Zwei Kreisel und der Neptun
von Stefan
Deiters
astronews.com
6. September 2005
Die neusten Bilder des Weltraumteleskops Hubble zeigen einmal nicht
eine entfernte Galaxie, sondern ein Objekt in relativer Nähe: den Neptun. Der
Riesenplanet am Rand des Sonnensystems präsentiert sich als bläuliche Welt
umgeben von einem Schwarm von Monden. Seit Ende August arbeitet Hubble
zudem im so genannten "Zwei-Gyro-Modus". Die NASA hofft so, die Lebensdauer des
Teleskops um mindestens acht Monate verlängern zu können.
Hubble-Bild des Neptun mit vier Monden. Foto: NASA, ESA,
E. Karkoschka (University of Arizona) und H. B. Hammel (Space
Science Institute, Boulder, Colorado) |
Die Hubble-Bilder des Neptun, die bereits im April entstanden, zeigen
einen Planeten mit einer aktiven Atmosphäre, der von einem Schwarm von Monden
umgeben ist. Die Aufnahmen wurden mit insgesamt 13 verschiedenen Filtern
gemacht, wodurch es den Forschern möglich war, Wolken und Dunstschleier in
unterschiedlichen Atmosphärenschichten im Detail zu studieren. Für die typische
Farbe des Neptun ist das Methan in der Atmosphäre des Planeten verantwortlich,
das den roten Teil des Sonnenlichts verschluckt, so dass der Planet grün-blau
erscheint.
Durch die Aufnahmen in den verschiedenen Wellenlängenbereichen war es den
Forschern auch möglich, eine Reihe von Monden zu beobachten: Auf dem Bild sind
dies (im Uhrzeigersinn von oben): Proteus, Larissa, Despina und Galatea. Neptun
hat nach aktuellen Zählungen insgesamt 13 Monde und ist der am weitesten von der
Sonne entfernte Riesenplanet in unserem Sonnensystem. Neptun umrundet die Sonne
alle 165 Jahre und ist so groß, dass unsere Erde rund 60-Mal in ihm Platz hätte.
Ein Tag auf Neptun dauert zwischen 14 und 19 Stunden. Im Inneren besteht der
Planet aus einer Mischung aus geschmolzenen Gestein, Wasser, flüssigem Ammoniak
und Methan. Die dicke Atmosphäre besteht aus Wasserstoff, Helium, Wasser und
Methan.
In diesen Tagen begann für das Hubble-Weltraumteleskop auch eine neue
Ära: Das Kontrollteam stoppte einen der drei Kreisel oder Gyroskope, die das
Teleskop für die Bestimmung seiner exakten Lage benötigt. Es soll fortan im so
genannten "Zwei-Gyro-Modus" betrieben werden. Die NASA hofft dadurch die
Betriebsdauer des Teleskops um rund acht Monate bis Mitte 2008 verlängern zu
können.
Damit sich Hubble am Himmel genau auf das jeweilige Beobachtungsobjekt
ausrichten kann, bediente es sich bislang dreier Gyroskope - für jede Lage im
Raum einen. Hubble hat insgesamt sechs Gyroskope an Bord. Bei Wartungsmissionen,
die seit dem Columbia-Unglück ausgesetzt sind, wurden immer wieder
Gyroskope ersetzt. Zur Zeit verfügt Hubble noch über vier funktionierende
Gyroskope. Nach den bisherigen Planungen wäre es also mit den Beobachtungen
vorbei gewesen, wenn noch zwei weitere Kreisel ausfallen.
Als klar wurde, dass weitere Service-Missionen zum Teleskop unwahrscheinlich
werden, begann man nach Möglichkeiten zu suchen, auch mit nur zwei Gyroskopen
noch wissenschaftliche Beobachtungen zu machen. Dabei musste ein Weg gefunden
werden, die fehlende Information des dritten Kreisels irgendwie anders zu
beschaffen, um die Lage des Teleskops eindeutig festzulegen. Dies gelang durch
Verwendung anderer Daten: Beim Anpeilen eines Objektes hilft nun der "Fine
Guidance Sensor". Wenn Hubble am Himmel ausgerichtet wird, nutzt das
Teleskop Daten des "Star Trackers" und des Magnetometers.
Durch das Abschalten eines Gyroskops stehen jetzt zwei Reserve-Kreisel zur
Verfügung, so dass sich die Betriebszeit des Teleskops dadurch verlängern
sollte. "Das Beobachten im Zwei-Gyro-Modus wird sich in keinster Weise von den
bisherigen Beobachtungen unterscheiden", unterstreicht Hubble-Wissenschaftler
David Leckrone. Ob es noch eine Service-Mission zu Hubble geben wird,
will die NASA nach der zweiten Return-to-Flight-Mission entscheiden, die
zur Zeit für März 2006 vorgesehen ist. Nach den Problemen während des ersten
Return-to-Flight-Fluges glaubt aber kaum jemand daran, dass den
amerikanischen Raumfähren noch eine lange Zukunft beschieden sein wird - und
damit auch nicht dem Hubble-Weltraumteleskop.
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STScI, Space Telescope Science
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