Das Leuchten der Erde
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Forschungszentrums Jülich astronews.com
27. Januar 2020
Die Borexino-Kollaboration hat jetzt neue Ergebnisse zur
Messung von Neutrinos vorgelegt, die aus dem Innern der Erde stammen. Die
Teilchen erlauben einen Einblick in Prozesse und Verhältnisse im Erdinneren, die
bis heute immer noch rätselhaft sind. Die neuen Ergebnisse deuten darauf hin,
dass die Hälfte der inneren Wärme der Erde durch radioaktiven Zerfall erzeugt
wird.
Blick ins Innere des Borexino-Detektors.
Bild: Borexino Collaboration [Großansicht] |
Unser Planet leuchtet, auch wenn es mit dem bloßen Auge nicht zu sehen ist.
Grund dafür sind Geoneutrinos, die in radioaktiven Zerfallsprozessen im Innern
der Erde entstehen. Jede Sekunde durchdringen etwa eine Million davon jeden
Quadratzentimeter der Erdoberfläche. Das Borexino-Instrument im größten
Untergrundlabor der Welt, dem Laboratori Nazionali del Gran Sasso in
Italien, ist einer der wenigen Detektoren weltweit, die in der Lage sind, die
spukhaften Teilchen zu erfassen.
Bereits seit 2007, also seit über zehn Jahren, sammeln Forscher mit Borexino
Daten über Neutrinos. Bis 2019 konnten sie doppelt so viele Ereignisse wie zum
Zeitpunkt der letzten Auswertung im Jahr 2015 registrieren – und die
Unsicherheit der Messungen von 27 auf 18 Prozent herunterschrauben, was auch auf
neue Analysemethoden zurückzuführen ist.
"Geoneutrinos sind die einzigen direkten Spuren der radioaktiven Zerfälle,
die irgendwo im Inneren der Erde stattfinden und die einen noch unbekannten Teil
der Energie erzeugen, die die gesamte Dynamik unseres Planeten antreibt",
erklärt Livia Ludhova, eine der beiden aktuellen wissenschaftlichen
Koordinatoren von Borexino und Leiterin der Neutrino-Gruppe des Instituts für
Kernphysik am Forschungszentrum Jülich. Den Forschern der Borexino-Kollaboration
ist es gelungen, das Signal von Geoneutrinos aus dem Erdmantel, der sich unter
der Erdkruste befindet, über den bekannten Beitrag des oberen Erdmantels und der
Erdkruste - der so genannten Lithosphäre - zu bestimmen.
Die Verhältnisse im Inneren der Erde sind in vielerlei Hinsicht einzigartig
im gesamten Sonnensystem. Man denke etwa an das intensive Magnetfeld, die
unablässige vulkanische Aktivität, die Bewegung der tektonischen Platten und die
sogenannte Mantelkonvektion. Die Frage, aus welchen Quellen sich die innere
Wärme der Erde speist, beschäftigt Wissenschaftler bereits seit über 200 Jahren.
"Die Hypothese, dass in der Tiefe keine Radioaktivität mehr vorhanden ist,
kann jetzt mit 99-prozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden. Das ermöglicht
es nun zum ersten Mal, einen Mindestgrenzwert für die Uran und Thorium
Häufigkeiten im Erdmantel festzulegen", stellt Ludhova fest.
Die Werte sind für unterschiedliche Erdmodell-Rechnungen interessant. So
lässt sich mit hoher, konkret: 85-prozentiger Wahrscheinlichkeit daraus
ableiten, dass radioaktive Zerfallsprozesse im Inneren der Erde mehr als die
Hälfte der inneren Wärme der Erde erzeugen. Die andere Hälfte stammt zum
Großteil noch aus der ursprünglichen Formation unseres Planeten. Radioaktive
Prozesse in der Erde stellen demnach einen nicht zu vernachlässigenden Teil der
Energie bereit, die Vulkane, Erdbeben und das Erdmagnetfeld antreibt.
Die Studie stellt über die neuen Resultate hinaus eine umfassende
physikalische und geologische Analyse vor, die für die nächste Generation von
Flüssig-Szintillator-Detektoren zur Messung von Geoneutrinos hilfreich sein
wird. Die nächste Herausforderung für die Forschung mit Geoneutrinos besteht nun
darin, Geoneutrinos aus dem Erdmantel mit größerer Präzision zu messen:
vielleicht mit Detektoren, die an verschiedenen Positionen auf unserem Planeten
verteilt sind. Ein solcher Detektor wird der JUNO-Detektor in China sein, an dem
die Jülicher Neutrino-Gruppe ebenfalls beteiligt ist. Der Detektor wird um einen
Faktor 70 größer sein als Borexino, was dazu beiträgt, dass schon in einer
kurzen Zeitspanne eine höhere statistische Signifikanz erreicht werden kann.
Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Physical Review D veröffentlicht.
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