Entferntester Galaxienhaufen entdeckt
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
11. Mai 2010
Ein internationales Astronomenteam hat einen Galaxienhaufen aus der
Anfangszeit des Universums entdeckt: Die gemessene Entfernung von 9,6
Milliarden Lichtjahren ist nach Angaben der Forscher die größte, in der je ein Galaxienhaufen gefunden
wurde. Die Beobachtungen im Infrarot- und Röntgenbereich zeigten, dass der
Haufen hauptsächlich aus alten, massereichen Galaxien besteht, die sich in
den frühen Phasen des Universums gebildet haben.
Dieses Falschfarbenbild hat eine Seitenlänge
von 3,4 Bogenminuten (etwa ein Zehntel des
Monddurchmessers). Die Pfeile deuten auf
Galaxien, die sich wahrscheinlich in gleicher
Entfernung befinden; sie häufen sich in der
Bildmitte. Die Konturlinien entsprechen der
Röntgenleuchtkraft des Haufens. Galaxien mit
einer bestätigten Entfernungsmessung von 9,6
Milliarden Lichtjahren sind durch Kreise
hervorgehoben. Die Kombination der Röntgendaten
und massereichen Galaxien zeigt, dass es sich
vermutlich um einen gravitativ gebundenen Haufen
handelt.
Bild: Max-Planck-Institut für
extraterrestrische Physik [Großansicht] |
Galaxienhaufen sind die größten Bausteine des Universums. Unsere Galaxie, die
Milchstraße, ist Teil des Virgo-Haufens, der aus 1000-2000 Galaxien besteht.
Durch die Beobachtung von weit entfernten Galaxien und Haufen können die
Astronomen außerdem die Zeit zurückdrehen, da das Licht, wenn es die Erde
erreicht, bereits Millionen oder Milliarden Jahre unterwegs war und wir deshalb
eine Situation sehen, die weit in der Vergangenheit liegt.
Ein internationales Team aus Astronomen vom Max-Planck-Institut
für extraterrestrische Physik, der Universität Tokio und der Universität Kyoto haben
nun einen Galaxienhaufen entdeckt, der - nach Angaben der Wissenschaftler - weiter entfernt ist als alle bislang
bekannten. Mithilfe von Beobachtungen des Subaru/XMM-Newton-Deep-Fields im
Röntgenbereich konnten sie die Einzelgalaxien als Haufenmitglieder
identifizieren und Infrarot-Beobachtungen mit dem Subaru-Teleskop führten zur
Entfernungsmessung.
Eine Besonderheit bestand darin, dass die Astronomen Infrarot-Wellenlängen
verwendeten, die für das bloße Auge unsichtbar sind. Dies ist nötig, da das
Licht weit entfernter Galaxien aufgrund der Ausdehnung des
Universums vom sichtbaren zum infraroten Wellenlängenbereich verschoben wird. Das MOIRCS-Instrument (Multi-Object Infrared
Camera and Spectrometer) am Subaru-Teleskop arbeitet im Nah-Infrarotbereich, wo
diese Galaxien am leuchtstärksten sind.
"Das MOIRCS-Instrument hat eine extrem hohe Leistungsfähigkeit, wenn es darum
geht, Entfernungen von Galaxien zu bestimmen; nur dadurch waren unsere
schwierigen Beobachtungen möglich", sagt Masayuki Tanaka von der Universität
Tokio. "Obwohl wir bei dieser Distanz nur einige Galaxien nachweisen konnten,
gibt es überzeugende
Hinweise, dass es sich wirklich um einen gravitativ gebundenen Haufen handelt."
Dass die einzelnen Galaxien wirklich durch die Schwerkraft zusammengehalten
werden, wird durch Beobachtungen in einem ganz anderen Wellenlängenbereich
gestützt. Die Materie zwischen den Galaxien in Haufen wird auf extreme
Temperaturen aufgeheizt und emittiert Licht bei Wellenlängen, die viel zu kurz
sind um sie mit bloßem Auge sehen zu können. Das Team nutzte deshalb das
XMM-Newton-Weltraumobservatorium um diese Strahlung im Röntgenbereich
nachzuweisen.
"Obwohl es schwierig war, die Röntgenphotonen mit einer effektiven
Spiegelgröße zu sammeln, die nur etwa der eines Gartenteleskops entspricht,
konnten wir klar die Handschrift des heißen Gases im Haufen nachweisen", sagt
Alexis Finoguenov vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik.
Die Kombination der Beobachtungen in diesen beiden (für das Auge)
unsichtbaren Wellenlängenbereichen führte so zu der bahnbrechenden Entdeckung des
Galaxienhaufens in einer Entfernung von 9,6 Milliarden Lichtjahren - etwa 400
Millionen Lichtjahre weiter entfernt und damit weiter in die Vergangenheit zurück als der vorherige Rekordhalter.
Eine Analyse der Beobachtungsdaten der einzelnen Galaxien zeigt, dass der
Haufen bereits eine Fülle an alten, massereichen Galaxien enthält, die etwa zwei
Milliarden Jahre früher entstanden sind. Da sich die dynamischen Prozesse der
Galaxien-Alterung langsam vollziehen, bedeutet die Anwesenheit dieser Galaxien,
dass der Haufen durch die Verschmelzung von massereichen Galaxiengruppen
entstanden ist.
Während diese Galaxien rötlich scheinen, sind jungen, helle, blaue Galaxien -
was auf eine aktive Sternentstehung hindeutet - relativ selten. Der Haufen ist
deshalb ein ideales Labor, um die Entwicklung von Galaxien zu untersuchen, als
da Universum gerade einmal ein Drittel seines jetzigen Alters hatte.
Da entfernte Galaxienhaufen außerdem die großräumigen Strukturen im Universum
und ursprüngliche Dichtefluktuationen widerspiegeln, werden diese und ähnliche
Beobachtungen in Zukunft wichtige Informationen für Kosmologen liefern. Die
bisherigen Ergebnisse zeigen bereits, dass die derzeitigen Infrarotgeräte
detaillierte Informationen über weit entfernte Galaxien liefern können und dass
die Kombination mit Röntgendaten ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Das Team wir
die Suche nach weit entfernten Galaxienhaufen deshalb fortsetzen.
"Entfernteste Galaxienhaufen" wurden allerdings schon von anderen
Astronomenteams gefunden (astronews.com berichtete) und teilweise waren diese
auch weiter entfernt als der jetzt präsentierte Fund. Natürlich dürfte es immer
Diskussionen darüber geben, wann eine Entdeckung wirklich die Bezeichnung
"Galaxienhaufen" verdient.
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