Explosion auf einem toten Stern
von
Hans Zekl
für
astronews.com
25. Juli 2006
Unabhängig voneinander beobachteten mehrere Forscherteams
aus Deutschland, Großbritannien und den USA Anfang des Jahres den erneuten
Ausbruch der sich wiederholenden Nova RS Ophiuchi - mit teils überraschendem
Ergebnis. Könnte RS Ophiuchi bald ein letztes Mal und dann als Supernova
explodieren?
Ausdehnung der Explosionswolke von RS Ophiuchi
am 21. (oben) und 27. Tag (unten) nach dem Ausbruch. Die
Anzeichen für einen Jet, links im Bild vom 27. Tag, sind vorher
noch nicht zu sehen. Bilder: Rupen, Mioduszewski &
Sokoloski, NRAO / AUI / NSF
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Manchen Sternen ist kein ruhiger Lebensabend beschieden - insbesondere dann,
wenn ihr atomares Feuer eigentlich längst erloschen ist, sie sich aber in einer
engen Umlaufbahn um einen wesentlich größeren Begleitstern befinden. Solch ein
System bildet RS Ophiuchi im Sternbild Schlangenträger. Dort umkreisen sich
gegenseitig ein Weißer Zwerg und ein Roter Riese. Der erste ist ein kleiner,
sehr kompakter Stern mit dem Durchmesser der Erde. Die Materie in ihm ist derart
stark zusammengepresst, dass ein Teelöffel davon mehrere Tonnen wiegen würde.
Der Stern ist der Kern eines ehemaligen Roten Riesen, der seine äußere Hülle
abgestoßen hat. Auf dieser Entwicklungsstufe befindet sich die zweite Komponente
des System. Sie ist so ausgedehnt, dass ihre äußeren Bereiche nur schwach an den
Stern gebunden sind. Im Falle von RS Ophiuchi befindet sich die Umlaufbahn des
Weißen Zwerges sogar noch innerhalb dieser Hülle. Deshalb saugt dieser beständig
Materie von dem Riesenstern ab und sammelt es auf seiner Oberfläche.
Doch funktioniert das nicht auf Dauer. An der Oberfläche des Zwergsterns
herrscht eine starke Schwerkraft, die einen enormen Druck auf die angesammelte
Materie ausübt. Irgendwann zündet dadurch explosionsartig eine atomare
Kettenreaktion, die den Stern stark aufleuchten lässt und die Materie mit
mehreren tausend Kilometern pro Sekunde wieder ins Weltall schleudert. Dieses
Phänomen nennt man eine Nova und der Vorgang wiederholt sich immer wieder. Von
RS Ophiuchi sind Ausbrüche aus den Jahren 1898, 1933, 1958, 1967 und 1985
bekannt.
Das jüngste Ereignis wurde am 12. Februar dieses Jahres von japanischen
Astronomen beobachtet. Das war die Gelegenheit, mit den modernsten Teleskopen
die dabei ablaufenden Vorgänge genauer zu untersuchen. Doch bedurfte es dazu
eines Tricks. Das System ist immerhin 5.000 Lichtjahre entfernt und selbst die
Saturnbahn erscheint dabei nur unter einem Winkel von einem fünfmillionstel
Grad. Kein einzelnes Teleskop kann dies auflösen. Aber wenn man mehrere zu einem
Interferometer zusammenschaltet, lassen sich Objekte wesentlich detaillierter
untersuchen. Je größer die Abstände der Teleskope sind, umso feinere Strukturen
werden erkennbar.
Sich wiederholende Novae strahlen besonders stark im Radiobereich, weil die
Explosionswolke mit der Materie in der Hülle des Roten Riesen kollidiert und
dabei Elektronen fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Bewegen diese
sich durch ein Magnetfeld, so werden Radiowellen abgestrahlt, die von
Radioteleskopen empfangen werden können. Glücklicherweise ist die
Interferometertechnik gerade bei Radioteleskope besonders gut entwickelt.
Deshalb beobachteten die Forscher mit unterschiedlichen Radioteleskopsystemen
den diesjährigen Ausbruch: Richard Porcas vom Max-Planck-Institut für
Radioastronomie in Bonn, der RS Ophiuchi schon während des letzten Ausbruchs
untersuchte, koordinierte die Beobachtungen des European VLBI Networks (EVN),
zu dem unter anderem Einrichtungen in Europa, China und Südafrika gehören. Dank
besonders großer Geräte, ist es das empfindlichste System dieser Art. In
Großbritannien kam MERLIN zum Einsatz, ein System aus sieben Radioteleskopen,
die bis zu 217 Kilometern auseinanderstehen.
Auf amerikanischer Seite wurde mit dem Very Long Baseline Array (VLBA)
beobachtet, dessen zehn Geräte sich von Hawaii bis zu den Virgin Islands
verteilen. Daneben wurden auch Messungen mit dem kleineren Very Large Array
(VLA) in Neu-Mexiko in den USA durchgeführt. Parallel dazu beobachtete der
Swift-Satellit ebenfalls den Ausbruch im Röntgenbereich. Die Wissenschaftler
veröffentlichten nun ihre Ergebnisse in den Fachzeitschriften Nature und
Astrophysical Journal Letters.
Schnell stellte sich heraus, dass die Explosion alles andere als gleichmäßig
erfolgte. "Eine Woche nach unseren ersten Beobachtungen, kombinierten wir
Teleskope in Europa mit zweien in China und einem anderen in Südafrika.
Überrascht waren wir, als wir herausfanden, dass die Explosionswolke deformiert
war. Unsere Beobachtungen in den folgenden Monaten zeigten, dass sie sich von
einer ringförmigen Struktur in ein Gebilde verwandelte, dass wie eine Zigarre
aussah. Wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns, um die Ursache dafür
herauszufinden. Entweder bildeten sich zwei entgegengesetzte Jets bei der
Explosion oder die Atmosphäre des Roten Riesen verformte das ausgestoßene
Material," fasste Richard Porcas die Ergebnisse zusammen.
Eine Frage interessiert die Astronomen besonders. Bis heute ist unklar, ob
bei einer Nova die angesammelte Materie vollständig wieder ausgeschleudert wird
oder ein Rest auf dem Weißen Zwerg zurückbleibt. Im letzteren Fall kann das
Spiel aus Ansammlung und Explosion nicht beliebig lange weitergehen. Wenn der
Stern die 1,44-fache Masse unserer Sonnen angesammelt hat, ist die nukleare
Kettenreaktion so heftig, dass der Stern dabei vollständig zerrissen wird. Eine
Supernova vom Typ Ia entsteht, deren Licht über Milliarden Lichtjahre gesehen
werden kann.
Diese Explosionen haben eine besondere Bedeutung in der Astronomie: Wenn
nämlich alle Sterne bei der gleichen Masse explodieren, sollten sie alle gleich
hell sein. Aus diesem Grund werden sie als so genannte Standardkerzen
betrachtet. Aus ihren Beobachtungen lassen sich zahlreiche Daten über den
Aufbau, die Entwicklung und Ausdehnung des Universums ableiten. Je besser man die
zugrunde liegenden Prozesse versteht, umso genauer sind die Erkenntnisse über
den Werdegang des Weltalls.
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