Magnetfelder als kosmische Förderbänder
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
26. September 2019
Die Rolle von Magnetfeldern bei der Entstehung von Sternen wird seit
Jahrzehnten diskutiert.
Jetzt konnte ein Astronom zeigen, dass Magnetfelder die Verdichtung von interstellarer Materie
begünstigen und vorantreiben können - eine Vorbedingung für die Entstehung von
Sternen. Der Forscher werteten dazu Daten der Teleskope Herschel und
Planck aus.
Infrarotlicht und Magnetfeldlinien in
Richtung der Orion A-Wolke, die von den
Weltraumobservatorien Herschel und Planck
enthüllt werden. Mit genügend Gas, um
Zehntausende von Sternen wie die Sonne zu bilden,
ist dies der am nächsten gelegene Ort, wo
massereiche Sterne entstehen. Die Farben
kennzeichnen das Licht, das von interstellaren
Staubkörnern abgegeben wird. Die grauen Bänder
veranschaulichen die Ausrichtung des
Magnetfeldes.
Bild: Soler/MPIA [Gesamtansicht] |
Sterne entstehen aus verdichteten Wolken des sogenannten interstellaren
Mediums (ISM). Das ISM setzt sich aus Gas (meist Wasserstoff) und kleinsten
Teilchen aus Kohlenstoff und Silikaten zusammen, die in der Astronomie schlicht
als "Staub" bezeichnet werden. Erreicht das ISM eine genügend hohe Dichte, führt
die Eigengravitation zu einem Kollaps der anfänglich kalten Materie bis hin zu
heißen Sternen. Wie sich solche Wolken jedoch bilden und verdichten, ist noch
nicht völlig geklärt.
Magnetfelder sind ein bedeutender Bestandteil des ISM in der Milchstraße und
in anderen Galaxien. Sie tragen wesentlich zum Gesamtdruck bei, der das ISM
gegen die Schwerkraft stabilisiert. Dennoch ist ihre genaue Rolle im Prozess der
Sternentstehung Gegenstand lebhafter Diskussionen. Um diesem Rätsel auf die Spur
zu kommen, untersuchte Juan Diego Soler vom Max-Planck-Institut für Astronomie
(MPIA) in Heidelberg die Ausrichtung von Magnetfeldern in Abhängigkeit von der
Dichteverteilung in den nahegelegensten Regionen der Sternentstehung in
Entfernungen von bis zu 1450 Lichtjahren von der Sonne.
"Die Idee dabei ist, dass bei einem starken Einfluss auf das ISM, das
Magnetfeld seine Dichtestrukturen formen sollte", erläutert Soler. Tatsächlich
fand er in allen Fällen eine parallele Ausrichtung der Magnetfelder zur
diffusen, also weniger dichten Komponente des ISM. Allerdings zeigte sich bei
höheren Dichten des ISM eine allmähliche Verschiebung der Ausrichtung hin zu
größeren Winkeln. In den dichtesten Zonen verlief das Magnetfeld sogar senkrecht
zu den Strukturen des ISM.
Diese Ergebnisse bestätigen folgendes Szenario: Das teilweise ionisierte,
diffuse ISM ist über den Elektromagnetismus an das Magnetfeld gekoppelt und kann
sich nur entlang der Feldlinien bewegen. Die elektrisch neutralen Anteile wie
der Staub werden über Stöße mitgeführt. Deswegen erscheinen die weniger dichten
Zonen entlang des Magnetfelds ausgerichtet. Die Turbulenz in den Wolken hilft
dabei, dass sie sich entlang den Feldlinien zu Filamenten ausdehnen.
Durch äußere Einflüsse – wie sich ausdehnende Blasen infolge von
Supernova-Explosionen oder die Bewegung innerhalb eines Spiralarms der
Milchstraße – angestoßen, bewegen sich verschiedene Wolken wie auf Förderbändern
aufeinander zu. Wenn sie aufeinandertreffen, bilden Sie eine sich ständig
verdichtende Ansammlung von ISM, die nun eine Vorzugsrichtung eher senkrecht zu
den Magnetfeldlinien aufweist. Das "Förderband" führt zusätzliches ISM heran und
erhöht die Dichte, bis sie so hoch wird, dass die Wolke (oder Teile davon) unter
ihrer Eigengravitation kollabiert. In dieser Phase ist das Magnetfeld nicht
stark genug, um den Kollaps zu verhindern. Das Feld behält während des Kollapses
seine Orientierung gegenüber dem Dichteverlauf bei und wird entsprechend
verzerrt.
Soler untersucht den Zusammenhang zwischen Magnetfeldern und der Struktur von
Sternentstehungsgebieten bereits seit einigen Jahren. Diesmal nutzte er für
seine Analyse Daten der Planck-Himmelsdurchmusterung und des "Herschel
Gould Belt Survey" (HGBS). Die Weltraumteleskope Planck und
Herschel nahmen beide Mitte 2009 ihre Arbeit auf. Sie maßen die Strahlung
des kalten ISM bei verschiedenen Wellenlängen. Die Herschel-Daten sind
besonders dafür geeignet, aus der Strahlung der Materie ihre Dichteverteilung
mit hoher räumlicher Auflösung zu bestimmen. Aus den Planck-Daten
ermittelte Juan Soler die Polarisation der Strahlung, die Rückschlüsse auf das
Magnetfeld gibt.
Die länglichen Staubteilchen des ISM richten sich nach dem Magnetfeld aus und
fungieren daher ähnlich wie Antennen. Die Schwingung der von ihnen ausgesandten
Strahlung hat somit eine Vorzugsrichtung, d.h. sie ist polarisiert. Dass das ISM
teils polarisierte Strahlung aussendet, wissen Astronominnen und Astronomen
schon seit einigen Jahrzehnten. Allerdings war es bislang nicht möglich, die
großräumige Ausrichtung zu den Strukturen im ISM zu quantifizieren.
Hierzu adaptierte Soler eine Technik, die in abgewandelter Form bei der
Bilderkennung – etwa bei Internet-Bildersuchen oder dem Erstellen von
Panoramaaufnahmen – verwendet wird. Diese basiert auf der mathematischen
Berechnung von Gradienten, also der Stärke und der Richtung von Veränderungen z.
B. der Helligkeiten in den Bildern. Die in den Planck- und Herschel-Daten
verwendeten Gradienten betreffen das Magnetfeld und die Dichteverteilung des
ISM. So konnte Soler mit statistischen Methoden ableiten, unter welchen
Bedingungen beide Komponenten eher parallel oder senkrecht zueinander orientiert
sind.
"Die Polarisationsbeobachtungen des Planck-Satelliten haben
beispiellose Details über die interstellaren Magnetfelder ergeben. Sie sind der
Grundstein für unser zukünftiges Verständnis des magnetisierten ISM, das mit den
kommenden Satelliten- und Ballonmissionen weiter verbessert werden wird",
bilanziert Soler.
Die Daten wurden mit dem Planck-Satelliten sowie dem Herschel-Weltraumteleskop
aufgenommen. Beide Missionen wurden maßgeblich durch die europäische
Weltraumagentur (ESA) entwickelt und betrieben, wobei die NASA ebenfalls
wichtige Beiträge geliefert hat. Planck wurde hauptsächlich für die
Erforschung der kosmischen Hintergrundstrahlung gebaut und deckte einen
Wellenlängenbereich zwischen 300 µm und 11,1 mm ab. Herschel war ein
vielseitiges Observatorium, dass das elektromagnetische Spektrum zwischen 55 µm
und 672 µm abdeckte. Die Daten der Planck- und Herschel-Missionen
sind über öffentlich zugängliche Datenarchive für alle Astronominnen und
Astronomen frei erhältlich.
Über die Ergebnisse berichtet Soler in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.
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