Sensorsysteme.
Die Emission der Venus wurde in einem schmalen Frequenzbereich um 4,74
Terahertz gemessen, was einer Wellenlänge von 63,2 Mikrometern entspricht. Der
atomare Sauerstoff in der Venus-Atmosphäre absorbiert diese Strahlung. Das ist
vergleichbar mit den Fraunhoferlinien im Sonnenspektrum, die einen Hinweis auf
die in der Sonnenatmosphäre befindlichen Atome geben. So entsteht im
Terahertzspektrum der Venus eine Absorptionslinie, die charakteristisch für den
atomaren Sauerstoff ist. Die Stärke und Form des Absorptionssignals ist ein Maß
für die Menge des atomaren Sauerstoffs und für seine Temperatur.
"Wir konnten damit zeigen, dass der Sauerstoff auf der Tagseite der Venus
gebildet wird und seine Konzentration mit abnehmender Sonneneinstrahlung
ebenfalls abnimmt. Auf der Nachtseite deutet eine lokale Konzentrationserhöhung
auf eine Anreicherung des atomaren Sauerstoffs in Folge von Windströmungen hin",
erklärt Hübers. Aus der Temperatur des atomaren Sauerstoffs von ca. -120 Grad
Celsius auf der Tagseite bis -160 Grad Celsius auf der Nachtseite lässt sich
ableiten, dass er vorwiegend in einer Höhenschicht um 100 Kilometer vorkommt.
Seine Konzentration ist circa zehnmal geringer als in der Atmosphäre der Erde.
Die deutlichen Unterschiede zur Erde können zukünftig zu einem besseren
Verständnis beitragen, warum sich die Erde und ihr Schwesterplanet Venus so
unterschiedlich entwickelt haben.
SOFIA, das "Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie", war ein
Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und
der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Zeitschrift Nature
Communications veröffentlicht.
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