Blick auf eine kosmische Möwe
von
Stefan Deiters astronews.com
15. August 2019
Die europäische Südsternwarte ESO hat kürzlich eine neue
Ansicht einer ganzen Reihe von Objekten veröffentlicht, die zusammen als
Möwennebel bekannt sind. Das Bild entstand mithilfe des VLT Survey Telescope und
zeigt eindrucksvoll die Strukturen der Objekte. Das Teleskop ist Teil des
Paranal-Observatoriums der ESO in Chile.
Der Blick des VST auf den Möwennebel in 3700 Lichtjahren
Entfernung. Bild:
ESO/VPHAS+ team/N.J. Wright (Keele University) [Großansicht] |
Die Hauptkomponenten des Möwennebels werden von drei großen Gaswolken
gebildet. Die Gaswolke
Sharpless 2-296 bildet dabei die Flügel der kosmischen Möwe, die sich über rund 100 Lichtjahre von einer Flügelspitze zur
anderen erstrecken. In Sharpless
2-296 findet sich außerdem leuchtendes Material und dunkle Staubschwaden
zwischen hellen Sternen. Es handelt sich um einen Emissionsnebel, eine
sogenannte HII-Region, in der gerade neue Sterne entstehen. Die intensive
Strahlung der jungen Sterne regt das Gas in der Wolke zum Leuchten an. Es
leuchtet also selbst und reflektiert nicht nur das Licht von Sternen.
Die Strahlung der Sterne sorgt nicht nur für die Farben, sondern auch für die
eigentümlichen Formen der Gaswolken in dieser Region. So unterscheidet sich
beispielsweise Sharpless 2-292 deutlich von 2-296. Dieser Nebel ist unterhalb
der Flügel zu sehen und deutlich kompakter. Er bildet den Kopf der Möwe. Hier
findet sich auch der
auffällig helle Stern HD 53367, das Auge der Möwe.
Es handelt sich dabei um einen Stern, der etwa die 20-fache Masse unserer Sonne
aufweist.
Sharpless 2-292 ist sowohl Emissions- als auch Reflexionsnebel: Ein großer
Teil des Lichts stammt von ionisertem Gas im Nebel, ein gewisser Teil ist aber
auch Licht von Sternen außerhalb des Nebels, das vom Gas nur reflektiert wird. Auch Sharpless 2-292 ist von
dunklen Staubschwaden durchzogen. Hier ist das Material so dicht, dass kein
Licht hindurchdringen kann und der Blick auf dahinterliegende Bereiche versperrt
ist - zumindest im sichtbaren Bereich des Lichts. Zum Möwennebel zählen noch weitere
Objekte aus dem Sharpless-Katalog, einer Liste von über 300 leuchtenden
Gaswolken, die vom amerikanischen Astronomen Stewart Sharpless zusammengestellt
wurden.
Nebel wie der Möwennebel haben Dichten von einigen Hundert Atomen pro
Kubikzentimeter - eine solche Dichte ist immer noch sehr viel geringer als das
beste Vakuum, was sich auf der Erde erzeugen lässt. Andererseits ist die Dichte
deutlich höher als im "leeren" Weltraum, wo sich lediglich ein Atom pro Kubikzentimeter
findet. Der Möwennebel liegt rund 3700 Lichtjahre von der Erde entfernt an der
Grenze der Sternbilder Großer Hund und Einhorn.
Das Bild entstand mit der OmegaCAM des VLT Survey Telescope (VST). Das VST
ist ein 2,6-Meter-Teleskop mit aktiver Optik, die während der Beobachtungen für
eine perfekte Positionierung des Spiegels sorgt. Auch die Luftunruhe der
Atmosphäre kann mit der modernen Optik praktisch herausgefiltert werden. Im
Herzen des Teleskops befindet sich die 770 Kilogramm schwere OmegaCAM,
die aus 32 CCD-Detektoren besteht, mit denen sich zusammen Bilder mit einer
Auflösung von 256 Megapixel erstellen lassen.
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