ERDE
Sorgte die Sonne einst für Klimakapriolen?
Redaktion / idw
astronews.com
10. November 2005
Deutsche Wissenschaftler haben eine mögliche
Erklärung für den rätselhaften Zyklus abrupter Klimaveränderungen in der
Vergangenheit gefunden. Die Forscher konnten durch Computersimulationen zeigen, dass kleine Sonnenschwankungen als
Auslöser der Klimakapriolen während der letzten Eiszeit infrage kommen. Ihre
Forschungsergebnisse veröffentlichen die acht Wissenschaftler in der neuesten
Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Nature.
Sonnenflecken und andere Indikatoren der solaren Aktivität
bezeugen die Existenz von Sonnenzyklen. Zwei besonderes markante
Zyklen weisen eine Periode von etwa 210 Jahren bzw. 87 Jahren
auf. Foto: SOHO (ESA & NASA) |
Während der letzten Eiszeit, die vor 120.000 Jahren begann, gab es mindestens
zwanzig drastische Klimawechsel. Die nach ihren Entdeckern benannten
Dansgaard-Oeschger-Ereignisse begannen mit einem plötzlichen Anstieg der
regionalen Temperatur im Nordatlantikraum um bis zu 12 Grad Celsius innerhalb
eines Jahrzehnts. Zeugen dieser wiederholten Klimakapriolen der Eiszeit sind vor
allem grönländische Eisbohrkerne sowie Tiefseeablagerungen des Atlantiks. Aber
auch in Tropfsteinen und anderen "Klimaarchiven" wurden diese gewaltigen
Schwankungen dokumentiert. Nach dem Übergang in die gegenwärtige Warmzeit vor
rund 10.000 Jahren traten jedoch keine solchen abrupten Klimasprünge mehr auf.
"Seit der Entdeckung der Dansgaard-Oeschger-Ereignisse in den 1980er Jahren
war es eine der großen Herausforderungen für Klimatologen, eine schlüssige
Erklärung für diese abrupten Temperaturschwankungen während der Eiszeit zu
finden", so Holger Braun, Doktorand der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
und Erstautor der Studie. Einen physikalischen Mechanismus hatten seine
Potsdamer Kollegen bereits vor einigen Jahren vorgestellt: demnach kann eine
Instabilität der eiszeitlichen Ozeanzirkulation die abrupten Klimawechsel
erklären.
Rätselhaft blieb jedoch die Regelmäßigkeit der Erwärmungen. Diese traten, mit
einigen Lücken, meist alle 1470 Jahre auf. Einige Wissenschaftler vermuteten
bereits, dass Schwankungen der Sonne den 1470-Jahreszyklus ausgelöst haben
könnten. Hinweise auf kleine periodische Variationen der Sonne gab es durch
Beobachtung von Sonnenflecken bereits seit über 150 Jahren. Die Daten zeigen
insbesondere Sonnenzyklen mit Perioden von etwa 87 Jahren und 210 Jahren. Ein
Zyklus von 1470 Jahren wurde bislang jedoch nicht gefunden.
Doch das hat sich jetzt geändert: Die Wissenschaftler veröffentlichten
Ergebnisse einer Studie, die gemeinsam von der Forschungsstelle Radiometrie der
Heidelberger Akademie der Wissenschaften, dem Institut für Umweltphysik der
Universität Heidelberg, dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und
dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (Bremerhaven)
durchgeführt wurde. Gemäß diesen Untersuchungen könnten jene zwei Sonnenzyklen
der Auslöser für die rätselhafte Periode der Dansgaard-Oeschger-Ereignisse sein:
Da sie im Bereich von Teilern von 1470 Jahren liegen (1470/7=210; 1470/17=86.5),
können sich der 210-Jahreszyklus und der 87-Jahreszyklus der Sonne zu einer
Periode von 1470 Jahren überlagern und somit den eiszeitlichen Klimazyklus
erklären.
"Die Bedeutung dieser Untersuchung liegt darin, dass sie uns zeigt, wie
komplex die Reaktionen des Systems Erde sind", so Prof. Dr. Kurt Roth, Direktor
des Instituts für Umweltphysik der Universität Heidelberg. "Während bestimmter
Zeiten, hier der Eiszeit, reagiert es extrem empfindlich auf Einflüsse von
außen. Die Zeitskala der Reaktion entspricht dabei nicht immer der Zeitskala des
Auslösers. Dies ist eine wesentliche Erkenntnis, die auch Eingang in das
aktuelle Verständnis unseres Klimasystems finden wird."
Das zur Überprüfung dieser Hypothese verwendete Modell vermag auch das
Verschwinden des 1470-Jahres-Klimazyklus mit dem Ende der letzten Eiszeit
schlüssig zu erklären: In dem Modell der Potsdamer Forscher können
Dansgaard-Oeschger-Ereignisse nur in der Eiszeit auftreten. "Nach deren Ende
wurden die Meeresströmungen im Atlantik stabiler, so dass die schwachen
Sonnenschwankungen sie nicht mehr aus der Ruhe bringen konnten", erklärt Stefan
Rahmstorf vom PIK. Ein ausgeprägter Zyklus von 1470 Jahren trat daher während
der letzten 10.000 Jahre nicht mehr auf.
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