Schwappendes Plasma in Galaxienhaufen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
28. Januar 2020
Mithilfe des ESA-Röntgenteleskops XMM-Newton wurde
jetzt
heißes Gas entdeckt, das im Inneren eines Galaxienhaufens herumschwappt - ein
bisher unbekanntes Verhalten, das durch turbulente Verschmelzungsvorgänge
ausgelöst werden könnte. In einem anderen Galaxienhaufen verhielt sich das heiße
Gas allerdings deutlich anders.
Dieses Bild zeigt den Perseus-Galaxienhaufen -
eines der massereichsten bekannten Objekte im
Universum - im Röntgenlicht, wie es von EPIC an
Bord von XMM-Newton gesehen wird.
Bild:
ESA / XMM-Newton / J. Sanders et al. 2019, A&A [Großansicht] |
Galaxienhaufen sind die größten Systeme im Universum, die durch die
Schwerkraft gebunden sind. Sie enthalten Hunderte bis Tausende von Galaxien
und große Mengen an heißem Gas, ein sogenanntes Plasma mit Temperaturen von
bis zu 50 Millionen Grad, das im Röntgenlicht hell leuchtet. Über die
Bewegungen dieses Plasmas ist noch sehr wenig bekannt, sie könnte der
Schlüssel zum Verständnis der Entstehung, Entwicklung und des Verhaltens von
Galaxienhaufen sein.
"Wir haben zwei nahegelegene, massereiche, helle und gut beobachtete
Galaxienhaufen, Perseus und Coma, ausgewählt und zum ersten Mal kartiert, wie
sich ihr Plasma bewegt - ob es sich auf uns zu oder von uns weg bewegt, wie
schnell es ist und so weiter", erläutert Jeremy Sanders vom
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching. "Wir
beobachteten dazu große Himmelsregionen: für Perseus etwa ein Gebiet mit der
Größe von zwei Vollmonden und für Koma etwa vier Vollmonde."
Innerhalb des Perseus-Galaxienhaufens - eines der massereichsten, bekannten
Objekte im Universum und der hellste Haufen am Himmel im Röntgenlicht –
fanden die Astronomen direkte Hinweise darauf, dass das Plasma strömt,
spritzt und schwappt. Während diese Art von Bewegung theoretisch vorhergesagt
wurde, war sie im Kosmos noch nie zuvor gesehen worden.
Mithilfe von Simulationen der Bewegung des Plasmas innerhalb des Haufens
suchten die Forscher nach der Ursache für das Schwappen. Sie fanden heraus,
dass wahrscheinlich kleinere Galaxienhaufen kollidieren und mit dem
Haupthaufen verschmelzen. Diese Ereignisse sind energiereich genug, um das
Gravitationsfeld von Perseus zu stören und eine schwappende Bewegung in Gang
zu setzen, die viele Millionen Jahre andauern wird, bevor sie sich beruhigt.
Im Gegensatz zu Perseus, der sich durch einen Haupthaufen und mehrere
kleinere Unterstrukturen auszeichnet, enthält der Coma-Haufen kein
schwappendes Plasma. Er scheint stattdessen ein massereicher Haufen zu sein,
der aus zwei großen Komponenten besteht, die langsam miteinander
verschmelzen.
"Coma enthält zwei massereiche Zentralgalaxien und nicht wie üblich ein
einziges Materiemonster; außerdem scheinen verschiedene Regionen Material zu
enthalten, das sich unterschiedlich bewegt", sagt Sanders. "Das deutet darauf
hin, dass es mehrere Materieströme innerhalb des Coma-Haufens gibt, die sich
noch nicht zu einem einzigen kohärenten Haufen zusammengeschlossen haben, wie
wir es bei Perseus sehen."
Die Studie verwendet Röntgenbeobachtungen der European Photon Imaging
Camera (EPIC) von XMM-Newton und Daten des Hitomi-Satelliten
von JAXA zum Vergleich und zur Kalibrierung. Ermöglicht wurden diese
Erkenntnisse durch eine neue Kalibrierungstechnik, die bei den EPIC-Daten
angewendet wurde. Die ausgeklügelte Methode, bei der zwei Jahrzehnte an
archivierten EPIC-Daten einflossen, verbessert die Genauigkeit der
Geschwindigkeitsmessungen der Kamera um einen Faktor über 3,5. Diese Technik
ermöglichte es, das Gas in den Haufen genauer abzubilden.
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.
|