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Rund eineinhalb Jahre umrundet die europäische Sonde Venus Express nun schon unseren Nachbarn im All, und langsam gibt die Venus ihre Geheimnisse preis. Sie präsentiert sich den Forschern als ein Planet, der vielleicht einmal viel erdähnlicher war als bislang angenommen wurde. In einer Sonderausgabe der Wissenschaftszeitschrift Nature werden die eindrucksvollsten Resultate präsentiert.
Bis tatsächlich das erste Stück der Venusoberfläche in einem irdischen Labor untersucht wird, werden vermutlich noch viele Jahre vergehen. Doch schon heute stellen Laboruntersuchungen an vulkanischen Gesteinen von der Erde eine wichtige Hilfe dar, um die von tausenden von Vulkanen geprägte Oberfläche der Venus zu analysieren. Wissenschaftler vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erkunden durch die gleichzeitige Untersuchung spektraler Eigenschaften von irdischen Vulkangesteinen und Messungen der ESA-Raumsonde Venus Express die mineralogische und chemische Zusammensetzung der Venusoberfläche. "Mit dem Spektrometer VIRTIS an Bord von Venus Express sind wir in der Lage, in einigen Wellenlängen des nahen Infrarots durch die dichte Wolkenhülle des Planeten auf die Oberfläche zu blicken", erklärt Dr. Jörn Helbert vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin. Venus Express befindet sich seit dem 11. April 2006 in einer Umlaufbahn um den inneren Nachbarn der Erde und umkreist den Planeten einmal in 24 Stunden. "Wir vergleichen die aufgenommenen Spektren mit Messungen von Gesteinen süditalienischer Vulkane und können durch den Vergleich mit der Erde besser einschätzen, um welche Gesteine es sich auf der Venus handelt", sagt Helbert. Auf einer Pressekonferenz berichtete die Europäische Weltraumorganisation ESA heute über dieses und weitere wissenschaftliche Ergebnisse, die mit der Mission gewonnen wurden. Sie werden in der aktuellen, der Mission Venus Express gewidmeten Ausgabe des Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht, das morgen erscheint. Der Beitrag von Helbert und seinen Kollegen "könnte ein bedeutender Beitrag zur Lösung der Frage sein, wie sich der Vulkanismus auf der Venus entwickelt hat." Doch auch die anderen jetzt vorgestellten Ergebnisse haben es in sich: Untersuchungen der Atmosphäre lassen nämlich den Schluss zu, dass die Venus, die fast genau so groß wie die Erde ist, vielleicht doch etwas erdähnlicher ist, als bislang angenommen – oder es zumindest war: Heute besteht die Gashülle des Planeten zu 96,5 Prozent aus Kohlendioxid, das zu einem massiven Treibhauseffekt und konstanten Temperaturen von lebensfeindlichen 457 Grad Celsius führt. Diese Temperaturen sind viel zu hoch, als dass Wasser, das auf der Erde in großer Menge vorhanden ist – auf der Venus stabil sein könnte. Die Frage ist, ob es auch auf der Venus je Wasser in nennenswerter Menge gegeben hat.
Venus Express-Messungen zeigten nun eine erhöhte Konzentrationen des Wasserstoff-Isotops Deuterium. Dies bestätigt die Annahme, dass die "heiße Schwester der Erde" in ihrer Frühzeit kühler war und zeitweise Wasser vorhanden gewesen sein musste. Es verdampfte jedoch rasch: Der in die Atmosphäre aufsteigende Wasserdampf verstärkte den Treibhauseffekt, so dass es auf der Venus noch heißer wurde. Die Sonnenstrahlung spaltete die Wassermoleküle auf, und der flüchtigere Wasserstoff entwich ins Weltall – allerdings bevorzugt dessen leichtere Isotope, so dass sich das schwerere Wasserstoff-Isotop Deuterium relativ in zehnfach höherer Konzentration als erwartet anreicherte. Der freie Sauerstoff trug zur Oxidation der Gesteine auf der Venusoberfläche bei. Die Venus Monitoring Camera (VMC) an Bord von Venus Express gestattet es den Forschern, erstmals das Wettergeschehen an diesem Planeten über lange Zeiträume zu studieren. Die VMC wurde in einer Kooperation zwischen dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau, dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze der Technischen Universität Braunschweig und dem DLR-Institut für Planetenforschung mit Förderung der Raumfahrt-Agentur des DLR entwickelt und gebaut. Aus der elliptischen Umlaufbahn ist es möglich, die globale Dynamik vor allem der Südhalbkugel zu erfassen und gleichzeitig regionale atmosphärische Phänomene hoch aufgelöst in den äquatorialen Breiten zu untersuchen. Dort empfängt die Venus vom senkrecht stehenden Zentralgestirn die meiste Sonnenenergie. Die über einen längeren Zeitraum mit der VMC gemachten Aufnahmen könnten einen Hinweis zur Klärung der Frage geben, wie die "Superrotation" in Gang gehalten wird: Mit Geschwindigkeiten von bis zu 360 Kilometern pro Stunde rasen die Wolkenbänder, abhängig vom Breitengrad, in nur drei bis fünf Tagen um den gesamten Planeten - viel schneller als die sich nur einmal in 243 Tagen um die eigene Achse drehende Venus selbst, und auch viel schneller als Winde auf der Erde. Die neuen Beobachtungen deuten darauf hin, dass durch die dynamische Ableitung der Wärmeenergie in höhere nördliche und südliche Breiten die Superrotation in Gang gehalten wird. Über dem Südpol entdeckten die Forscher einen stabilen Wolkenwirbel, der stark an Hurrikane auf der Erde erinnert, aber drei- bis viermal so groß ist. Doch wechselt das Wetter in den südpolaren Breiten extrem schnell: So registrierte die VMC Veränderungen der Wolkendecke über großen Gebieten zwischen zwei aufeinander folgenden Orbits, mit Auswirkungen vom Südpol bis zum 35. südlichen Breitengrad. "Wir vermuten, dass aus tiefer liegenden Atmosphärenschichten, aus der Mesosphäre, Schwefeldioxid aufsteigt und das Wettergeschehen massiv beeinflusst", sagt Prof. Ralf Jaumann vom DLR-Institut für Planetenforschung, der am Bau der VMC mitwirkte und Mitglied des VMC-Wissenschaftsteams ist. Lesen Sie im zweiten Teil: Die Venus im Labor |
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