Suche nach galaktischer DNA
von Stefan
Deiters
astronews.com
27. März 2007
Mithilfe des Very Large Telescope der ESO entdeckten
Astronomen, dass die chemische Zusammensetzung von Sternen eines offenen
Sternhaufens sehr ähnlich ist und sich dies auch über Milliarden von Jahren
nicht ändert. Könnte sich daraus eine neue Methode entwickeln lassen, um die
galaktische DNA unserer Milchstraße zu entschlüsseln? Die Astronomen sind
optimistisch.
Die alte offene Sternhaufen Collinder 261
(oberhalb der Mitte). Foto:
Digitized Sky Survey / ESO [Großansicht] |
Wie unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße, entstanden ist, wissen Astronomen
bis heute nicht im Detail: Es gibt bislang noch kein Modell, das die Entstehung
aller beobachteten physikalischen und chemischen Eigenschaften der Milchstraße
erklären kann. Für Wissenschaftler ist dies natürlich wenig befriedigend und sie
fahnden daher nach Möglichkeiten, mehr über die Entwicklung unserer Heimat im
Universum zu erfahren. Dazu benötigen die Forscher nicht nur detaillierte
Beobachtungen, sondern auch komplexe Theorien und umfangreiche
Computersimulationen. Dank neuer Beobachtungen, die die ESO-Astronomin Gayandhi
De Silva und ihre Kollegen mit Hilfe des Ultraviolet and Visual Echelle
Spectrograph (UVES) am Very Large Telescope gemacht haben, könnte man
nun aber einen wichtigen Schritt vorangekommen sein.
"Wir haben die chemische Zusammensetzung von Sternen in drei Sternhaufen
detailliert untersucht", erläutert De Silva. "Die Sterne in jedem Haufen zeigen
dabei eine große Gleichförmigkeit bei der chemischen Zusammensetzung und jeder
Haufen wiederum hat einen sehr spezifischen chemischen Fingerabdruck. Das
eröffnet uns die Möglichkeit, Sterne in unserer Milchstraße anhand ihrer
chemischen Zusammensetzung zu ihrem Entstehungsort zurückzuverfolgen und so die
Geschichte der Milchstraße sichtbar werden zu lassen."
"Galaktische Sternhaufen sind Zeugen der Entstehung der galaktischen
Scheibe", ergänzt Kenneth Freeman, der am australischen Mount Stromlo
Observatory arbeitet, wo auch De Silva ihre Untersuchung begann. "Das
Studium ihrer Zusammensetzung ist vergleichbar mit der Analyse von alten
Fossilien. Wir suchen hier in gewisser Weise nach der galaktischen DNA."
Offene Sternhaufen bestehen aus einigen zehn bis zu einigen tausend Sternen,
die durch ihre Anziehungskraft aneinander gebunden sind. Man findet sie in den
verschiedensten Altersklassen: Ganz junge offene Sternhaufen sind nur wenige
Millionen Jahre alt, ganz alte Haufen könne bis zu zehn Milliarden Jahre alt
werden - wenngleich dies auch sehr selten ist. Meist lösen sich offene
Sternhaufen nämlich nach einer gewissen Zeit auf. Einer der bekanntesten offenen
jungen Sternhaufen sind die Plejaden. Das Team um De Silva untersuchte unter
anderem den Haufen Collinder 261, der mit zu den ältesten offenen Sternhaufen
zählt und damit Auskunft über die Entstehungsphase unserer Galaxie geben kann.
Mit Hilfe des Spektrograpgen UVES am Very Large Telescope haben
die Astronomen Dutzende von Roten Riesen in Collinder 261 analysiert. Der
Sternhaufen ist rund 25.000 Lichtjahre vom galaktischen Zentrum entfernt. Da
Rote Riesen sehr leuchtkräftig sind, eignen sie sich besonders für eine
gründliche Analyse. Für jeden untersuchten Stern ermittelten die Forscher die
chemische Zusammensetzung und entdeckten so, dass sich diese für alle
untersuchten Sterne des Haufens kaum unterscheidet.
"Die Homogenität weist darauf hin, dass diese chemischen Informationen über
viele Milliarden Jahre überleben", verdeutlicht De Silva die Bedeutung des
Fundes. "Dadurch können alle Sterne des Haufens der gleichen 'Urwolke'
zugeordnet werden, aus der sie entstanden sind. Das Ergebnis stimmt
ausgezeichnet mit unseres Daten für zwei andere Sternhaufen überein." Und damit
nicht genug: Die Daten von anderen offenen Sternhaufen ergaben, dass ihre Sterne
zwar die selben Elemente beinhalten, allerdings in unterschiedlichen Anteilen.
Jeder Haufen ist also in einer anderen Gegend und aus einer anderen "Urwolke"
entstanden.
"Die Implikationen dieser Beobachtung sind faszinierend", so Freeman. "Das
Alter der offenen Sternhaufen überdeckt das gesamte Leben unserer Milchstraße
und jeder Sternhaufen stammt aus einem anderen Teil des 'Teigs', aus dem alles
gemacht wurde. Wenn wir nun analysieren, wie viel Magnesium, Eisen, Kalzium und
andere Elemente in jedem Sternhaufen vorhanden sind, sind wir wie gute Köche,
die auch genau sagen können, wie viel Salz, Zucker und Eier in ihren Keksen
sind. Jeder hat eine einmalige chemische Signatur."
Die Astronomen wollen nun die chemischen Zusammensetzung einer größeren
Anzahl von offenen Sternhaufen bestimmen. Wenn diese "DNA" bekannt ist, sollte
der "Stammbaum" der Milchstraße sichtbar werden. Die Bestimmung der chemischen
Signatur in Raum und Zeit wird zum Vergleich mit theoretischen Modellen von
unschätzbarem Wert sein. "Noch ist da viel zu tun", so De Silva, "aber wir haben
zumindest schon einmal gezeigt, was möglich ist. Wenn die Methode weiter
getestet und verifiziert wurde, werden wir einmal ein detailliertes Bild über
die Entwicklung der Milchstraße bekommen."
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