Keine Chance für Terraforming?
von Stefan Deiters astronews.com
1. August 2018
Es ist der Traum vieler Science-Fiction-Fans: das sogenannte
Terraforming des Mars, also die "Bewohnbarmachung" des Roten Planeten. Neue
Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass ein solches Vorhaben mit der uns zur
Verfügung stehenden Technologie nicht realisierbar ist. Dem Mars fehlen
vor allem ausreichende Mengen an zugänglichem Kohlendioxid.

Der Rote Planet Mars lässt sich mit unserer
Technologie wohl nicht in einen blauen Planeten
verwandeln. Dieses Hubble-Bild des Mars entstand
Mitte Juli 2018.
Bild: NASA, ESA und STScI [Großansicht] |
Die Idee klingt faszinierend: Könnte man auf dem Mars Bedingungen schaffen,
die das Leben auf dem Roten Planeten für Menschen ermöglichen würde? Ein
wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin wäre die Schaffung einer dicken und
wärmenden Atmosphäre, etwa durch das Verdampfen von gefrorenem Kohlendioxideis,
das sich in größeren Mengen auf dem Planeten befindet. Doch genau dieser Punkt,
so eine neue, von der amerikanischen
Weltraumbehörde NASA unterstützte Studie, stellt bereits eine entscheidende Hürde dar: Auf dem Mars
gibt es inzwischen nicht mehr ausreichend Kohlendioxid dafür. Mit unserer heutigen Technologie lässt sich
der Planet nicht in eine Welt verwandeln, auf der Menschen ohne Raumanzug leben
können.
Die Marsatmosphäre besteht überwiegend aus Kohlendioxid, ist aber - etwa im
Vergleich zur Erdatmosphäre - außerordentlich dünn und auch kalt. Der
Atmosphärendruck an der Oberfläche beträgt weniger als ein Prozent des Drucks
auf der Erde. Wasser kann daher nicht in flüssiger Form vorkommen, sondern würde
entweder sofort frieren oder aber verdampfen.
Da liegt natürlich die Idee nahe, durch das "Auftauen" verschiedener in Eis
gebundener Gase auf dem
Planeten eine dickere Atmosphäre entstehen zu lassen und dadurch für so hohe Temperaturen zu sorgen,
dass auch Wasser in flüssiger Form auf der
Oberfläche existieren kann. Dazu benötigt man sogenannte Treibhausgase, die auf
der Erde gerade für Probleme sorgen, da ihre Konzentration in der Atmosphäre
durch die Menschen zu weit angewachsen ist.
"Kohlendioxid und Wasserdampf sind die einzigen Treibhausgase, die auf dem
Mars vermutlich in ausreichender Menge vorhanden sind, um zu einer signifikanten
Erwärmung durch den Treibhauseffekt zu führen", erläutert Bruce Jakosky von der
University of Colorado in Boulder. Mithilfe von Daten von Raumsonden aus den
letzten 20 Jahren hat sich das Team um Jakosky nun einmal genauer angeschaut, in
welchem Ausmaß dies tatsächlich gelingen könnte.
"Diese Daten haben substantiell neue Informationen über die Geschichte
flüchtiger Stoffe wie Kohlendioxid und Wasser auf dem Planeten geliefert, die
Menge an flüchtigen Stoffen, die auf und unter der Oberfläche gebunden sind und
die Menge an Gas, die die Atmosphäre ins All verliert", so Teammitglied
Christopher Edwards von der Northern Arizona University in Flagstaff.
Die Wissenschaftler haben die Häufigkeit von kohlenstoffhaltigen
Mineralen und das Auftreten von Kohlendioxideis mithilfe von Daten der Sonden
Mars Reconnaissance Orbiter und Mars Odyssey untersucht sowie Messungen der
NASA-Sonde MAVEN über den Gasverlust der Atmosphäre mit einbezogen.
"Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass es nicht mehr ausreichend
Kohlendioxid auf dem Mars gibt, um in der Atmosphäre für einen ausreichenden
Treibhauseffekt zu sorgen", so Jakosky. "Zudem ist der größte Teil des
Kohlendioxids nicht ohne weiteres erreichbar und kann somit auch nicht verdampft
werden. Die Schlussfolgerung ist, dass ein Terraforming des Mars mit unserer
heutigen Technologie nicht möglich ist."
Zwar gäbe es große Mengen an Wassereis, doch könnte Wasserdampf allein nicht
für eine ausreichende Erwärmung der Atmosphäre sorgen. Damit sich ausreichend
Wasserdampf in der Atmosphäre halten kann, müsste es zunächst eine signifikante
Erwärmung durch Kohlendioxid geben. Andere Gase, durch die sich auch ein
Treibhauseffekt erzeugen lassen würde, sind in der Atmosphäre nur sehr kurzlebig
und müssten ständig neu produziert werden, was größere Industrieanlagen auf der
Marsoberfläche erfordern würde. Sie wurden daher in der aktuellen Studie nicht
berücksichtigt.
Damit flüssiges Wasser auf der Marsoberfläche existieren kann müsste, so die
Berechnungen der Wissenschaftler, durch Kohlendioxid ein atmosphärischer Druck
aufgebaut werden, der dem gesamten atmosphärischen Druck der Erde entspricht.
Der atmosphärische Druck auf dem Mars liegt bei ungefähr 0,6 Prozent des
irdischen. Durch das Verdampfen des polaren Kohlendioxideises würde der Druck
gerade einmal auf 1,2 Prozent des irdischen Wertes ansteigen.
Unter Ausnutzung
anderer Kohlendioxidquellen, die sich teils nur mit sehr großem Aufwand
erschließen lassen würden, könnte man insgesamt auf bescheidene 6,9 Prozent des irdischen Drucks kommen. Nicht
berücksichtigt dabei wurden potentiell vorhandene kohlenstoffhaltige Minerale,
die sich tief in der Marskruste befinden. Sollten sie existieren, wäre die
Gewinnung von Kohlendioxid aus ihnen nämlich extrem aufwendig.
Die Daten der Marssonden MAVEN und Mars Express deuten darauf hin, dass der
größte Teil der Atmosphäre, die vor Milliarden Jahren einmal für
lebensfreundliche Bedingungen auf dem Mars gesorgt hat, ins All entwichen ist. Ein Anreichern
der Atmosphäre durch das Umlenken von Kometen und Asteroiden auf den Mars wäre
auch keine praktische Lösung: Um auf den notwendigen Gaseintrag zu kommen,
müssten Tausende auf dem Roten Planeten zum Einschlag gebracht werden.
Für die Forscher bleibt als Schlussfolgerung, dass mit heutiger Technologie und
auch mit der der nahen Zukunft ein Terraforming des Mars ausgeschlossen ist. Über ihre
Untersuchung berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature Astronomy erschienen ist.
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Mission Mars, die astronews.com-Berichterstattung über die Erforschung des roten Planeten |
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