Stellarer Paartanz mit dramatischem Ende
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Bonn astronews.com
27. Mai 2019
Astronomen sind auf ein ungewöhnliches Himmelsobjekt
gestoßen, bei dem es sich vermutlich um das Produkt der Fusion zweier Weißer
Zwerge handeln dürfte, die sich nach einem Jahrmilliarden dauernden Paartanz zu
nahe gekommen und schließlich verschmolzen sind. In Kürze könnte nun ihre
Entwicklung endgültig enden – in einer gewaltigen Supernova-Explosion.
Aufnahme von J005311 im Infrarotbereich.
Bild: Vasilii Gvaramadze / Universität Moskau[Großansicht] |
Entdeckt wurde das extrem seltene Fusionsprodukt von Wissenschaftlern
der Universität Moskau. Sie hatten auf Aufnahmen des Wide-field Infrared
Survey Explorer (WISE) einen Gasnebel ausgemacht, in dessen Zentrum sich
ein heller Stern befindet. "Erstaunlicherweise emittierte das Gebilde jedoch
fast ausschließlich Infrarot-Strahlung und kein sichtbares Licht, wie die
Aufnahmen unseres Moskauer Kollegen Vasilii Gvaramadze zeigen", erklärt Dr. Götz
Gräfener vom Argelander-Institut für Astronomie (AIfA) der Universität Bonn.
"Das sprach bereits für eine ungewöhnliche Entstehungsgeschichte."
In Bonn wurde das Spektrum der von Nebel und Stern ausgesandten Strahlung
detailliert analysiert. Auf diese Weise konnten die AIfA-Forscher zeigen, dass
das rätselhafte Himmelsobjekt weder Wasserstoff noch Helium enthielt - eine
Eigenschaft, die für Weiße Zwerge typisch ist. Sonnenähnliche Sterne erzeugen
ihre Energie durch die Fusion von Wasserstoff-Kernen. Wenn der Wasserstoff
verbraucht ist, nutzen sie Helium als Brennstoff. Noch schwerere Elemente können
sie jedoch nicht fusionieren – ihre Masse reicht nicht aus, um die dazu nötigen
hohen Drücke und Temperaturen zu erzeugen. Sobald das Helium aufgebraucht ist,
verlöschen sie und kühlen ab. Sie sind dann Weiße Zwerge.
Normalerweise ist ihre Geschichte damit zu Ende. Nicht jedoch bei J005311 –
so die Bezeichnung des ungewöhnlichen Objektes in rund 10.000 Lichtjahren
Entfernung im Sternbild Kassiopeia: "Wir vermuten, dass sich dort vor vielen
Milliarden Jahren in enger Nachbarschaft zwei Weiße Zwerge gebildet haben",
erklärt Prof. Dr. Norbert Langer vom AIfA. "Diese umkreisten einander und
erzeugten dabei exotische Verzerrungen der Raumzeit, so genannte
Gravitationswellen." Bei diesem Vorgang büßten sie nach und nach Energie ein. Im
Gegenzug wurde der Radius ihres Paartanzes immer kleiner, bis sie schließlich
verschmolzen.
Nun reichte ihre Gesamtmasse aber aus, um auch schwerere Elemente als
Wasserstoff oder Helium zu fusionieren. Das Sternenfeuer wurde also wieder
entfacht. "Ein solches Ereignis ist extrem selten", betont Gräfener. "In der
ganzen Milchstraße gibt es vermutlich nicht einmal ein halbes Dutzend solcher
Objekte, und wir haben eines davon entdeckt." Ein extremer Glückstreffer also.
Dennoch sind die Forscher davon überzeugt, dass sie mit ihrer Interpretation
richtig liegen. Zum einen leuchtet der Stern im Zentrum des Nebels 40.000 Mal so
hell wie die Sonne, weit heller, als es ein einzelner Weißer Zwerg könnte. Zudem
deuten die Spektren darauf hin, dass J005311 einen extrem starken Sternwind hat
– das ist der Materiestrom, der von seiner Oberfläche ausgeht. Sein Motor ist
die Strahlung, die beim "Brennvorgang" entsteht. Der Wind in J005311 ist aber
mit einer Geschwindigkeit von 16.000 Kilometern pro Sekunde so schnell, dass
dieser Faktor allein nicht ausreicht, ihn zu erklären.
Verschmolzene Weiße Zwerge weisen jedoch ein sehr starkes rotierendes
Magnetfeld auf. "Unsere Simulationen zeigen, dass dieses Feld wie eine Turbine
wirkt, die den Sternwind zusätzlich beschleunigt", sagt Gräfener. Das
Wiederaufflackern von J005311 wird übrigens wohl nicht von langer Dauer sein.
Bald wird der Stern alle Elemente zu Eisen verbrannt haben und dann erlöschen.
Da seine Masse durch die Verschmelzung der zwei Weißen Zwerge auf mehr als
das Doppelte der Sonne angestiegen ist, wird ihn dann ein besonderes Schicksal
ereilen: Unter dem Einfluss seiner eigenen Gravitation wird der Stern in sich
zusammenfallen. Dabei fusionieren die Elektronen und Protonen seiner Materie zu
Neutronen. Der resultierende Neutronenstern hat nur noch einen Bruchteil seiner
vorherigen Ausdehnung – er misst dann ein paar Kilometer im Durchmesser, wiegt
aber weit mehr als das gesamte Sonnensystem. Der Kollaps wird vermutlich von
einem gewaltigen Knall begleitet - einer sogenannten Supernova-Explosion.
Über
ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature erschienen ist.
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