Aus für historisches Radioteleskop
von
Stefan Deiters astronews.com
20. November 2020
Es dürfte das wohl bekannteste Radioteleskop überhaupt sein
und war bis vor wenigen Jahren auch das größte: das 305-Meter-Arecibo-Teleskop
auf Puerto Rico. Nachdem in den letzten Monaten gleich zwei Stahlseile gerissen
waren, wurde nun entschieden,
den Betrieb einzustellen. Eine Reparatur erschien den Verantwortlichen als zu
gefährlich, weil die Struktur jederzeit zusammenbrechen könnte.
Das Arecibo-Radioteleskop im November 2020.
Foto: University of Central Florida [Großansicht] |
Praktisch jeder kennt das riesige Arecibo-Radioteleskop: Es wurde zu Beginn
der 1960er Jahre in einer Mulde mitten im Wald etwa 15 Kilometer südlich der
Hafenstadt Arecibo in Puerto Rico gebaut. Es war schon in einem
James-Bond-Film oder im Film "Contact" zu sehen, der auf einem Roman des
Astronomen Carl Sagan beruht. Daten des Radioteleskops wurden viele Jahre im
Rahmen des Projekts SETI@home ausgewertet, 1974 wurde damit eine Botschaft von
der Erde ins All geschickt - die Arecibo-Botschaft.
Das Arecibo-Observatorium stand schon mehrfach vor dem Aus, weil die Finanzierung des Komplexes
immer wieder infrage stand, insbesondere nach Beschädigungen durch den Hurrikan
Maria im Jahr 2017. Doch es fanden sich immer wieder Wege, das Teleskop für die
Wissenschaft zu retten und einen Weiterbetrieb der Anlage zu ermöglichen.
Inzwischen ist die University of Central Florida hauptverantwortlich
für das Teleskop. Im Sommer riss dann ein Stahlseil, das zur Stabilisierung der
über der Radioschüssel aufgehängten Empfängerplattform diente. Es richtete auch
an der Schüssel erheblichen Schaden an, der aber als reparierbar angesehen
wurde.
Vor wenigen Tagen nun riss ein weiteres Stahlseil. Zwar richtete dieses Seil
nur geringe
Schäden an, war aber - anders als das im Sommer gerissene Seil - eines der drei
Hauptstahlseile, die die Plattform trugen. Die verbleibenden Stahlseile müssen nun die
Last der Empfängerplattform allein tragen, einige davon sind so alt wie das
Observatorium selbst. Man befürchtete einen unmittelbar bevorstehenden Kollaps
der gesamten Struktur.
Eine Untersuchung hat nun gezeigt, dass eine Reparatur nur unter Lebensgefahr
für die Arbeiterinnen und Arbeiter möglich wäre. Auch stelte sich bei den Untersuchungen
heraus, dass die
noch vorhandenen Strukturen offenbar deutlich weniger belastungsfähig sind als
angenommen. Selbst wenn eine Reparatur also gelungen wäre, hätte die Struktur
nicht langfristig als gesichert gelten können. Dies führte gestern zu der
schwierigen Entscheidung, den Betrieb des Teleskop nach 57 Jahren offiziell
einzustellen und das Teleskop langfristig zu demontieren.
"Die Leitung des Arecibo-Observatoriums und die University of Central
Florida haben Unglaubliches geleistet, um sich ein Bild von der Situation zu
machen und alle Optionen zu prüfen, um dieses tolle Instrument zu
retten", so Ralph Gaume, Direktor für Astronomie bei der National Science Foundation der USA, die finanziell auch am Betrieb des Teleskops beteiligt ist.
"Bis zu den jetzt vorliegenden Untersuchungen war die Frage nicht, ob, sondern
nur wie das Teleskop repariert werden kann. Aber letztendlich war die Datenlage
eindeutig: Das ist nicht ohne Gefahr für die Beschäftigten zu schaffen. Und dies ist
eine rote Linie für uns." Die Bereiche, die durch einen unkontrollierten
Kollaps des Teleskops
gefährdet wären, wurden nach dem Bruch des zweiten Stahlseils umgehend evakuiert.
Das Arecibo-Teleskop war mit einem Durchmesser von 305 Meter lange Zeit das größte
Radioteleskop der Welt. Diesen Status verlor es erst durch die Inbetriebnahme
des Radioteleskops FAST in China, das einen Spiegeldurchmesser von 520 Metern
hat.
Update (1. Dezember 2020): Es ist das passiert, was
viele befürchtet hatten: Die verbliebenen Stahlseile der Instrumentenplattform
des Arecibo-Radioteleskops sind gerissen und die Plattform auf die
Schüssel gestürzt.
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