Neutronenstern mit Bugwelle
von Rainer Kayser
6. Juni 2006
Neutronensterne entstehen durch die Supernova-Explosion
eines massereichen Sterns. Dabei erhalten diese äußerst kompakten Objekte in der
Regel einen Kick, so dass sie sich mit hoher Geschwindigkeit von ihrem
Entstehungsort entfernen. Jetzt haben Astronomen genau einen solchen
Neutronenstern aufgespürt. Sie konnten beobachten, wie er durch das
interstellare Gas pflügt - nur zeigt die "Bugwelle" in die falsche Richtung.
Dieses Bild des Supernova-Überrestes IC 443
(großes Bild) und des Neutronensterns J0617
(Ausschnitt) wurde aus Daten von verschiedenen
Teleskopen zusammengesetzt. Bild: NASA /
CXC / B.Gaensler et al. (Chandra), NASA /
ROSAT /Asaoka & Aschenbach (ROSAT); NRC / DRAO /
D.Leahy (Radio groß); NRAO / VLA (Radio Detail);
DSS (optisch) [Großansicht]
|
Amerikanische Astronomen haben eine Art "Bugwelle" entdeckt, die ein
Neutronenstern in das interstellare Gas pflügt. Doch die Bugwelle zeigt zur
Verwirrung der Forscher in die falsche Richtung. Möglicherweise hat sich der
Vorgängerstern, aus dem der Neutronenstern entstanden ist, vorher bereits mit
hoher Geschwindigkeit bewegt, spekulieren die Astronomen. Rund zehn Jahre
weiterer Beobachtungen sind nötig, um diese Hypothese zu überprüfen.
"Diese Bugwelle erlaubt uns Rückschlüsse auf das Gas, durch das sich der
Neutronenstern bewegt", erläutert Bryan Gaensler vom Harvard-Smithsonian
Center for Astrophysics im amerikanischen Cambridge die Bedeutung der
Beobachtungen. "Allerdings wissen wir bislang nicht, wie der Neutronenstern
überhaupt an seinen jetzigen Ort gekommen ist." Gaensler und sein Team haben den
Neutronenstern J0617 mit dem Röntgensatelliten Chandra beobachtet. Er
befindet sich am äußeren Rand der expandierenden Gasblase IC 443, dem Überrest
eines explodierten Sterns ("Supernova").
Neutronensterne entstehen bei der Explosion sehr massereicher Sterne am Ende
ihres Lebens. Während die Explosion die äußeren Teile des Sterns zerfetzt und
ins All hinaus schleudert, kollabiert das Sterneninnere zu einem extrem
kompakten Objekt. In einem solchen Neutronenstern ist die Materie so dicht
gepackt wie in den Atomkernen. Da die Explosion im Allgemeinen nicht
kugelsymmetrisch verläuft, erhält der Sternenüberrest einen "Kick", der ihn
durchs All katapultiert.
Die Astronomen sind deshalb davon überzeugt, dass der Neutronenstern J0617
vor rund 30.000 Jahren bei der Explosion jenes Sterns entstanden ist, dessen
Überreste heute als Gaswolke IC 443 aufleuchten. Das Problem: Die "Bugwelle",
die der Neutronenstern bei seiner rasanten Bewegung durch die Gaswolke pflügt,
steht nahezu senkrecht zur Richtung auf das Zentrum der Gaswolke, also den
vermeintlichen Entstehungsort des Neutronensterns. Eine mögliche Erklärung wäre,
dass der Stern sich bereits vor seiner Explosion mit hoher Geschwindigkeit
bewegt hat. Dann nämlich wäre das heutige Zentrum der Gaswolke IC 443 nicht mit
dem Ort der Supernova-Explosion identisch.
|