Asteroid aus dem inneren Sonnensystem
von Stefan Deiters astronews.com
15. Mai 2018
Astronomen haben im Kuipergürtel einen Asteroiden
identifiziert, der offenbar aus dem inneren Sonnensystem stammt. Verraten hatte
sich der 2004 entdeckte Brocken 2004 EW95 durch sein ungewöhnliches Spektrum.
Beobachtungen mit dem Very Large Telescope lassen nun vermuten, dass er
vor langer Zeit aus dem inneren Sonnensystem auf seine jetzige Bahn abgelenkt
wurde.
So könnte der Asteroid 2004 EW95 im
Kuipergürtel aussehen.
Bild: ESO / M. Kornmesser [Großansicht] |
Während heute die Planeten, Kometen und Asteroiden weitgehend friedlich und
auf stabilen Bahnen um die Sonne kreisen, sah dies in der Anfangsphase des
Sonnensystems ganz anders aus: Theoretische Modelle sagen etwa voraus, dass
die Gasriesen nach ihrer Entstehung durch das Sonnensystem gewandert sind und
dabei kleinere Objekte so abgelenkt haben, dass sie auf andere, deutlich
entferntere Bahnen gerieten.
Eine Vorhersage dieser Theorie ist, dass es im sogenannten Kuipergürtel
jenseits der Neptunbahn heute einige Objekte geben sollte, die in deutlich geringerem
Abstand von der Sonne entstanden sind. Zu diesem Objekten aus dem inneren
Sonnensystem zählen beispielsweise die sogenannten C-Asteroiden, die Kohlenstoff oder
Kohlenstoffverbindungen enthalten. Genau einen solchen Asteroiden glaubt ein
Wissenschaftlerteam nun in Form des Kuipergürtel-Objekts 2004 EW95 entdeckt zu
haben.
Dass 2004 EW95 anders war, als die meisten Brocken im Kuipergürtel, war den
Wissenschaftlern bereits bei Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop Hubble
aufgefallen. Diese zeigten nämlich, dass sich das Spektrum deutlich von dem
anderer Kuipergürtel-Objekte unterschied. Diese weisen nämlich in der Regel
keinerlei besondere Merkmale auf und verraten so kaum etwas über die Zusammensetzung
des jeweiligen Brockens. "Das Spektrum von 2004 EW95 unterschied sich so
deutlich von dem anderer beobachteter Objekte im äußeren Sonnensystem, dass
wir uns dies einmal etwas näher anschauen wollten", so Tom Seccull von der
Queen's University in Belfast.
Doch das ist leichter gesagt als getan: 2004 EW95 hat zwar einen Durchmesser
von immerhin 300 Kilometern, ist aber auch rund vier Milliarden Kilometer von
der Erde entfernt und hat eine vergleichsweise dunkle Oberfläche: "Es ist, als wollte man einen riesigen Haufen
Kohle vor dem Hintergrund eines stockdunklen Nachthimmels beobachten", so
Teammitglied Thomas Puzia von der Pontificia Universidad Católica de Chile.
Um trotzdem sinnvolle Daten aus den Beobachtungen mit den Instrumenten X-Shooter und
FORS2 am Very Large Telescope der ESO zu erhalten, mussten die Wissenschaftler
recht aufwendige Methoden bei der Datenverarbeitung anwenden.
Das Ergebnis war ein deutlich besseres Spektrum, das unter anderem den
Nachweis von Eisenoxiden und bestimmten Silikaten erlaubte. Dies wertet das Team
als eindeutigen Hinweis darauf, dass 2004 EW95 im inneren Sonnensystem
entstanden sein muss. Beide Stoffgruppen wurden bislang noch nie auf einem
Objekt des Kuipergürtels nachgewiesen.
Für die Wissenschaftler stellt der Fund einen wichtigen Beweis für die
Gültigkeit der Theorien über die Ereignisse in der Frühphase des Sonnensystems
dar. Sie berichten über ihre Beobachtungen in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift The Astrophysical Journal Letters erschienen ist.
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