Ein Planetarischer Nebel entfaltet sich
von Stefan Deiters astronews.com
10. Juni 2015
Detaillierte Beobachtungen mit dem Very Large Telescope der
europäischen Südsternwarte ESO zeigen, wie aus einem alternden Stern vermutlich
gerade ein
Planetarischer Nebel in Schmetterlingsform wird. Die jetzt präsentierten Bilder
gehören mit zu den detailliertesten Aufnahmen, die mit dem Teleskop bislang gemacht
wurden und nutzen eine noch effektivere adaptive Optik.
Blick des VLT auf den Stern L2 Puppis, aus
dem sich vermutlich gerade ein bipolarer
Planetarischer Nebel entwickelt.
Bild: ESO/P. Kervella
[Großansicht] |
Planetarische Nebel gehören dank ihrer Formen- und Farbenvielfalt mit zu den
spektakulärsten Objekten am nächtlichen Himmel. Sie bieten gleichzeitig einen
Ausblick auf das Ende unserer eigenen Sonne. Alle vergleichsweise massearmen
Sterne beenden ihr "Leben" nämlich als solche Nebel: Sie stoßen quasi als
letztes Lebenszeichen ihre äußere Hülle ins All ab und bringen diese, durch die
intensive Strahlung des noch glühenden Kerns, dann zum Leuchten. Die Entstehung der
beobachteten Vielfalt an Formen ist den Astronomen aber bis heute oft noch ein Rätsel.
Mit dem Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO auf
dem Gipfel des Paranal in Chile haben Forscher nun den rund 200 Lichtjahre
entfernten Stern L2 Puppis ins Visier genommen. Er zählt zu den uns am nächsten
gelegenen Roten Riesensternen und befindet sich in der letztes Phase seines
stellaren Lebens.
Die jetzt vorgestellten Beobachtungen wurden mit dem neuen Instrument SPHERE
unter Nutzung einer besonders effektiven adaptiven Optik gemacht, durch die
die Unruhe der Luft noch deutlich besser ausgeglichen werden kann, als bei einer
normalen adaptiven Optik. Auf diese Weise lassen sich auch lichtschwache Objekte
und Strukturen in der Nähe von hellen Lichtquellen im Detail untersuchen. Es
handelt sich um die detailliertesten Beobachtungen die bislang von einem solchen
Stern gemacht wurden. Mit der neuen Technik können Bilder entstehen, die bis zu
drei Mal schärfer sind als Aufnahmen mit dem Weltraumteleskop Hubble.
Die Beobachtungen zeigen detailliert den Staub um L2 Puppis und bestätigen
frühere, weniger detailreiche Beobachtungen, die darauf hindeuteten, dass sich
der Staub in einer Scheibe sammelt, bei der wir von der Erde aus praktisch genau auf
die Kante schauen. Aus der zusätzlich gemessenen Polarisation des Lichts konnten
die Astronomen zudem Rückschlüsse auf die dreidimensionale Verteilung des Staubs
schließen.
Danach beginnt die Staubscheibe in einer Entfernung von ungefähr 900
Millionen Kilometern vom Stern, was etwas weiter ist, als die Entfernung des
Gasriesen Jupiter von unserer Sonne. Sie weitet sich dann aus und bildet eine
trichterförmige Struktur um den Stern.
Das Team spürte auch eine zweite
Lichtquelle in etwa 300 Millionen Kilometern Entfernung von L2 Puppis auf. Dies
entspricht etwa der doppelten Entfernung der Erde von der Sonne. Bei dieser
Lichtquelle dürfte es sich vermutlich um einen zweiten roten Riesenstern
handeln, der etwas masseärmer ist und sich deswegen noch in einem etwas früheren
Entwicklungsstadium befindet.
Mit einer großen Menge an Staub und einem Begleitstern, verfügt L2 Puppis
damit über genau die "Zutaten", die nach Ansicht der Astronomen nötig sind, um
einen bipolaren Planetarischen Nebel entstehen zu lassen. Vermutlich dürfte aber
auch noch etwas Glück dazu gehören, damit sich hier tatsächlich einmal ein
farbenprächtiger Nebel in der Form eines Schmetterlings entwickelt.
"Der Ursprung von bipolaren Planetarischen Nebeln ist eines der großen
klassischen Probleme der modernen Astrophysik", so Pierre Kervella von der
Unidad Mixta Internacional Franco-Chilena de Astronomía. "Dabei geht es
insbesondere um die Frage, wie Sterne ihr Inventar an schweren Elementen zurück
ins Weltall befördern. Das ist ein sehr wichtiger Prozess, denn aus diesem
Material werden spätere Generationen von Planetensystemen entstehen."
Die Astronomen entdeckten rund um L2 Puppis außerdem noch weitere Strukturen
und Materieansammlungen, die durch Wechselwirkungen zwischen der Scheibe und dem
Sternwind und Strahlungsdruck des Begleiters erklärt werden könnten und durch
das Aufeinandertreffen der stellaren Winde beider Sterne oder durch eine
Staubscheibe auch um den zweiten Stern.
Nach ihrem bisherigen Verständnis von der Entstehung bipolarer Nebel halten
es
die Astronomen angesichts der vorliegenden Daten für wahrscheinlich, dass sich L2 Puppis
tatsächlich zu einem "kosmischen Schmetterling" entwickeln wird. "Da der
Begleitstern wenige Jahre für einen Umlauf benötigt, erwarten wir, beobachten zu
können, wie er die Form der Scheibe des Roten Riesen beeinflusst", so Kervella.
"Wir werden die Entwicklung der Staubstrukturen in diesem System in Echtzeit
verfolgen können. Eine extrem seltene und aufregende Gelegenheit."
Über ihre Beobachtungen berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel,
der heute in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erscheint.
|