Schnelle Eisen-Ionen in Sonnenprotuberanz
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Göttingen astronews.com
14. Oktober 2021
Vor allem in der aktiven Phase unserer Sonne lassen sich auf
ihr spektakuläre Protuberanzen beobachten. Sie schweben als riesige Wolken über
der sichtbaren Oberfläche. Magnetfelder spielen bei der Entstehung dieser
Strukturen eine wichtige Rolle. Bei Untersuchungen einer solchen Protuberanz hat
ein Forschungsteam nun eine spannende Entdeckung gemacht.
Die Sonnenprotuberanz vom 28. Juni 2019,
7:58 Uhr, beobachtet vom Learmouth Observatorium
in Australien. Die Protuberanz erstreckt sich
90.000 Kilometer über den Sonnenrand, was dem
7-fachen Durchmesser der Erde, angedeutet durch
den blauen Punkt, entspricht.
Bild: NASA/SDO/AIA, EVE/HMI/AIP [Großansicht] |
Protuberanzen schweben als riesige Wolken über der Sonne, gehalten von einem
Stützgerüst aus magnetischen Kraftlinien, deren Fußpunkte in tiefen
Sonnenschichten verankert sind. Die dort stets herrschenden Strömungen bewegen
das Stützgerüst und damit die Protuberanz. Ein Forschungsteam der Universität
Göttingen und der Institute für Astrophysik aus Paris, Potsdam und Locarno hat
beobachtet, dass in den Sonnenprotuberanzen die ionisierten Eisen-Atome um bis
zu 70 Prozent schneller sind als neutrale Helium-Atome.
Die Forscher beobachteten, wie magnetische Kräfte innerhalb von zehn Minuten
eine Protuberanz um 25000 Kilometer – etwa zwei Erddurchmesser – anhoben. Das
entspricht mit 42 Kilometern pro Sekunde etwa der vierfachen
Schallgeschwindigkeit in der Protuberanz. Dabei traten Schwingungen mit einer
Periode von 22 Sekunden auf, bei denen ionisierte Eisen-Atome bis zu 70 Prozent
schneller waren als neutrale Helium-Atome.
Nach den Gesetzen der Physik müssen die elektrisch geladenen Eisen-Ionen den
Bewegungen des Magnetfeldes folgen, nicht aber die ungeladenen Helium-Atome.
Diese werden zwar von den Ionen mitgerissen, jedoch nur zum Teil, da es nicht
genügend Kollisionen gibt, weil der Gasdruck zu niedrig ist. Solche Bedingungen,
bei denen teil-ionisiertes Gas mit wenigen Kollisionen vorkommt, spielen in der
Astrophysik eine wichtige Rolle – nicht nur in Sonnen-Protuberanzen, sondern
unter anderem auch in Gas-Wolken, aus denen sich Sterne und Planeten bilden, im
weitverteilten Gas zwischen den Sternen und im Gas zwischen Galaxien.
Die theoretische Astrophysik simuliert solch einen Zustand mit zwei
Flüssigkeiten, die nur schwach miteinander wechselwirken. "Diese Rechnungen
enthalten Modell-Annahmen, von denen einige mit den neuen Messergebnissen
überprüft werden können", sagt Dr. Eberhard Wiehr vom Institut für Astrophysik
der Universität Göttingen. Das Team führte die Beobachtungen am Sonnenteleskop
in Locarno durch, mit dem nur zwei Emissionslinien gleichzeitig gemessen werden
konnten.
Nun planen die Wissenschaftler erweiterte Beobachtungen am französischen
Teleskop auf Teneriffa, mit dem mehrere Linien gleichzeitig vermessen werden
können. Zudem ermöglicht die vierfache Lichtstärke dieses Teleskops eine so
kurze Belichtung der lichtempfindlichen Kameras, dass noch kürzere
Schwingungsperioden messbar werden. "Möglicherweise finden wir dann noch höhere
Geschwindigkeitsunterschiede zwischen den geladenen Ionen und den neutralen
Atomen."
Über die Ergebnisse der Studie berichtet das Team in einem Fachartikel, der
in der Zeitschrift Astrophysical Journal erschienen ist.
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