Blick ins Universum zur Vermessung der Erde
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Fraunhofer-Gesellschaft astronews.com
5. Mai 2015
Die Beobachtung von entfernten Quasaren ist nicht nur für
Astronomen interessant, die sich für diese hellen Zentren aktiver Galaxien
interessieren. Sie dient auch der Geodäsie, also der Vermessung der
Erdoberfläche. Mithilfe eines neuen Verstärkers für Radioteleskope wollen
Forscher nun die Erde genauer vermessen als zuvor. Ein erster Prototyp ist
bereits im Einsatz.

Die
Empfangsschüssel des Radioteleskops im spanischen
Yebes hat einen Durchmesser von über 13 Metern.
Bild: Instituto Geográfico National [Großansicht] |
Geodäsie ist die Wissenschaft von der Ausmessung und Abbildung der
Erdoberfläche. Eine Messmethode nutzt dabei Radiowellen von weit entfernten
astronomischen Objekten, um etwa die Bewegung der Erdplatten zu ermitteln. Ein
neuer rauscharmer Hochfrequenzverstärker verspricht die dafür nötigen
Radioteleskope leistungsfähiger zu machen.
Entwickelt wird der Verstärker von Forschern des Fraunhofer-Instituts für
Angewandte Festkörperphysik (IAF) in Freiburg zusammen mit spanischen
Projektpartnern - dem Instituto Geográfico Nacional und der
University of Cantabria. Der Hochfrequenzverstärker ist besonders rauscharm
und hilft, die Erde vom Weltraum aus genauer zu vermessen als bisher: Die
Positionen von Radioteleskopen sollen sich zukünftig auf etwa einen Millimeter
genau bestimmen lassen. Das wäre zehnmal genauer als bisher.
Die Wissenschaftler nutzen dabei Radiowellen, die von astronomischen Objekten
ausgesendet und von den Radioteleskopen empfangen werden. Je genauer die
Wissenschaftler die Positionen der Teleskope bestimmen können, desto exakter
können sie anhand dieser Informationen verschiedene Eigenschaften der Erde
vermessen.
"Durch ihren räumlichen Abstand - sie sind auf der ganzen Erde verteilt "
empfangen die Teleskope die Radiowellen zu unterschiedlichen Zeitpunkten",
erklärt Dr. Mikko Kotiranta, Wissenschaftler am IAF. Bedeutend für die
Abstandsermittlung ist die Präzision, mit der die Zeitdifferenzen vermessen
werden können. Dabei kommt es auf jede Pikosekunde an - das ist der Billionste
Teil einer Sekunde.
Basierend auf mehreren Messungen ist es beispielsweise möglich, die Länge des
Tages, die Bewegung der Erdplatten, der Pole und der Erdachse sehr genau zu
ermitteln. "Dieses Wissen wird unter anderem dazu genutzt, die Umlaufbahnen von
Satelliten genauer zu bestimmen", sagt Kotiranta. Die hierbei genutzten
Radiowellen stammen von Quasaren, also von gewaltigen aktiven Schwarzen Löchern
im Zentrum von Galaxien, die in der Regel mehrere Milliarden Lichtjahre von der
Erde entfernt sind.
Natürlich bewegen sich auch die Quasare - wie alle andere astronomischen
Objekte. Wegen ihrer enormen Entfernung scheinen sie jedoch von der Erde aus
betrachtet still zu stehen. Zusätzlich erscheinen sie als punktförmige Objekte,
weshalb sie ideale Fixpunkte zur Vermessung der Erde sind.
Die Radiowellen kommen allerdings in sehr schwacher Signalstärke bei den
Teleskopen an. Das liegt an dem langen Weg, den sie durch den Weltraum
zurücklegen. Ein weiteres Hindernis, um die Signale fehlerfrei zu empfangen,
sind elektromagnetische Störgeräusche: Alle Körper, deren Temperatur über dem
absoluten Nullpunkt - also bei über minus 273 Grad Celsius - liegt, erzeugen
elektromagnetisches Eigenrauschen. Nur am absoluten Nullpunkt würde aus
elektromagnetischer Sicht vollkommene Ruhe herrschen. "Die Regel lautet: Je
kälter, desto weniger Rauschen", so Kotiranta.
Aus diesem Grund haben die Wissenschaftler ein Vorgängermodell des neuen
Verstärkers in eine besonders kalte Kühltruhe gesteckt. In ihr herrschen 22
Kelvin. Das entspricht minus 251 Grad Celsius. Extreme Bedingungen, denen
elektrotechnische Bauteile wie Transistoren nicht gewachsen sind. Oder
vielleicht doch?
Um das herauszufinden, entwickelten die Forscher des IAF ein mathematisches
Modell. Es zeigt an, wie Hochfrequenzschaltungen entworfen sein müssen, um auch
unter extrem kalten Bedingungen zu funktionieren. Im Reinraum und im Labor
fertigten sie zusammen mit den Projektpartnern darauf aufbauend einen
Mikrowellenverstärker und testeten ihn bei unterschiedlichen Temperaturen. Die
Ergebnisse nutzten sie, um das Modell weiter zu verfeinern, so dass die
Vorhersage des Modells besser den gemessenen Daten entsprach.
Mit dem aktualisierten Modell wurde ein neuer Verstärkerprototyp entworfen.
Solange bis schließlich ein rauscharmer Verstärker entstand, der alle
notwendigen Voraussetzungen erfüllte: Er funktioniert einwandfrei bei sehr
niedrigen Temperaturen und sein elektromagnetisches Eigenrauschen ist auf ein
Minimum reduziert. Die Technologie ist bei einem neu errichteten Radioteleskop
des Instituto Geográfico National im spanischen Yebes im Einsatz.
"Momentan laufen dort bereits erste Tests", sagt Kotiranta. Die
Projektpartner planen, ihn ab diesem September für geodätische Zwecke zu nutzen
und beispielsweise die Bewegung von Erdplatten zu messen. Der Bau dreier
weiterer großer Teleskope - jedes von ihnen hat einen Durchmesser von über 13
Metern - ist bereits im Gang. Sie sollen auf den Azoren und den Kanarischen
Inseln im Atlantik entstehen und bis Ende 2015 bzw. 2016 in Betrieb gehen.
Die vier neuen Teleskope sollen Teil des weltweiten Weltraumteleskopnetzes
VGOS (VLBI2010 Global Observing System) werden. "Die meisten Teleskope stammen
aus den 1970er und 1980er Jahren. Ihre Technik ist nicht mehr auf dem neuesten
Stand. Die neue Generation wird wesentlich leistungsfähiger sein und genauere
Daten über die Erde liefern", ergänzt Kotiranta.
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