Radiopulsar im Milchstraßenzentrum
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
15. August 2013
Astronomen ist es gelungen, einen Radiopulsar im Zentrum der
Milchstraße aufzuspüren. Sie konnten so erstmals die magnetische Feldstärke in
der Region rund um das supermassereiche Schwarze Loch bestimmen. Das Magnetfeld
scheint stark genug zu sein, um den Strom von Materie in das Schwarze Loch zu
regulieren. Dies sollte auch helfen, die Strahlung aus dieser Region besser zu
verstehen.

Künstlerische
Darstellung von PSR J1745-2900 in relativer Nähe
zum supermassereichen Schwarzen Loch der
Milchstraße.
Bild: MPIfR/Ralph Eatough |
Pulsare sind kompakte rotierende Neutronensterne die wie kosmische
Leuchttürme ultrapräzise Radioblitze abstrahlen. Damit sind sie im Prinzip ideal
geeignet, um die Umgebung Schwarzer Löcher zu studieren. Die Suche nach einem
Pulsar im Zentrum unserer Milchstraße stellte deshalb eines der Hauptziele der
Pulsarastronomie in den letzten 20 Jahren dar. Im Herzen unserer Galaxis
befindet sich nämlich das uns nächste supermassereiche Schwarze Loch mit der
rund viermillionenfachen Masse unserer Sonne, das als Sagittarius A* (Kurzform:
Sgr A*) bezeichnet wird.
Ein Pulsar im Galaktischen Zentrum, so die Hoffnung der Forscher, könnte
beispielsweise benutzt werden, um die Krümmung der Raum-Zeit in unmittelbarer
Umgebung des Schwarzen Lochs zu messen und zu überprüfen, ob Einsteins
Allgemeine Relativitätstheorie auch solch extremen Tests noch standhält. Trotz
langem Suchen schien aber bisher unser galaktisches Zentrum eine Pulsar-freie
Zone zu sein - bis zum Frühjahr dieses Jahres. Röntgensatelliten der NASA hatten
den Strahlungsausbruch einer neuen Röntgenquelle in Richtung des galaktischen
Zentrums mit der Aussendung von pulsierender Röntgenstrahlung entdeckt. Die
Daten wiesen darauf hin, dass es sich um einen Magnetar, einen jungen
Neutronenstern mit extrem starkem Magnetfeld, handeln musste.
Sofort wurde am Radio-Observatorium Effelsberg des Max-Planck-Instituts für
Radioastronomie (MPIfR) ein Beobachtungsprogramm mit dem 100-Meter-Teleskop
gestartet, um zu testen, ob es sich bei der neuen Quelle auch um einen
Radiopulsar handelte. "Sobald wir von der Entdeckung von regelmäßigen Pulsen im
Röntgenbereich mit dem NuSTAR-Teleskop gehört hatten, haben wir das
100-Meter-Teleskop in Richtung des Galaktischen Zentrums ausgerichtet", erinnert
sich Ralph Eatough von der Forschungsabteilung "Radioastronomische
Fundamentalphysik" am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR). "Bei den
ersten Beobachtungen war der Pulsar noch nicht eindeutig sichtbar, aber manche
Pulsare sind wirklich störrisch und brauchen einiges an Beobachtungen, bevor wir
sie eindeutig im Kasten haben. Beim zweiten Versuch war der Pulsar recht aktiv
und sehr leuchtkräftig in Radiofrequenzen. Ich konnte erst mal kaum glauben,
dass wir wirklich einen Pulsar im Zentrum unserer Milchstraße entdeckt hatten."
Aufgrund der besonderen Lage des Pulsars hat das Forschungsteam einigen
Aufwand betrieben, um sicherzustellen, dass es sich dabei um eine reale Quelle
im fernen Universum handelt und nicht etwa um von Menschen erzeugte
Störstrahlung hier auf der Erde. Zusätzliche Beobachtungen wurden mit einer
Reihe von Radioteleskopen weltweit durchgeführt. "Wir waren zu aufgeregt zum
Schlafen zwischen den einzelnen Beobachtungen", sagt Evan Keane vom Jodrell-Bank-Observatorium.
"Wir haben samstags früh um 6 Uhr Radiohelligkeiten ausgerechnet und konnten
fast nicht glauben, dass dieser Magnetar inzwischen so hell geworden war."
Andere Forschungsteams haben das Australia Telescope in Australien und
das Green Bank-Teleskop in den USA eingesetzt.
"Das Radioteleskop Effelsberg ist so gebaut worden, dass man auch Zugang zum
Galaktischen Zentrum damit hat. Und 40 Jahre später wird der erste Radiopulsar
im Zentrum der Milchstraße mit Effelsberg entdeckt", erklärt Heino Falcke,
Professor an der Radboud-Universität Nimwegen. "Manchmal brauchen Astronomen
eben Geduld. Es war ganz schön anstrengend, aber am Ende hatten wir den Erfolg."
Der neu entdeckte Pulsar, mit der Bezeichnung PSR J1745-2900, gehört zu einer
speziellen Gruppe von Pulsaren, den so genannten Magnetaren. Magnetare sind
Pulsare mit extrem starken Magnetfeldern von der Größenordnung von 100 Millionen
Tesla, das ist ungefähr 1.000-mal stärker als das Magnetfeld von normalen
Neutronensternen oder 100.000-Milliarden Mal stärker als das Magnetfeld der
Erde.
Es ist bekannt, dass die Strahlung von diesen Objekten sehr stark polarisiert
ist. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, durch Messungen der Drehung der
Polarisationsebene, verursacht durch ein von außen wirkendes Magnetfeld (der so
genannte Faraday-Effekt) die Stärke des Magnetfelds in Richtung des Pulsars zu
bestimmen. Die Magnetfeldstärke in der direkten Umgebung des Schwarzen Lochs im
Zentrum unserer Milchstraße ist eine wichtige Kenngröße.
Das Schwarze Loch verschluckt letztendlich Material aus seiner direkten
Umgebung, hauptsächlich heißes ionisiertes Gas, in einem Prozess, der als
Akkretion bezeichnet wird. Dabei können die von dem einfallenden Gas erzeugten
Magnetfelder Struktur und Dynamik des Akkretionsflusses beeinflussen und diesen
Prozess regulieren. Das kann auch zur Erzeugung von energiereichen
Materiestrahlen oder Jets führen, durch die Materie nach außen abgeführt wird.
Der neu gefundene Pulsar hat Messungen der Stärke des Magnetfelds dort
ermöglicht, wo der Akkretionsfluss zur Zentralquelle einsetzt - die ersten
Resultate deuten auf ein starkes und großskalig geordnetes Magnetfeld. "Um die
Eigenschaften von Sgr A* verstehen zu können, müssen wir den Akkretionsprozess
begreifen, mit dem das Gas in das zentrale Schwarze Loch transportiert wird",
sagt Michael Kramer, Direktor am MPIfR und Leiter der Forschungsabteilung
"Radioastronomische Fundamentalphysik". "Bis jetzt blieb ein Parameter
unbekannt, nämlich die Magnetisierung des Gases. Die ist aber entscheidend für
die Struktur des Akkretionsflusses. Mit unseren Untersuchungen können wir das
jetzt angehen und den neuen Pulsar für die Bestimmung der Stärke des
Magnetfeldes dort verwenden, wo der Akkretionsfluss von Gas in das zentrale
Objekt seinen Anfang nimmt."
Wenn die Akkretion des von ionisiertem Gas erzeugten Magnetfelds bis hin zum
Ereignishorizont des Schwarzen Lochs erfolgt, kann damit auch die Strahlung von
Radio- bis zu Röntgenwellenlängen erklärt werden, die lange mit der
Zentralquelle selbst in Verbindung gebracht wurde. Außerdem können sehr starke
Magnetfelder direkt am Schwarzen Loch den Akkretionsprozess unterdrücken und so
erklären, warum Sgr A* im Zentrum unserer Milchstraße im Vergleich zu
supermassereichen Schwarzen Löchern in den Zentren von anderen Galaxien zu
"hungern" scheint.
Leider steht auch der neu gefundene Pulsar mit einer Umlaufperiode von
mindestens 500 Jahren immer noch in zu großer Entfernung vom supermassereichen
Schwarzen Loch, um die Struktur der Raum-Zeit direkt am Zentrum detailliert
erforschen zu können. Außerdem sind die Signale von Magnetaren sehr
rauschbehaftet und damit eher ungenaue Uhren. "Im Idealfall möchten wir
schneller rotierende Pulsare in geringerem Abstand vom Zentrum finden, um damit
die Timing-Resultate noch genauer zu machen", so Eatough. "Der neue Pulsar hat
unsere Hoffnungen deutlich erhöht, dass uns das in Zukunft gelingt."
Die Astronomen berichten über ihre Beobachtungen in der aktuellen Ausgabe der
Wissenschaftszeitschrift Nature.
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