Riesiger Teilchenbeschleuniger im All
von Rainer Kayser
3. November 2006
Astronomen haben um einen Galaxienhaufen in 600 Millionen
Lichtjahren Entfernung zwei riesige bogenförmige Strukturen entdeckt.
Vermutlich handelt es sich dabei um Stoßwellen, die durch eine Kollision
entstanden sind. Die Stoßwellen beschleunigen elektrisch geladene
Teilchen auf extrem hohe Geschwindigkeiten.

Kombiniertes Bild von Radio- (rot) und optischen
Beobachtungen (blau) des Galaxienhaufens Abell
3376 (Ausschnitt).
Foto:
Joydeep Bagchi, IUCAA, NRAO / AUI / NSF
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600 Millionen Lichtjahre entfernt im Galaxienhaufen Abell 3376 ist ein
gigantischer Teilchenbeschleuniger am Werk, der die Energie irdischer
Beschleunigeranlagen um das Millionenfache übertrifft. Ursache sind vermutlich
Stoßwellen, ausgelöst durch den Zusammenprall riesiger Gaswolken. Solche
kosmischen Teilchenbeschleuniger könnten die Quelle der bislang rätselhaften
hochenergetischen kosmischen Strahlung sein, berichtet ein internationales
Forscherteam im Fachblatt Science.
Die Astronomen um Joydeep Bagchi von der Universität Puna in Indien haben bei
ihren Beobachtungen des Galaxienhaufens mit der Radioantennen-Anlage Very
Large Array im US-Bundesstaat New Mexico zwei riesige bogenförmige
Strukturen am Rand von Abell 3376 entdeckt. Die Bögen sind jeweils etwa drei
Millionen Lichtjahre lang und senden Radiowellen aus, die typisch für die
Bewegung elektrisch geladener Teilchen in Magnetfeldern sind.
Die Forscher vermuten, dass es sich bei den Bögen um Stoßwellen handelt, die
durch den Zusammenprall von Gaswolken mit hohen Geschwindigkeiten ausgelöst
wurden. Zwei Szenarien kommen dafür in Frage. Zum einen könnte Abell 3376 durch
die Kollision zweier kleinerer Galaxienhaufen entstanden sein. Zum anderen, und
diese Möglichkeit favorisiert das Team um Bagchi, könnte es sich um Gas handeln,
dass von außerhalb des Galaxienhaufens in den Haufen hineinströmt und dort auf
das Gas des Haufens prallt.
In beiden Fällen würden die ausgelösten Stoßwellen Elektronen und andere
geladene Teilchen auf extrem hohe Geschwindigkeiten beschleunigen. Die Teilchen
würden dann durch Magnetfelder auf spiralförmige Bahnen gelenkt werden und durch
diese Bewegung - wie in einem Synchrotron - Strahlung aussenden. Mit weiteren
Beobachtungen im Röntgenbereich wollen die Forscher nun herausfinden, welches
der beiden Szenarien zutrifft. Handelt es sich um den Zustrom von Gas außerhalb
des Galaxienhaufens, so böte sich erstmals die Möglichkeit, die Magnetfelder
außerhalb von Galaxienhaufen zu untersuchen. Noch wissen die Astronomen nicht,
ob diese Felder bereits beim Urknall entstanden sind oder erst später von den
ersten Galaxien ausgestoßen wurden.
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