Silvesternacht eine Sekunde länger
Redaktion / idw / PTB
astronews.com
29. Dezember 2005
Die Silvesternacht wird länger sein als jede andere Nacht
des Jahres - und dies gleich im doppelten Sinn: Die meisten Menschen gehen
Silvester sehr spät ins Bett und alle bekommen Silvester 2005 auch noch eine Sekunde geschenkt. Auf Anordnung der
zuständigen Behörde in Paris wird nämlich weltweit um 0:59:59 Uhr MEZ eine
Sekunde eingefügt. Für Deutschland geschieht dies bei der
Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig.
Die Tage auf der Erde werden langsam länger. Foto:
NSSDC / NASA |
Sieben Jahre lang ging es ohne. Doch nun ist es wieder so weit. In der
kommenden Silvesternacht werden die (Funk)Uhren nach 0:59:59 beim nächsten
Sekundentick nicht auf ein Uhr springen, sondern kurz innehalten, um eine kleine
Portion Extrazeit einzubauen: eine Schaltsekunde. Der Internationale
Erd-Rotations-Service (IERS) in Paris hat der koordinierten Weltzeit diese
Zugabe verordnet, da unsere Erde wieder etwas zu sehr aus dem Takt gekommen ist.
Die Erde hinkt der Zeit aus den Atomuhren, deren Sekundenticks sich um kein
irdisches Schwanken kümmern, nach. Den deutschen Uhren wird die
Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig diese Schaltsekunde
verabreichen.
Die meisten Menschen haben es gerne, wenn um 12 Uhr mittags die Sonne am
höchsten steht und es um 24 Uhr mitten in der Nacht ist. Mit guten Uhren -
könnte man denken - sollte dieser Wunsch einfach und für alle Zeiten zu erfüllen
sein. Doch gerade die besten Uhren, nämlich Atomuhren, haben mit diesem Wunsch
ein Problem. Sie ticken zwar höchst gleichmäßig, kümmern sich aber nicht um
irdische Verhältnisse. Unsere Erde schwankt und torkelt ein wenig vor sich hin
und wird in ihrer Drehbewegung sogar tendenziell langsamer - Ebbe und Flut
wirken wie eine permanent schleifende Bremse. Wird die Erde jedoch langsamer,
dehnen sich die Tage, was sich über Jahrhunderte hinweg durchaus bemerkbar
macht.
All dies war wohlbekannt, als 1967 die Dauer der Atomsekunde festgelegt
wurde. Der damals definierte und bis heute gültige Zahlenwert - die Sekunde als
das 9.192.631.770fache der Periodendauer einer Schwingung im Cäsiumatom -
orientierte sich an astronomischen Daten vergangener Jahrzehnte, in denen die
Erde schlicht etwas schneller war. Dies führt somit zu einer Sekunde, die etwas
kürzer ist, als es der irdischen Tageslänge, zumal heute, entspricht.
Der Unterschied summierte sich im Mittel über die Jahre 1960 bis 2000 auf
etwa eine Dreiviertelsekunde pro Jahr. Im Jahr 1972 - als bereits eine
Zeitdifferenz von 10 Sekunden aufgelaufen war - entschloss man sich, fortan eine
Zeitskala mit Extrasekunden, eben den Schaltsekunden, als weltweite Referenzzeit
zu verwenden, um die Uhrzeit in praktikabler Weise im Einklang - immer innerhalb
± 0.9 Sekunden - mit dem natürlichen Zeitmaß zu halten. Schaltsekunden machen
seitdem aus der Atomzeit die "koordinierte Weltzeit". Wie unregelmäßig schnell
sich die Erde dreht, sieht man daran, dass aktuell 7 Jahre vergehen mussten,
bevor eine Schaltsekunde nötig wurde. Im Sommer 2004 gab es nämlich "Tage", die
kürzer als 86400 Atomsekunden waren!
Für den Neujahrstag 2006 hat der IERS, der die Drehung der Erde über
astronomische Messungen verfolgt und auswertet, nun die 23. Schaltsekunde seit
dem Beginn der koordinierten Weltzeit angeordnet. Uhren, die in Übereinstimmung
mit der gesetzlichen Zeit gehalten werden sollen, müssen daher um eine Sekunde
angehalten werden. Besitzer von Funkuhren brauchen sich um nichts zu kümmern -
in der Neujahrsnacht ganz angenehm.
Ob solche Anordnungen auch in Zukunft folgen werden, ist allerdings ungewiss.
Auf Fachtagungen von Zeitexperten werden seit längerem Alternativen diskutiert.
Eine Arbeitsgruppe der Internationalen Telekommunikationsunion schlug kürzlich
während eines Treffens in Genf vor, die häufig eingefügten Schaltsekunden durch
seltene Schaltstunden zu ersetzen, allerdings ohne Konsens zu erreichen.
Traditionen sind langlebig. Nach jeder eingefügten Schaltstunde hätte man dann
voraussichtlich 4.800 Jahre Ruhe, bevor die nächste Extrastunde fällig würde -
eine gleichmäßige Abbremsung der Erde vorausgesetzt.
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