Alkohol vom Kometen Lovejoy
von Stefan Deiters astronews.com
27. Oktober 2015
Der Komet Lovejoy, der zu Beginn des Jahres am Himmel zu
sehen war, zählte zu den auffälligsten und aktivsten Kometen seit vielen Jahren.
Die Auswertung von Beobachtungen ergab nun, dass der Komet in seiner aktiven
Phase auch große Mengen an Alkohol ins All abgegeben hat. Für die Astronomen ist
dies ein weiterer Hinweis darauf, dass es auf Kometen komplexere chemische
Verbindungen gibt.
Der Komet C/2014 Q2 (Lovejoy) am 22. Februar
2015.
Bild: Fabrice Noel [Großansicht] |
"Wir haben entdeckt, dass der Komet Lovejoy während der Hochphase seiner
Aktivität in jeder Sekunde so viel Alkohol ins All abgegeben hat, wie sich in
mindestens 500 Flaschen Wein findet", erläutert Nicolas Biver vom
Observatoire de Paris. Das Team entdeckte in der Atmosphäre des Kometen
insgesamt 21 verschiedene organische Moleküle, darunter Ethanol und
Glycolaldehyd, eine einfache Form von Zucker.
Kometen gelten als Überreste aus der Entstehungsphase des Sonnensystems. Ihre
Untersuchung kann den Wissenschaftlern daher einiges über die Bedingungen
verraten, die in den frühen Jahren unserer galaktischen Heimat
anzutreffen waren. Normalerweise kreisen Kometen in großer Entfernung um die
Sonne, werden aber manchmal abgelenkt und geraten dann ins innere Sonnensystem.
Durch die Nähe zu unserem Zentralstern beginnen sie hier zu verdampfen, wodurch
in manchen Fällen ein ausgeprägter Schweif entsteht.
So war es auch beim Kometen C/2014 Q2 (Lovejoy), der zu den hellsten und
aktivsten Kometen seit des Besuchs des Kometen Hale-Bopp im inneren Sonnensystem
im Jahr 1997 zählte. Den sonnennächsten Punkt seiner Bahn erreichte Lovejoy am
30. Januar 2015. Zu diesem Zeitpunkt gab er in jeder Sekunde 20 Tonnen Wasser
ins All ab. Damals machten auch die Astronomen um Biver Beobachtungen
der Atmosphäre des Kometen im Mikrowellenbereich. Sie nutzten dazu eine
30-Meter-Radioschüssel auf dem Pico Veleta in der spanischen Sierra Nevada.
Durch das Sonnenlicht werden die Moleküle in der Kometenatmosphäre zum Leuchten
in ganz spezifischen Mikrowellenfrequenzen angeregt. Mit einer sorgfältigen
Analyse lassen sich daher Aussagen über das Vorhandensein verschiedener
Verbindungen in den Ausgasungen des Kometen machen. Solche Beobachtungen sind
auch deswegen interessant, weil manche Forscher vermuten, dass einige Stoffe,
die für die Entstehung des Lebens auf der Erde nötig waren, von Kometen stammen
könnten. Die Entdeckung von komplexen organischen Verbindungen auf Lovejoy und
anderen Kometen unterstützt diese These.
"Das Ergebnis ist auf jeden Fall ein starkes Indiz dafür, dass es auf Kometen
eine sehr komplexe Chemie gibt", so Stefanie Milam vom Goddard Space Flight
Center der NASA. "Während des Großen Bombardements vor rund 3,8 Milliarden
Jahren, als Kometen und Asteroiden auf die Erde stürzten, entstanden die ersten
Ozeane. Das Leben musste also nicht nur aus einfachen Molekülen wie Wasser,
Kohlenmonoxid oder Stickstoff entstehen. Es gab schon komplexere Verbindungen.
Wir haben Moleküle mit mehreren Kohlenstoffatomen entdeckt. Man erkennt nun, wo
der Ausgangspunkt für die Bildung von Zuckermolekülen war oder für komplexere
organische Verbindungen wie Aminosäuren - den Grundbausteinen der Proteine -
oder von Nukleinbasen, den Bausteinen der DNA. Diese können so viel leichter
entstehen, als wenn sie mit nur zwei- oder dreiatomigen Molekülen anfangen
müssten."
Auch Ergebnisse der Rosetta-Mission, in deren Rahmen der Lander
Philae auf der Oberfläche des Kometen 67P/ChuryumovGerasimenko landete,
deuten auf das Vorkommen komplexerer organischer Verbindungen auf Kometen hin.
"Der nächste Schritt ist es nun herauszufinden, ob das in Kometen gefundene
organische Material bereits in der primordialen Wolke vorhanden war, aus der
sich das Sonnensystem gebildet hat, oder ob sie später in der protoplanetaren
Scheibe um die junge Sonne entstanden sind", so Dominique Bockelée-Morvan vom
Observatoire de Paris.
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Science Advances erschienen ist.
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