Elemententstehung in Sternkollision
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
24. Oktober 2019
Zum ersten Mal haben Astronominnen und Astronomen ein
chemisches Element identifiziert, das durch das Verschmelzen zweier
Neutronensterne gebildet wurde. Das Team beobachtete dazu das Nachglühen der
explosionsartigen Verschmelzung von zwei Neutronensternen, von der man im Sommer
2017 auch ein Gravitationswellensignal empfangen hatte.

Bei der Kollision und Verschmelzung von zwei
Neutronensternen ist offenbar Strontium
entstanden. Von dem Ereignis waren zuvor auch
Gravitationswellen beobachtet worden. Bild:
ESO/L. Calçada/M. Kornmesser [Großansicht] |
Die Herkunft von schweren Elementen wie Gold, Blei und Uran ist bis heute
nicht völlig geklärt. Die leichtesten Elemente – Wasserstoff und Helium – wurden
in nennenswerten Mengen bereits mit dem Urknall erzeugt. Die Kernfusion in den
Zentren der Sterne ist zudem als Quelle für Atome vom Helium bis hin zum Eisen
gut etabliert.
Für die Erzeugung von schwereren Atomen vermuten Wissenschaftler einen
Prozess, der freie Neutronen an bereits bestehende Bausteine anlagert. Die
schnelle Variante dieses Mechanismus ist der r-Prozess ("r" steht für rapid,
also schnell) oder schneller Neutroneneinfang. Welche Objekte solche Reaktionen
ermöglichen, wird derzeit erforscht. Als potentielle Kandidaten gelten bislang
seltene Formen von Supernova-Explosionen und die Verschmelzung von dichten
Endstadien von Sternen wie Neutronen-Doppelsterne.
Eine internationale Gruppe von Astronominnen und Astronomen mit wesentlicher
Beteiligung von Camilla Juul Hansen vom Max-Planck-Institut für Astronomie
(MPIA) hat nun durch die Auswertung von Spektren die Signatur des Elements
Strontium entdeckt, das während einer explosionsartigen Verschmelzung von zwei
Neutronensternen durch den r-Prozess gebildet wurde. Die explosive Vereinigung
erzeugte eine Blase, die sich mit rasenden 20% bis 30% der Lichtgeschwindigkeit
ausdehnt. Der Anteil des neu gebildeten Strontiums an der expandierenden Hülle
beträgt etwa fünf Erdmassen.
Somit liefern die Forscher zum ersten Mal den eindeutigen Nachweis, dass
solch eine Kollision die Bedingungen für den r-Prozess bietet, in denen schwere
Elemente erzeugt werden können. Nebenbei ist dies die erste empirische
Bestätigung, dass Neutronensterne aus Neutronen bestehen.
Der r-Prozess ist wahrhaftig rasant: Pro Sekunde strömen mehr als 1022 Neutronen durch eine Fläche von einem Quadratzentimeter. Durch den Beta-Zerfall
verwandeln sich einige der angehäuften Neutronen in Protonen, wobei jeweils ein
Elektron und ein Antineutrino abgegeben werden. Das Besondere an dieser Reaktion
ist, dass sich die Neutronen schneller zu großen Objekten zusammenfügen, als
dass die neu entstandenen Konglomerate wieder zerfallen. So können selbst aus
einzelnen Neutronen innerhalb weniger als einer Sekunde schwere Elemente
entstehen.
Die Daten wurden im Nachgang der spektakulären Entdeckung des
Gravitationswellensignals GW170817 vom August 2017 mit dem Very Large
Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) gewonnen. Neben einem
Gammastrahlungsausbruch wurde an selber Stelle die Kilonova AT2017gfo
beobachtet, ein Nachleuchten im sichtbaren Licht aufgrund der radioaktiven
Prozesse, das nach einem zunächst starken Helligkeitsanstieg innerhalb weniger
Tage verblasste. Die erste Analyse der Spektren im Jahr 2017 durch eine andere
Forschungsgruppe konnte zunächst kein klares Ergebnis über die Zusammensetzung
der Reaktionsprodukte liefern.
Die aktuelle Auswertung von Hansen und ihren Kollegen basiert auf der
Erstellung von synthetischen Spektren und der Modellierung der beobachteten
Spektren, die über vier Tage hinweg in einem Abstand von je einem Tag
aufgenommen wurden. Die Spektren deuten auf ein Objekt mit einer anfänglichen
Temperatur von ca. 4300 °C hin, welches sich in den folgenden Tagen abschwächte
und abkühlte. Auffällig sind die Helligkeitsdefizite bei ganz bestimmten
Wellenlängen - des sind die Fingerabdrücke des Elements, das an diesen Stellen
Licht absorbiert.
Unter Berücksichtigung der Blauverschiebung dieser sogenannten
Absorptionsbanden, die durch die Expansion der Hülle wegen des Doppler-Effekts
hervorgerufen wird, hat die Forschungsgruppe synthetische Spektren von einer
großen Anzahl von Atomen mittels dreier Methoden mit zunehmender Komplexität
berechnet. Da all diese Methoden konsistente Ergebnisse liefern, gilt die
Schlussfolgerung als robust. Es stellte sich heraus, dass einzig Strontium,
erzeugt durch den r-Prozess, in der Lage ist, die Positionen und die Stärke der
Absorptionen in den Spektren zu erklären.
"Die Ergebnisse dieser Arbeit sind ein wichtiger Schritt bei der
Entschlüsselung der Nukleosynthese von schweren Elementen und ihren kosmischen
Brutstätten", so Hansen. "Dies war nur durch die Verknüpfung der erst jungen
Disziplin der Gravitationswellenastronomie mit präziser Spektroskopie
elektromagnetischer Strahlung möglich. Diese neuen Messmethoden geben Hoffnung
auf weitere bahnbrechende Erkenntnisse über die Eigenschaften des r-Prozesses."
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature erschienen ist.
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