Hubble entdeckt aktiven Doppel-Asteroiden
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
21. September 2017
Wissenschaftler haben im Asteroidengürtel zwischen Mars und
Jupiter ein bislang einmaliges Objekt entdeckt: 288P besteht aus zwei Teilen,
die sich um ihren gemeinsamen Schwerpunkt drehen und ist zudem aktiv, spuckt
also Gas und Staub ins All. Die Forscher vermuten, dass der Asteroid erst vor
rund 5000 Jahren auseinandergebrochen ist.

Zwei statt eins: Diese Bilder des
Weltraumteleskops Hubble zeigen, dass das Objekt
288P aus zwei Teilen besteht, die umeinander
kreisen und kometenähnliche Merkmale aufweisen.
Dazu gehören die Koma – eine dünne Gashülle – und
der Staubschweif.
Bild: NASA, ESA und J. Agarwal
(Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung [Großansicht] |
Der Körper 288P, der im Asteroidengürtel zwischen den Umlaufbahnen von Mars
und Jupiter um die Sonne kreist, ist ein Unikat: Er gehört nicht nur zur Gruppe
außergewöhnlicher Asteroiden, die Staub und Gas ins All spucken – und sich damit
ausgesprochen untypisch für "Bewohner" des Asteroidengürtels verhalten; er
besteht auch aus zwei getrennten Teilen, die sich um einen gemeinsamen
Schwerpunkt drehen. Das legen Daten des Weltraumteleskops Hubble nahe,
die Wissenschaftler unter Leitung des Max-Planck-Instituts für
Sonnensystemforschung jetzt ausgewertet haben. 288P ist somit der erste bekannte
aktive Doppelasteroid. Vermutlich zerbrach er vor nicht mehr als 5000 Jahren
unter dem Einfluss der eigenen Rotation in zwei Teile.
Kometen verbringen den Großteil ihrer Zeit am eiskalten, äußeren Rande des
Sonnensystems. Führt sie ihre stark elliptische Umlaufbahn in den
Einflussbereich der Sonne, werden sie aktiv: Gefrorene Gase verdampfen und
reißen Staubteilchen mit sich ins All. Asteroiden – wenn auch ähnlich in Größe
und Form – sind im Vergleich eher beständige, unveränderliche Himmelskörper: Sie
ziehen ihre stets gleichen Bahnen im Asteroidengürtel, der sich zwischen den
Umlaufbahnen von Mars und Jupiter erstreckt.
In den vergangenen Jahren haben Forscher aber immer mehr Körper entdeckt, die
sich nicht in dieses übersichtliche Schema einfügen. Auch der nun untersuchte
288P gehört dieser Gruppe an. Die sogenannten aktiven Asteroiden "bewohnen" zwar
die Zone zwischen Mars und Jupiter, zeigen jedoch kometenähnliche Aktivität. Die
Ursachen für das ungewöhnliche Staub- und Gasspucken können sehr unterschiedlich
sein: Während einige Körper unter dem Einfluss der eigenen Rotation Material
verlieren, wurden andere von kleineren Brocken getroffen. Ein solcher Einschlag
kann nicht nur Staub aufwirbeln, sondern auch gefrorene Gase im Innern des
Asteroiden freilegen, die dann verdampfen. Etwa 20 dieser exotischen Körper sind
bisher bekannt.
Doch 288P sticht durch eine weitere Eigenschaft hervor: Er besteht aus zwei
getrennten Stücken, die um einen gemeinsamen Schwerpunkt rotieren. "Bereits im
Jahr 2011 wurden wir auf 288P aufmerksam", erinnert sich Jessica Agarwal,
Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. In Aufnahmen
des Weltraumteleskops Hubble zeigten sich damals deutliche Anzeichen
für Aktivität. Der große Abstand, der 288P zu diesem Zeitpunkt von der Erde
trennte, erlaubte es jedoch nicht, seine Gestalt näher zu untersuchen.
Im September 2016 waren die Bedingungen günstiger. Auf dem Weg zu seinem
sonnennächsten Punkt näherte sich der Asteroid der Erde auf nur etwas mehr als
200 Millionen Kilometer an. Nun ließen sich deutlich zwei getrennte Stücke
erkennen. Umfangreiche Analysen der Messdaten offenbaren jetzt einen in
vielerlei Hinsicht einzigartigen Körper. Die beiden Einzelteile, aus denen 288P
besteht, messen jeweils etwa einen Kilometer im Durchmesser.
Simulationen ergaben zudem, dass der Abstand beider Teile ungewöhnlich groß
ist: Sie umkreisen einander auf einer stark elliptischen Bahn mit einem Abstand
in der Größenordnung von 100 Kilometern. Dass der Körper immer dann aktiv wird,
wenn er sich der Sonne nähert, deutet zudem darauf hin, dass freigelegte,
verdampfende Gase seine Aktivität treiben. "288P muss vor kaum mehr als 5000
Jahren auseinandergebrochen sein", sagt Agarwal. Sonst hätten sich diese Gase im
vergleichsweise sonnennahen Asteroidengürtel längst vollständig verflüchtigt.
Die Analysen bieten auch weitere Hinweise auf die Entstehungsgeschichte des
außergewöhnlichen Körpers.
"Wir glauben, dass 288P in einem ähnlichen Prozess entstand wie viele binäre
Asteroiden", sagt die Max-Planck-Forscherin. Durch die schnelle Rotation um die
eigene Achse kann ein Asteroid instabil werden und schließlich
auseinanderbrechen. Für diese Theorie spricht unter anderem, dass die
Umlaufbahnen der beiden Teilstücke umeinander in derselben Ebene verlaufen wie
ihre gemeinsame Umlaufbahn um die Sonne. Diese Konstellation ist für Asteroiden,
die als Folge eines heftigen Einschlags zerbrechen, unwahrscheinlich.
Nach seiner Zweiteilung veränderte sich der Körper nach Ansicht der Forscher
weiter. "Die Aktivität von 288P spielte bei seiner folgenden Entwicklung
wahrscheinlich eine entscheidende Rolle", so Agarwal. Das Gas, das nun
verdampfte und Fontänen aus Staub mitriss, veränderte den Bahndrehimpuls des
Systems. Als Folge drifteten die Einzelteile weiter auseinander – bis auf den
ungewöhnlich großen Abstand, den sie heute einnehmen.
Körper wie 288P können Forschern helfen zu verstehen, wie unsere kosmische
Nachbarschaft entstanden ist und sich dann weiterentwickelt hat. So geht es etwa
um die Frage, wo im Asteroidengürtel Wasser überdauern konnte. Ob der neu
entdeckte Asteroid ein kosmischer Einzelfall ist, lässt sich zurzeit nicht
sagen.
Über ihre Entdeckung berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der
in der Zeitschrift Nature erschienen ist.
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