Neues über den Dynamo der Sonne
Redaktion
/ Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam astronews.com
29. Oktober 2019
Das Magnetfeld der Sonne entsteht durch einen gewaltigen
natürlichen Dynamo im Inneren unseres Zentralsterns und steuert die Aktivität
der Sonne. Bislang hat die Wissenschaft die genaue Funktionsweise dieses
Sonnendynamos noch nicht verstanden. Jetzt wurde eine magnetische Instabilität
entdeckt, die eine wesentliche Rolle bei der Entstehung des Sonnenmagnetfelds
spielen könnte.
In der Nähe des Sonnenäquators befinden sich
die meisten Sonnenflecken und somit die größte
magnetische Aktivität. Forscher haben für diese
Region nun eine magnetische Instabilität
nachgewiesen, die bislang als unmöglich galt.
Bild: NASA / SDO [Großansicht] |
Im rotierenden Plasma der Sonne wirkt ein bis heute unbeachteter Mechanismus:
eine magnetische Instabilität, von der zuvor gedacht wurde, dass sie unter
diesen Bedingungen physikalisch unmöglich wäre. Dieser Effekt könnte sogar eine
wesentliche Rolle bei der Entstehung des Sonnenmagnetfelds spielen, wie Forscher
des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR), der Universität Leeds und des
Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) berichten.
Wie bei einem gigantischen Dynamo entsteht das starke Magnetfeld der Sonne
durch elektrische Ströme. Um diesen sich selbst verstärkenden Mechanismus des
Sonnendynamos besser zu verstehen, müssen Forscherinnen und Forscher die
Vorgänge und Strömungen im Sonnenplasma entschlüsseln. Unterschiedliche
Drehgeschwindigkeiten verschiedener Regionen und komplexe Strömungen im Inneren
der Sonne wirken zusammen, um das Magnetfeld zu erzeugen. Dabei können
außergewöhnliche magnetische Effekte auftreten – wie die jetzt entdeckte
magnetische Instabilität.
"Super-HMRI" nennen die Forscher den neu erkannten Spezialfall der
Magnetorotationsinstabilität (helical magnetorotational instability, HMRI). Es
ist ein magnetischer Mechanismus, der rotierende, elektrisch leitende
Flüssigkeiten und Gase in einem Magnetfeld instabil werden lässt. Das Besondere
in diesem Fall: die Super-HMRI benötigt exakt die Bedingungen, wie sie im Plasma
nahe des Sonnenäquators vorherrschen – dort, wo Astrophysikerinnen und
Astrophysiker die meisten Sonnenflecken und somit die größte magnetische
Aktivität der Sonne beobachten.
Allerdings war diese Instabilität in der Sonne bisher übersehen worden und
wird in Modellen des Sonnendynamos noch nicht berücksichtigt. Dabei ist bekannt,
dass magnetische Instabilitäten entscheidend an vielen Vorgängen im Universum
beteiligt sind. Beispielsweise entstehen Sterne und Planeten aus großen, sich
drehenden Scheiben aus Staub und Gas. Ohne Magnetfelder ließe sich dieser
Vorgang nicht erklären.
Magnetische Instabilitäten machen die Strömung in den Scheiben turbulent und
ermöglichen so, dass sich die Masse zu einem zentralen Objekt zusammenballt. Wie
ein Gummiband verbindet das Magnetfeld benachbarte Schichten, die mit
unterschiedlicher Geschwindigkeit rotieren. Es beschleunigt die langsamen
äußeren und bremst die schnellen inneren Materieteilchen. Die Wirkung der
Fliehkraft reicht dort nicht mehr aus und die Materie stürzt ins Zentrum.
In der Nähe des Sonnenäquators verhält es sich genau umgekehrt. Hier bewegen
sich die inneren Schichten langsamer als die äußeren. Ein solches
Strömungsprofil galt in Fachkreisen bislang als physikalisch extrem stabil. Die
Forscher vom HZDR, von der Universität Leeds und vom AIP haben diesen Fall
dennoch näher untersucht. Für ein kreisförmiges Magnetfeld hatten sie bereits
errechnet, dass auch für außen schneller rotierende Flüssigkeiten und Gase eine
magnetische Instabilität auftreten kann. Allerdings nur unter unrealistischen
Bedingungen: Die Rotationsgeschwindigkeit müsste nach außen hin zu stark
anwachsen.
Im zweiten Anlauf gingen sie nun von einem schraubenförmig geformten
Magnetfeld aus. "Wir erwarteten nichts Besonderes mehr, aber dann gab es eine
handfeste Überraschung", erinnert sich HZDR-Wissenschaftler Dr. Frank Stefani.
Denn hier kann die magnetische Instabilität bereits einsetzen, wenn die
Geschwindigkeit zwischen den rotierenden Plasmaschichten nur schwach zunimmt –
was in der äquatornahen Region der Sonne der Fall ist. "Die neue Instabilität
könnte eine wichtige Rolle bei der Erzeugung des Sonnenmagnetfeldes spielen",
schätzt Stefani ein. "Um dies zu bestätigen, müssen wir allerdings zunächst noch
weitere, numerisch aufwändige Rechnungen durchführen."
Prof. Günther Rüdiger vom AIP ergänzt: "Astrophysik und Klimaforschung hoffen
noch immer auf ein besseres Verständnis des Sonnenfleckenzyklus. Vielleicht
bringt uns die jetzt gefundene 'Super-HMRI' den entscheidenden Schritt weiter."
Mit komplementären Spezialisierungen in der Astrophysik und der
Magnetohydrodynamik beschäftigt sich das interdisziplinäre Team bereits seit
über 15 Jahren mit magnetischen Instabilitäten – im Labor, auf dem Papier und
mithilfe aufwändiger Simulationen. Die Wissenschaftler wollen physikalische
Modelle verbessern, kosmische Magnetfelder verstehen und innovative
Flüssigmetallbatterien entwickeln.
Durch die enge Kooperation gelang es ihnen 2006, die Theorie der
Magnetorotationsinstabilität erstmals experimentell zu bestätigen. Auch für die
jetzt theoretisch vorhergesagte Spezialform planen die Forscher den Praxistest:
In einem Großexperiment, das derzeit im DRESDYN-Projekt am HZDR aufgebaut wird,
wollen sie magnetische Instabilitäten im Labor untersuchen.
Die Ergebnisse wurden jetzt in der Zeitschrift Physical Review Fluids
veröffentlicht.
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