Entfernte Galaxien genau vermessen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
9. Januar 2014
Im Rahmen einer Himmelsdurchmusterung, die als Teilprojekt des
Sloan Digital Sky Survey III durchgeführt wird, haben Astronomen nun die
Distanz von mehr als sechs Milliarden Lichtjahren entfernten Galaxien mit
einer Genauigkeit von einem Prozent bestimmt. Die neuen Daten erlauben auch
Rückschlüsse auf die mysteriöse Dunkle Energie.
Auf einer Tagung der American Astronomical Society (AAS) haben
Wissenschaftler neue Ergebnisse des Baryon Oscillation Spectroscopic Survey
(BOSS) vorgestellt, einem von vier Projekten, die im Rahmen des Sloan
Digital Sky Survey III mithilfe eines 2,5-Meter-Teleskops des
Apache Point Observatory in New Mexico durchgeführt werden. Den Forschern ist es gelungen, den Abstand zu Galaxien in
einer Entfernung von mehr als sechs Milliarden Lichtjahren mit einer Genauigkeit
von einem Prozent zu bestimmen.
"Nicht viele Dinge des täglichen Lebens kennt man mit einer Genauigkeit von
einem Prozent", meint David Schlegel vom Lawrence Berkeley National
Laboratory (LBNL), der leitende Wissenschaftler von BOSS. "Ich kenne jetzt
die Größe des Universums besser, also die Größe meines Hauses." Kombiniert mit
Informationen über die Ausdehnungsgeschwindigkeit des Universums liefern die
Daten zudem auch neue Hinweise auf die geheimnisvolle Dunklen Energie, die
vermutlich für die beschleunigte Ausdehnung des Universums verantwortlich ist.
"Die Abstandsmessung ist eine fundamentale Herausforderung in der
beobachtenden Astronomie", erklärt Daniel Eisenstein von der Harvard
University, der auch Direktor der SDSS-III-Kollaboration ist. "Wenn sie
etwas am Himmel sehen, wie weit ist es weg? Wenn man erst einmal weiß, wie weit
etwas weg ist, lässt es sich viel leichter erforschen als zuvor."
Entfernungen zu den Planeten in unserem Sonnensystem können mit Radar sehr
genau gemessen werden, aber für weiter entfernte Objekte sind die Astronomen auf
weniger direkte Methoden angewiesen. Nur ein paar hundert Sterne und einige
wenige Sternhaufen sind nahe genug, damit man ihre Entfernungen mit einer
Genauigkeit von einem Prozent messen kann.
Fast alle diese Sterne sind nur ein paar tausend Lichtjahre entfernt und
befinden sich immer noch in unserer eigenen Milchstraße. Die neuen
BOSS-Messungen reichen nun bis zu Entfernungen, die eine Million mal größer
sind, und sondieren das Universum weit über unsere eigene Galaxie hinaus mit
bisher unerreichter Genauigkeit. "Ein Messung mit einer Genauigkeit von einem
Prozent bei einer Entfernung von sechs Milliarden Lichtjahren ist ein gewaltiger
Schritt nach vorn", erklärt Eisenstein, "und es erfordert eine ganz andere
Technik als die Messungen im Sonnensystem oder in der Milchstraße."
Im Rahmen des BOSS-Projekts werden sogenannte "baryonische, akustische
Schwingungen" (BAOs) gemessen. Dabei handelt es sich um Überreste aus der
Frühphase des Universums, als dieses nicht mehr als eine heiße und dichte
"Teilchensuppe" war. Kleine Dichteschwankungen durchliefen diese "Suppe" als
Druck- bzw. Schallwellen. Als sich das Universum ausdehnte und abkühlte, sank der Druck ab und so
wurden die weitere Ausbreitung dieser Wellen nach etwa 500 Millionen Lichtjahren
gestoppt. Diese "eingefrorenen Wellen" bildeten sich in der Materieverteilung ab
und können heute in der Galaxienkarte abgelesen werden: so ist dort die
Wahrscheinlichkeit dafür, zwei Galaxien in einem bestimmten Abstand zu finden,
etwas höher als für größere oder kleinere Entfernungen.
Ariel Sanchez und Francesco Montesano, Nachwuchswissenschaftler am Max
-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, haben dieses "BOSS-Lineal" nicht
nur senkrecht zur Sichtlinie gemessen, sondern auch parallel dazu. Damit
konnten sie zusätzlich die Anisotropie in der klumpigen Galaxienverteilung
messen. "Damit können wir nicht nur bestimmen, wie weit diese Galaxien von uns
entfernt sind, sondern auch wie schnell sie sich bewegen", erklärt Sanchez. "Wir
können also die Rate bestimmen, mit der das Universum sich ausdehnte und zwar
vor sechs Milliarden Jahren, zu der Zeit, als das Licht, das wir heute
beobachten, diese Galaxien verließ."
Bereits vor einem Jahr präsentierte das BOSS-Team vorläufige BAO-Messungen
auf der Grundlage der frühen Galaxienkarten. Die neue Analyse umfasst nun aber
ein größeres Volumen des Universums. Die Messung ist somit deutlich genauer, die
Standorte von 1,2 Millionen Galaxien wurden inzwischen kartographiert. Die
jetzigen Ergebnisse enthalten auch erste Messungen der BAOs aus einer Stichprobe
von mehr nahen Galaxien.
"Die fernen Galaxien erlauben uns einen Blick zurück in eine Zeit, als das
Universum etwa die Hälfte seines heutigen Alters hatte; die nahen Galaxien
zeigen uns ein weiter entwickeltes Universum", erklärt Sanchez. "Wenn wir beide
Messungen zusammen nehmen, erhalten wir sehr starke Einschränkungen für die
Eigenschaften der Dunklen Energie, die wahrscheinlich für die aktuelle
beschleunigte Ausdehnung des Universums verantwortlich ist."
Bisher passen die BOSS-Messungen offenbar zu einer Form der Dunklen Energie,
die im Laufe der Geschichte des Universums konstant bleibt - im Gegensatz zu
sowohl normaler als auch Dunkler Materie, die durch die Ausdehnung des
Universums verdünnt werden. Diese Dunkle Energie scheint mit dem Raum selbst
verbunden zu sein, und wird manchmal auch als " kosmologische Konstante "
interpretiert. Diese Theorie ist inzwischen zum Standardmodell für die Dunkle
Energie geworden. "Da unsere Daten ständig besser und besser werden, können wir
dieses Standardmodell immer strengeren Tests unterziehen", so Sanchez.
Über die neuen Ergebnisse des BOSS-Teams und die begleitenden Untersuchungen
berichten die Astronomen in mehreren Fachartikeln, die in der Zeitschrift
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society erscheinen sollen.
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