Ein zugefrorener See auf dem Mars?
Redaktion
astronews.com
23. Februar 2005
An
brillante Bilder der europäischen Marssonde Mars Express ist man
inzwischen schon gewöhnt. Jetzt hat das Kamerateam aber eine
Landschaftsformation entdeckt, die es in sich hat: Die Forscher glauben auf
ihren Aufnahmen ein zugefrorenes Gewässer von der Größe der Nordsee erkannt zu
haben. Und geologisch gesehen ist es sehr jung: Es ist gerade einmal fünf
Millionen Jahre alt.
Ein gefrorenes Gewässer auf dem Mars: Die Wissenschaftler
interpretieren die großen, plattenförmigen Strukturen in der
Elysium-Ebene auf dem Mars als Packeis-Schollen. Die
hochauflösende Stereokamera HRSC an Bord von Mars Express
fotografierte das Gebiet am 19. Januar 2004 während Orbit 32 aus
einer Höhe von etwa 270 Kilometern. Die einzelnen Bruchstücke
sind zwischen 30 Meter und bis über 30 Kilometer groß. Anhand
der Umrisse ist gut zu erkennen, dass die einzelnen Bruchstücke
einst größere Schollen bildeten, die nach ihrem
Auseinanderbrechen in einem fließfähigen Medium voneinander
wegdrifteten und in ihre heutige Position rotierten. Foto: ESA / DLR / FU Berlin (G. Neukum) [Großansicht] |
Auf dem Mars existiert ein zugefrorenes Gewässer von der Größe der Nordsee.
Auf dessen Oberfläche sind riesige Schollen von Packeis zu sehen. Der See wurde
auf hochauflösenden Bildern der Stereokamera HRSC (High Resolution Stereo
Camera) auf der ESA-Raumsonde Mars Express entdeckt. Zu diesem Schluss kommt
eine Gruppe von Wissenschaftlern des Kamerateams. Geleitet wird die
Forschungsarbeit von dem britischen Geologen John Murray von der Open
University in London.
An den geologischen Untersuchungen beteiligt ist mit
Ernst Hauber auch ein Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt (DLR). Das Gebiet mit einer Ausdehnung von etwa 800 mal 900 Kilometern
befindet sich bei 5 Grad nördlicher Breite und 150 Grad östlicher Länge in der
Elysium-Ebene. Die Tiefe des Sees wird auf 45 Meter geschätzt. Die Studie wird
am 17. März 2005 in der angesehenen Fachzeitschrift Nature erscheinen.
Schon bevor Mars Express mit Untersuchungen des roten Planeten begann,
wurde vermutet, dass sich in geologisch jüngerer Vergangenheit - also vor zwei
bis zehn Millionen Jahren - Lavaströme und Wasserfluten in dem Gebiet südlich
der etwa 17 Kilometer hohen Elysium-Vulkanregion über die Oberfläche ergossen.
Zwar konnten schon auf Fotos früherer Marsmissionen einige Lavaströme
identifiziert werden, von den Wassermassen fehlte jedoch jegliche Spur: Man nahm
an, dass das Wasser relativ rasch verdunstete und aus der dünnen Marsatmosphäre
ins Weltall entwich. Wie die HRSC-Bilder nun zeigen, scheint das Wasser jedoch
noch heute in einem bis zum Grund gefrorenen See vorhanden zu sein.
Die HRSC-Bilder zeigen Strukturen, die an Packeis erinnern: Flache
Eisschollen scheinen sich über einem strukturlosen Material zu erheben und
gleichsam in ihm zu "schwimmen". Die Situation ist morphologisch identisch mit
Eisbergen, die auf dem Meer schwimmen. Auch die Dimensionen der Schollen sind
exakt die gleichen wie die irdischer Eisschollen im Packeis.
Die Forscher nehmen
an, dass sich im untersuchten Gebiet noch heute große Mengen des Eises im
Untergrund befinden. Dafür spricht die intakt erscheinende Oberfläche, die
extrem flach ist. Wäre das Eis bereits verschwunden, müsste die Oberfläche weit
stärker durch Erosion verändert worden sein. Möglicherweise wurde das Packeis
durch einen schützenden Belag vor dem Verdunsten geschützt. Ein wesentlicher
Bestandteil einer solchen Schutzschicht könnte vulkanische Asche sein, die sich
auf der gefrierenden Oberfläche abgesetzt hatte.
Der See in seiner heutigen Form dürfte sich vor etwa fünf Millionen Jahren
gebildet haben, in geologischen Maßstäben ist dies ein extrem junges Alter.
Ernst Hauber, Geologe am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof,
schätzt die spektakulären Messungen so ein: "Bestätigen sich die Ergebnisse, ist
Mars ein nach unseren Maßstäben noch heute geologisch aktiver Planet".
Anhand der Anzahl und der unterschiedlichen Größe der Krater, die von
Meteoriten-Einschlägen herrühren, kann das Alter von festen Planetenoberflächen
relativ genau ermittelt werden. Vereinfacht ausgedrückt folgt das Prinzip der
Tatsache, dass eine frische Oberfläche auf einem Planeten - beispielsweise ein
erkalteter Lavastrom - zunächst keine Einschlagskrater aufweist, mit der Zeit
jedoch immer mehr Krater durch Einschläge gebildet wurden.
Die Verteilung von
Kratern unterschiedlicher Häufigkeit und Größe lässt sich eichen und so ein
zuverlässiges Oberflächenalter ermitteln. Nach dieser Methode wurde sowohl das
Alter der "Packeis-Schollen" als auch das der Flächen dazwischen bestimmt: Das
Packeis wurde auf fünf Millionen Jahre, das der Flächen dazwischen noch jünger
geschätzt.
Als Alternative zu der Interpretation, dass die kantigen Schollen
gewissermaßen "fossile Eisberge" in einem durchgefrorenen See sind, kommen nur
zerbrochene Schollen erkalteter Lavaströme in Frage. Die Autoren des Nature-Artikels
widerlegen jedoch einen vulkanischen Ursprung anhand zahlreicher Argumente. Zum
einen sind die einzelnen Platten auf dem Mars etwa hundertmal größer als
Lavaschollen auf der Erde. Außerdem scheint sich die Matrix, in der die Schollen
treiben, um einen erheblichen Betrag "gesetzt" zu haben – bei Wasser könnte das
fehlende Volumen leicht durch Verdunstung erklärt werden, bei fließender Lava
jedoch nicht. Beim Erkalten verringert sich das Volumen des Lavastromes maximal
um etwa ein Prozent. Auffallend ist zudem, dass das Packeis über mehr als 60
Kilometer hinweg so gut wie kein Gefälle aufweist, was bei einem Lavastrom
ungewöhnlich wäre.
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