Die Magnetfelder der Milchstraße
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik astronews.com
20. Dezember 2011
Wissenschaftlern haben jetzt eine detaillierte Karte der
Magnetfeldstruktur der Milchstraße vorgelegt. Sie basiert auf über 41.000
Einzelmessungen, die mit einem neuartigen Verfahren zur Bildrekonstruktion
kombiniert wurden. Auf der neuen Karte sind auch kleinskalige Strukturen zu
erkennen, die Aufschluss über turbulente Strömungen im galaktischen Gas geben.
Die Himmelskarte des Faraday-Effekts der
Magnetfelder unserer Milchstraße.
Bild: Max-Planck-Institut für Astrophysik
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In dieser Himmelskarte wurde der Effekt der
galaktischen Scheibe heraus gerechnet, um
schwächere Strukturen des galaktischen
Magnetfeldes deutlicher sichtbar zu machen.
Bild: Max-Planck-Institut für Astrophysik
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Alle Galaxien sind von Magnetfeldern durchzogen, so auch unsere Milchstraße.
Dabei folgen die Magnetfeldlinien zum Teil den Bewegungen des galaktischen
Gases, können aber auch die Ursache für derartige Bewegungen sein. Trotz
intensiver Forschung ist der Ursprung der Magnetfelder noch immer unbekannt. Man
nimmt aber an, dass sie durch Dynamoprozesse aufgebaut werden, bei denen
mechanische Energie in magnetische Energie umgewandelt wird. Ähnliche Prozesse
laufen im Innern der Erde, der Sonne und im weitesten Sinn auch in
Fahrraddynamos ab. Die neue Karte galaktischer Magnetfelder liefert nun neue
Einblicke in die Maschinerie des galaktischen Dynamos.
Eine Möglichkeit die kosmischen Magnetfelder zu messen bietet der seit über
150 Jahren bekannte Faraday-Effekt. Dabei wird die Polarisationsebene von
polarisiertem Licht, das durch ein magnetisiertes Medium fällt, gedreht. Das
Ausmaß dieser Drehung hängt unter anderem von der Magnetfeldstärke und -richtung
ab und erlaubt es somit, diese Eigenschaften zu untersuchen.
Um das Magnetfeld unserer eigenen Galaxie zu messen, benutzen Radioastronomen
das polarisierte Licht entfernter Radiogalaxien, welches auf seinem Weg zu uns
die Milchstraße durchqueren muss. Die dabei auftretende Drehung der Polarisation
durch den Faraday-Effekt kann durch Messungen bei verschiedenen Frequenzen
rekonstruiert werden. Damit können die Astronomen für die Sichtlinien zu den so
vermessenen Radiogalaxien die Stärke des Faraday-Effektes bestimmen und erhalten
somit Information über das galaktische Magnetfeld. Um aus den Faraday-Messungen
ein Bild der Magnetfelder der Milchstraße zu erhalten, müssen an möglichst dicht
verteilten Himmelspunkten solche Radiogalaxien hinter der Milchstraße beobachtet
werden. Doch wurden insbesondere am Südhimmel bisher nur wenige Messungen
vorgenommen.
Der von den 26 Radioastronomen des Projektes beigesteuerte Datensatz umfasst
41.330 Einzelmessungen und somit im Durchschnitt etwa eine Radiogalaxie pro
Quadratgrad des Himmels. Um eine möglichst realistische Karte des gesamten
Himmels zu erhalten, muss also zwischen den vorhandenen Messpunkten interpoliert
werden, wobei zwei Schwierigkeiten auftreten: Die jeweiligen Messgenauigkeiten
variieren stark, deshalb sollten genauere Messungen ein größeres Gewicht
bekommen. Außerdem ist nicht bekannt, wie groß die Himmelsregion ist, über die
ein Messpunkt noch zuverlässig Informationen über seine Umgebung liefert. Diese
Entfernung muss also direkt aus den Daten selbst erschlossen und korrekt
berücksichtigt werden.
Und es gibt noch ein weiteres Problem: Aufgrund des höchst komplexen
Messvorgangs sind die Messunsicherheiten selbst unsicher. So kommt es vor, dass
der tatsächliche Messfehler für einen kleinen aber signifikanten Teil der Daten
mehr als zehn mal so groß ist, wie von den Radioastronomen angegeben. Die
vermeintliche Genauigkeit dieser Ausreißer kann die Faraday-Karte galaktischer
Magnetfelder stark verfälschen, sofern keine entsprechende Fehlerkorrektur
vorgenommen wird.
Für derlei problematische Daten haben Wissenschaftler am Max-Planck-Institut
für Astrophysik einen neuartigen Algorithmus zur Bildrekonstruktion entwickelt,
den "erweiterten kritischen Filter". Das Team nutzt dabei Methoden der neuen
Informationsfeldtheorie, die logische und statistische Methoden auf Felder mit
ungenauen Fehlerangaben anwendet. Dieser Ansatz ist so allgemein, dass er für
eine Vielzahl von Bild- und Signal-verarbeitenden Anwendungen in Astronomie,
Medizin und Geographie von Nutzen sein kann.
Neben der detaillierten Faradaykarte liefert der Algorithmus auch eine Karte
der verbleibenden Unsicherheiten, die insbesondere in der galaktischen Scheibe
und in der weniger gut beobachteten Region um den Himmelssüdpol deutlich größer
sind. Um die Strukturen im galaktischen Magnetfeld hervorzuheben, wurde außerdem
eine Karte erstellt, in der der Effekt der galaktischen Scheibe heraus gerechnet
worden ist, sodass schwächere Strukturen ober- und unterhalb der galaktischen
Scheibe besser sichtbar sind.
Dadurch zeigt sich neben dem auffälligen horizontalen Band der Gasscheibe
unserer Milchstraße, dass die Magnetfeldrichtungen ober- und unterhalb der
Scheibe entgegengesetzt zu sein scheinen. Ein analoger Richtungswechsel findet
auch an der vertikalen Mittellinie statt, die durch das Zentrum der Milchstraße
verläuft. Ein spezielles Szenario des galaktischen Dynamos sagt genau diese
symmetrischen Strukturen voraus und wird somit durch die neu erstellte Karte
unterstützt. Die Magnetfeldlinien laufen in diesem Szenario parallel zur Ebene
der galaktischen Scheibe kreis- oder spiralförmig um das galaktische Zentrum,
wobei sie oberhalb und unterhalb der Scheibe entgegengesetzte Richtungen haben.
Von unserer Randposition in der galaktischen Scheibe aus gesehen entstehen daher
die beobachteten Symmetrien der Faradaykarte.
Neben diesen großskaligen Strukturen sind aber auch diverse kleinere
Strukturen zu sehen, die mit turbulenten Verwirbelungen und Verklumpungen im
äußerst dynamischen Gas der Milchstraße zusammenhängen. Die neue Methode liefert
als Nebenprodukt eine Charakterisierung der Größenverteilung dieser turbulenten
Strukturen, das sogenannte Leistungsspektrum, wobei größere Strukturen stärker
ausgeprägt sind als kleinere, wie es für Turbulenz typisch ist. Dieses Spektrum
kann direkt mit Vorhersagen aufwändiger Computersimulationen der turbulenten
Gas- und Magnetfelddynamik unserer Galaxie verglichen werden und erlaubt somit,
galaktische Dynamomodelle im Detail zu testen.
Die neue Magnetfeldkarte ist aber nicht nur zum Studium unserer Galaxie
interessant, auch zukünftige Studien extragalaktischer Magnetfelder werden auf
diese Karte zurückgreifen, um den galaktischen Anteil der Messungen abziehen zu
können. Von der nächsten Generation an Radioteleskopen wie LOFAR, eVLA, ASKAP,
MeerKAT und dem SKA wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten eine Fülle von
neuen Messungen des Faraday-Effekts erwartet. Diese wird in Aktualisierungen der
Karte einfließen, um das Bild des Faraday-Himmels weiter zu verfeinern. Die
Wissenschaftler hoffen, dass die neue Karte so einmal dazu beitragen wird,
hinter das Geheimnis des Ursprungs der galaktischen Magnetfelder zu kommen.
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