Die Zahl potentiell gefährlicher Asteroiden
von Stefan Deiters astronews.com
21. Mai 2012
Mithilfe von Daten des Wide-field Infrared Survey
Explorer (WISE) der NASA haben Astronomen jetzt die bislang beste
Abschätzung der Anzahl von Asteroiden vorgenommen, die der Erde möglicherweise
gefährlich werden könnten. Die Daten bestätigen frühere Schätzungen, deuten aber
auch darauf hin, dass sich mehr dieser Objekte in der gleichen Ebene um die
Sonne bewegen wie unsere Erde.
Ein Blick von der Seite auf unser Sonnensystem
und die vermutete Population erdnaher Asteroiden
(blau) und potentiell gefährlicher Asteroiden
(orange). Der Orbit der Erde ist grün
dargestellt.
Bild: NASA/JPL-Caltech
[Großansicht] |
Bei den potentiell gefährlichen Asteroiden handelt es sich um eine Untergruppe
der erdnahen Asteroiden. Um als "potentiell gefährlich" eingestuft zu werden,
muss sich ein Brocken auf seiner Bahn der Erde nicht nur auf weniger als rund
acht Millionen Kilometer nähern, sondern auch gleichzeitig eine Größe besitzen,
die es ihm erlauben würde, die Erdatmosphäre weitgehend unbeschadet zu
durchdringen und so in einem größeren Bereich auf der Erdoberfläche Verwüstungen
anzurichten.
Es sind also genau diese Brocken, die Astronomen möglichst vollständig erfassen
wollen, um einen bevorstehenden Treffer frühzeitig vorausberechnen und damit
bestenfalls auch verhindern zu können. Seit Jahren wird daher, oft mit
speziellen Teleskopen, nach diesen potentiell gefährlichen Asteroiden gefahndet.
Nicht unwichtig für die Suche ist dabei natürlich eine ungefähre Vorstellung
davon, wie viele dieser Brocken es überhaupt in Nähe der Erde gibt.
Eine neue Abschätzung dieser Art haben Astronomen nun basierend auf Daten des
Wide-field Infrared Survey Explorer (WISE) der NASA vorgelegt. Im
Rahmen eines NEOWISE genannten Projektes haben die Wissenschaftler 107
potentiell gefährliche Asteroiden untersucht und aus den Resultaten Rückschlüsse
auf die gesamte Anzahl von Objekten dieser Art und ihre Eigenschaften gezogen.
Die Astronomen schätzen, dass es etwa 4.700 potentiell gefährliche Asteroiden
mit einem Durchmesser von über 100 Metern gibt, wobei es auch 1.500 mehr oder
weniger sein können. Bislang hat man davon etwa 20 bis 30 Prozent gefunden.
Diese Abschätzung stimmt in etwa mit früheren Vorhersagen überein, wobei dank
NEOWISE nun belastbarere Angaben über Anzahl und Größenverteilung der Objekte
vorliegen. "Die NEOWISE-Analyse zeigt, dass wir beim Auffinden dieser Objekten,
die eine wirkliche Gefahr für die Erde darstellen können, schon einen guten
Schritt vorangekommen sind", urteilt Lindley Johnson, zuständig für die
Beobachtung erdnaher Objekte am NASA-Hauptquartier in Washington. "Allerdings
müssen wir noch deutlich mehr finden. Dies wird in den kommenden Jahren einiges
an gemeinsamen Anstrengungen erfordern, um alle Objekte aufzuspüren, die
ernsthafte Schäden verursachen oder aber ein Ziel für künftige Missionen sein
könnten."
Die neue Analyse deutet zudem darauf hin, dass etwa doppelt so viele potentiell
gefährliche Asteroiden wie bislang angenommen sich in einem Orbit bewegen, der
in etwa in der Ebene liegt, in der auch die Erde und die anderen Planeten um die
Sonne kreisen. Ihr Orbit weist also nur eine geringe Inklination auf. Diese
Objekte scheinen zudem etwas heller und kleiner zu sein als die anderen erdnahen
Asteroiden.
Eine mögliche Erklärung für diese Beobachtung wäre, dass die meisten potentiell
gefährlichen Asteroiden durch die Kollision zweier Asteroiden im
Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter entstanden sind. Dabei könnte dann
ein großes Objekt, das sich auch in der Hauptebene der Planeten um die Sonne
bewegt, zerbrochen und einige Fragmente dann Richtung Erdorbit gewandert sein,
so dass daraus potentiell gefährliche Objekte wurden.
Asteroiden, die sich in der gleichen Ebene wie die Erde um die Sonne bewegen,
haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, einmal mit unserem Planeten
zusammenzustoßen, sind aber gleichzeitig auch leichter für unbemannte oder sogar
bemannte Forschungsmissionen zu erreichen.
"Das NEOWISE-Projekt war ursprünglich gar nicht als Teil von WISE eingeplant",
so Amy Mainzer, die verantwortliche Wissenschaftlerin für NEOWISE am Jet
Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena. "Aber alles, was wir über diese
Objekte lernen können, hilft uns, mehr über ihren Ursprung und ihr Schicksal zu
erfahren. Unser Team war sehr überrascht, wie viele potentiell gefährliche
Asteroiden es mit einem Orbit mit niedriger Inklination gibt. Da sich diese
Objekte in der Regel häufiger der Erde annähern, könnten sie ein ideales Ziel
für die nächste Generation von Robotersonden oder für bemannte Missionen sein."
Die größere Helligkeit vieler potentiell gefährlicher Asteroiden liefert den
Astronomen zudem einen Hinweis auf die Zusammensetzung der Brocken. Diese
wiederum erlaubt eine bessere Abschätzung ihrer Gefährlichkeit, da verschiedene
Materialien unterschiedlich schnell in der Erdatmosphäre verglühen würden, falls
es tatsächlich zu einer Kollision kommt.
Der Wide-field Infrared Survey Explorer der NASA ist ein
Infrarot-Weltraumteleskop, das im Verlauf des Jahres 2010 zweimal den gesamten
Himmel im Infraroten erfasst hat. Auf diese Weise entstand ein Katalog von
vielen Millionen Objekten, darunter auch mehrere Hundert erdnahe Asteroiden (astronews.com
berichtete).
|