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Durch die Kombination von Daten des europäischen Infrarot-Weltraumteleskops Herschel und des ESA-Satelliten Planck ist es Astronomen gelungen, vier bislang unbekannte Galaxienhaufen aufzuspüren, deren Licht mehr als zehn Milliarden Jahre zu uns unterwegs war. Der Fund sollte den Forschern mehr über die Entstehung dieser riesigen kosmischen Strukturen verraten.
Gemeinsam geht es manchmal besser: Das bewies jetzt ein internationales Astronomenteam, das Daten von gleich zwei europäischen Satelliten für die Suche nach bislang unbekannten Galaxienhaufen in großer Entfernung verwendet hat. Den Forschern gelang es auf diese Weise vier neue Galaxienhaufen in einer Entfernung nachzuweisen, in der das zuvor kaum möglich war. Doch nicht nur das: Die Wissenschaftler vermuten zudem, dass sich auf dem gleichen Weg noch bis zu 2.000 weitere Haufen dieser Art finden lassen dürften. Eine Untersuchung dieser Galaxienhaufen sollte den Forschern einiges über die Entwicklung dieser größten gravitativ gebundenen Strukturen im Universum verraten. In Galaxienhaufen finden sich Hunderte oder gar Tausende von Galaxien, die alle durch ihre gegenseitige Anziehungskraft aneinander gebunden sind. In unserer näheren Umgebung wurden bereits unzählige dieser Haufen aufgespürt, doch um zu verstehen, wie diese Haufen entstehen und sich entwickeln, muss man weit entfernte Galaxienhaufen ausfindig machen, die wir damit zu einem früheren Zeitpunkt in ihrer Entwicklung sehen. Die jetzt aufgespürten Galaxienhaufen fallen mit Sicherheit in die gesuchte Kategorie: Sie sind so weit entfernt, dass ihr Licht mehr als zehn Milliarden Jahre benötigt hat, um die Erde zu erreichen. Die Astronomen können die Galaxienhaufen damit in einem Erscheinungsbild untersuchen, das sie hatten, als das Universum gerade einmal rund drei Milliarden Jahre alt war.
"Es ist zwar schon gelungen, Galaxien zu entdecken, die noch deutlich weiter entfernt sind, doch die am weitesten entfernten Galaxienhaufen haben wir bislang in einem Zustand rund 4,5 Milliarden Jahre nach dem Urknall sehen können. Das entspricht einer Entfernung von etwa neun Milliarden Lichtjahren", erläutert David Clements vom Imperial College London, der die Untersuchung leitete. "Mit unserem neuen Verfahren haben wir Haufen aufgespürt, die bereits deutlich früher existierten und wir glauben, dass wir noch weiter in die Vergangenheit gehen können." Die Galaxienhaufen ließen sich in so einer Entfernung nur deshalb aufspüren, weil es in ihnen Galaxien gibt, in denen gerade große Mengen an Staub und Gas zu neuen Sternen umgewandelt werden. Die dabei entstehende Strahlung wurde von Satelliten wie Herschel und Planck registriert. In unserer Umgebung werden die meisten Galaxienhaufen von elliptischen Galaxien dominiert, in denen - im Gegensatz zu den Spiralgalaxien - praktisch keine Sternentstehung mehr stattfindet. "Wir vermuten, dass wir in diesen entfernten Galaxienhaufen die Entstehung von elliptischen Riesengalaxien verfolgen können", so Clements. Die Daten stammen vom Instrument Spectral and Photometric Imaging Receiver (SPIRE) an Bord des ESA-Infrarot-Weltraumteleskops Herschel und wurden im Rahmen des Herschel Multi-tiered Extragalactic Survey (HerMES) aufgenommen. "Das tolle an Herschel-SPIRE ist, dass wir große Bereiche am Himmel mit hinreichender Empfindlichkeit und Schärfe erfassen können, um diese seltenen und exotischen Objekte zu finden", so Seb Oliver, Leiter der Himmelsdurchmusterung. "Die neuen Ergebnisse sind genau das, was wir mit HerMES zu entdecken gehofft hatten." Das Team um Clements begann mit der Suche allerdings nicht mit den detaillierten Daten von Herschel: Sie nutzten auch Beobachtungen des ESA-Satelliten Planck, der weite Bereiche des Himmels erfasst hatte und suchten darauf nach möglicherweise interessanten Strukturen in Regionen, von denen genauere Daten von Herschel vorlagen. Sie entdeckten auf diese Weise 16 interessante Infrarotquellen, von denen sich die meisten als bekannte nahegelegene Galaxien entpuppten. Bei vier Quellen allerdings zeigten die Herschel-Daten, dass es sich nicht um eine Quelle handelte, sondern um eine ganzen Gruppe von schwächeren Quellen, was auf einen bislang unentdeckten Galaxienhaufen hindeutete. Durch weiteres Archivmaterial sowie weitere Beobachtungen haben die Astronomen dann die so entdeckten Galaxienhaufen weiter untersucht und beispielsweise ihre Entfernung von der Erde bestimmt. Das Team hofft, mit dem Verfahren bald weitere Galaxienhaufen auch in noch größerer Entfernung aufspüren zu können. Über die aktuellen Funde berichten die Astrononen in einem Fachartikel in der Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society. Die beiden europäischen Missionen Herschel und Planck sind inzwischen abgeschlossen. Die Auswertung der Daten wird aber noch Jahre andauern.
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