Neues von den Ravioli-Monden
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
29. März 2019
Die Saturnsonde Cassini hat in der letzten Phase
ihrer Mission detaillierte Aufnahmen einiger eigentümlicher Monde des
Ringplaneten gemacht: Die teils Ravioli-förmigen Monde kreisen innerhalb des
Ringsystems um den Gasplaneten und weisen einige Besonderheiten auf. Entlang des
F-Rings des Saturns stießen die Forscher zudem auf eine Überraschung.
Die von Cassini untersuchten Ringmonde des
Saturn.
Bild: NASA-JPL/Caltech [Großansicht] |
Die meisten der 62 Saturnmonde kreisen in großem Abstand außerhalb des
Hauptringsystems um ihren Riesenplaneten. Nur etwas mehr als eine Handvoll
kleiner, unregelmäßig geformter Körper, sogenannte Ringmonde, bilden eine
Ausnahme. In den letzten Monaten der NASA-Mission Cassini gelang der
gleichnamigen Raumsonde der bisher genaueste Blick auf fünf dieser bizarren, zum
Teil Ravioli-förmigen Körper und ihre Umgebung.
Form, Dichte, Oberflächenbeschaffenheit und Oberflächenzusammensetzung sowie
die Verteilung geladener Teilchen in der Umgebung erlauben Rückschlüsse auf die
Entstehungsgeschichte der Ringmonde. Messungen der geladenen Teilchen in der
Umgebung der Monde ergab eine Überraschung: eine stark begrenzte Ansammlung
hochenergetischer Elektronen, die im Bereich des F-Rings einen bisher
unbekannten Mikrostrahlungsgürtel bilden.
Besonders drei der innersten Saturnmonde sind bizarre Welten: Mit ihren
wulstartigen Verdickungen entlang des Äquators erinnern Pan, Daphnis und Atlas
in gewisser Weise an kosmische Ravioli. Während sich Pan und Daphnis innerhalb
des von der Erde gut sichtbaren A-Rings jeweils eine Umlaufbahn freigeräumt
haben, findet sich Atlas am äußersten Rand desselben Rings. Pandora und
Epimetheus, beide eher kartoffel- denn Ravioli-förmig, kreisen nur wenig
außerhalb des weiter außen angrenzenden, deutlich dünneren und staubreicheren
F-Rings um den Saturn.
Die letzte Phase der NASA-Saturnmission Cassini bot die Gelegenheit,
diese ungewöhnlichen Körper, deren Durchmesser zwischen 8 und 120 Kilometern
betragen, aus bisher unerreichter Nähe zu studieren. In sechs Vorbeiflügen in
der Zeit von Dezember 2016 bis April 2017 konnten fünf Kameras und Spektrometer
einzigartige Messdaten sammeln. Etwas später beteiligte sich auch der
Teilchendetektor LEMMS (Low Energy Magnetospheric Measurement System), ein Teil
des Instrumentenpakets MIMI (Magnetospheric Imaging Instrument), den ein Team
unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung entwickelt und
gebaut hatten, an der Messkampagne: Diese lief, als Cassini zwischen
April und September 2017 die wagemutigsten Manöver flog und in den Bereich
zwischen dem Planeten und seinem innersten Ring eintauchte.
In dieser Zeit überwachte LEMMS die Plasmaumgebung der Ringmonde erstmals
systematisch und im Detail. Die gesamte Messkampagne zeichnet das bisher
genauste Bild der fünf Monde und ihrer Umgebung. Mit räumlichen Auflösungen
zwischen 36 und 170 Metern pro Pixel lassen sich Volumen und somit Dichte der
Körper deutlich genauer bestimmen als zuvor. Auch detailliertere Aussagen zu den
Verdickungen am Äquator sind so möglich. Während bei Pan dieser Wulst etwa zehn
Prozent des Gesamtvolumens ausmacht, sind es bei Daphnis lediglich ein Prozent,
bei Atlas hingegen 25 Prozent. In allen drei Fällen ist der Wulst deutlich
glatter und von weniger Kratern durchzogen als der Rest der Oberfläche, was auf
ein jüngeres Alter schließen lässt. Dies gilt auch für die eher flache
Äquatorregion des Mondes Pandora.
Insgesamt erscheint die Oberfläche der fünf Trabanten sehr porös; ihre
mittleren Dichten sind mit maximal 640 Kilogramm pro Kubikmetern vergleichbar
mit der von Kork. All dies deutet auf einen mehrstufigen Entstehungsprozess, in
dem sich nach und nach lockeres Material aus den Saturnringen am Äquator der
Ringmonde ablagerte. Darunter könnte sich ein dichterer Kern verbergen –
möglicherweise ein Bruchstück eines größeren Körpers, der einst den Saturn
umkreiste und durch Zusammenstöße zerbrach.
Ebenfalls für die Ablagerung von Ringmaterial spricht die
Oberflächenzusammensetzung der Monde, die sich erstmals mit dem Spektrometer
VIMS (Visible and Infrared Mapping Spectrometer) untersuchen ließ. Je näher die
Monde am Saturn liegen, desto rötlicher erscheinen sie. Dieser Färbung überwiegt
auch im Ringmaterial selbst. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten
dort organische und eisenreiche Verbindungen. Die weiter außen liegenden
Ringmonde, besonders Epimetheus, erscheinen hingegen bläulicher. Ursächlich
dafür sind winzige Eiskörnchen, die der weiter außen kreisende Saturnmond
Enceladus ins All spuckt. "Beide Prozesse wirken zusammen und bestimmen so das
Erscheinungsbild der Ringmonde in Abhängigkeit von ihrem Abstand zum Saturn",
sagt Max-Planck-Forscher Elias Roussos.
Auch hochenergetische Teilchen können einen Einfluss auf die
Oberflächeneigenschaften der Monde haben. Doch die LEMMS-Daten belegen, dass
dieser Effekt vernachlässigbar ist. "Unsere Daten zeigen, dass die Umgebung
aller fünf Monde weitgehend frei von hochenergetischen Protonen ist", so Roussos.
Die Monde Pandora und Prometheus absorbieren diese Protonen zusammen mit dem
F-Ring so effektiv, dass sich in ihrer Umgebung keine nennenswerte Menge
aufbauen kann. Ähnlich verhält es sich mit den Monden, die innerhalb des A-Rings
um den Saturn kreisen.
In ihren Messdaten stießen die Forscherinnen und Forscher zudem auf eine
Überraschung: eine Ansammlung energetischer Elektronen entlang des F-Rings. Die
Ansammlung betrifft nicht den gesamten Ring, sondern findet sich nur wenige
Stunden nach der lokalen Mittagszeit ausgedehnt über einen Winkel von 15 Grad.
Die Fachleute bezeichnen diese Verteilung als Mikrostrahlungsgürtel. Sie deutet
auf komplexe Plasmaströme in der Nähe des Planeten hin. Besonders überraschend
ist jedoch, dass sie mit dem F-Ring zusammenfällt. "Ringe sind allgemein dafür
bekannt, Partikelstrahlung zu absorbieren. Im Gegensatz dazu scheint der F-Ring
einen eigenen, winzigen Strahlungsgürtel zu erzeugen. Wie das passiert, ist
immer noch ein Rätsel", sagt Roussos.
Über die neuen Erkenntnisse über die Ravioli-Monde berichten die Forscher in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Science veröffentlicht wurde. Die neuen Ergebnisse zum
F-Ring wurden in einem Artikel in den Geophysical Research Letters
veröffentlicht.
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