Multiresistente Keime im Schlammvulkan
Redaktion
/ Pressemitteilung der TU Berlin astronews.com
4. Februar 2020
Um Leben auf anderen Welten besser entdecken zu können,
interessieren sich Astrobiologen auch auf der Erde für Organismen, die unter
extremen Bedingungen existieren können. Als eine Forschungsgruppe nun
Schlammvulkane auf Trinidad untersuchte, konnten sie in dem Wasser neben einigen
Überlebenskünstlern zu ihrer Überraschung auch gefährliche multiresistente Keime
nachweisen.
Schlammvulkane sind einzigartige geologische
Strukturen, die durch tektonischen Druck
entstehen. Sie werden aus tief unter der
Erdoberfläche vorhandenen Flüssigkeiten gespeist.
Bild: TU Berlin / ZAA / Dirk Schulze-Makuchi [Großansicht] |
Als eine Forschungsgruppe rund um den TU-Astrobiologen und Geologen Prof. Dr.
Dirk Schulze-Makuch auf der Suche nach lebenden Organismen in besonders
lebensfeindlichen Umgebungen einige Schlammvulkane auf der karibischen Insel
Trinidad chemisch-mikrobiell untersuchte, erlebte sie eine Überraschung. Das
Team identifizierte verschiedene gefährliche krankheitserregende
Bakterienstämme, unter anderem solche, die als multiresistente Krankenhauskeime
bekannt sind und die sehr wahrscheinlich nicht aus den Tiefen des Schlammvulkans
stammen, sondern durch Oberflächen- und Regenwasser dort eingeschleppt werden.
Statt Leben auf anderen Welten zu entdecken, konzentrierten sich die
Forscherinnen und Forscher daher zunächst darauf, Leben auf der Erde zu schützen
und den Ursprung der Keime zu finden.
Schlammvulkane sind einzigartige geologische Strukturen, die durch
tektonischen Druck entstehen. Sie werden aus tief unter der Erdoberfläche
vorhandenen Flüssigkeiten gespeist und sind hauptsächlich in Zonen zu finden, in
denen die Erdkruste tektonisch sehr aktiv ist. Eine solche Zone befindet sich
zum Beispiel rund um die Los Bajos-Verwerfung auf der Insel Trinidad, der
größten Insel der Kleinen Antillen in der Karibik. Dort nahm die
Forschungsgruppe feste und flüssige Analyseproben von dreien dieser
Schlammvulkane, um eine chemische und mikrobiologische Charakterisierung
vorzunehmen und herauszufinden, ob die Zusammensetzung des Schlamms nördlich und
südlich der Verwerfungslinie variiert.
"Unsere Studie bestätigte zunächst Annahmen, wonach zumindest einige der
Schlammvulkanflüssigkeiten eine Mischung aus tieferem salzreichem Wasser und
Oberflächen- beziehungsweise Niederschlagswasser sind", erklärt Prof. Dirk
Schulze-Makuch vom TU-Zentrum für Astronomie und Astrophysik, der außerdem
Adjunct Professor an der Arizona State sowie der Washington State
University sowie Präsident der Deutschen Astrobiologischen Gesellschaft e.
V. ist, und sich mit seiner Arbeitsgruppe bereits seit mehreren Jahren mit der
Bewohnbarkeit potenzieller Lebensräume in lebensfeindlichen Umgebungen
beschäftigt, zum Beispiel auf dem Mars.
"In unseren mikrobiologischen Analysen konnten wir verschiedene aerobe und
anaerobe Besiedelungen analysieren, also Bakterien, die mit und ohne umgebenden
Sauerstoff leben können. Einige davon können Sulfat reduzieren, andere Methan
produzieren, betreiben also einen derartigen Stoffwechsel, wieder andere binden
Kohlendioxid oder Nitrate, aus denen sie Energie gewinnen. Mehrere
identifizierte Arten waren halophil, also salzliebend, und stammten
wahrscheinlich aus dem tieferen salzreichen Untergrundwasser."
Doch was die Forscherinnen und Forscher dann überraschte, war der Fund von
verschiedenen hochpathogenen, krankheitserregenden Bakterienarten. "Diese
gefundenen Bakterienarten besiedeln typischerweise den Verdauungstrakt von
Menschen und Säugetieren, und manche sind sogar die Ursache von
Harnwegsinfekten", so Schulze-Makuch. Unter den pathogenen Bakterien wurden auch
solche aus der Familie der Enterobacteriaceaea gefunden, die insbesondere als
pflanzenschädigend bekannt sind.
Außerdem wurden Enterobacter cloacae identifiziert, die in den letzten Jahren
vor allem in Krankenhäusern, unter anderem in Säuglingsstationen gefunden
wurden. Diese wurden besonders als multiresistente Keime bekannt und sind für
mehrere Infektions-Epidemien verantwortlich. Ein weiterer gefundener
Krankheitserreger ist die Klebsiella variicola. Diese Bakterie wird mit
Pflanzenkrankheiten in Zusammenhang gebracht, die auf Bananen- und
Zuckerrohr-Plantagen aufgetreten sind. Außerdem wurde sie in Kühen isoliert, die
unter Euter-Entzündungen oder Blutvergiftungen litten. Das kontaminierte Wasser
könnte Menschen, Tiere und Pflanzen schädigen.
Insgesamt sei es unwahrscheinlich, dass das infizierte Wasser aus den Tiefen
stammt, die die Schlammvulkane speisen, so die Forscher. Es sei
höchstwahrscheinlich von der Oberfläche eingeschwemmt worden. Da in Trinidad das
Wasser in den Schlammvulkanen vor allem aus tief unter der Erdoberfläche
liegenden Seewasser-Reservoiren stammt, gemischt mit Wasser aus oberflächennahen
Aquiferen, wird vermutet, dass das Oberflächenwasser in mindestens einem Fall
aus einem nahen Fluss stammt, der gelegentlich die Region überflutet.
Gegenproben von anderen Regionen, wo Schlammvulkane vorkommen, seien negativ
gewesen.
"Unsere biochemischen und mikrobiellen Ergebnisse lassen nicht zwingend den
Schluss zu, dass es sich um eine anthropogene, also menschengemachte
Kontamination handelt. Dies ist aber zumindest für einige Standorte sehr
wahrscheinlich", so Schulze-Makuch, und die Forschungsgruppe empfiehlt: "Auf
jeden Fall stellt die beobachtete pathogene Belastung der Vulkanschlammproben
ein gewichtiges Gesundheitsrisiko für Mensch und Tier dar, insbesondere, wenn
das kontaminierte Wasser aus den Überflutungen stammt. Dies sollte weiter
untersucht werden."
Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Science of the Total
Environment veröffentlicht.
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