Aktiver und
heller als in den letzten 8.000 Jahren
Redaktion
astronews.com
1. November 2004
So
aktiv wie zur Zeit war die Sonne in den letzten 8.000 Jahren nicht. Dies ist das
Ergebnis der Untersuchung einer internationalen Forschergruppe, die die
Aktivität unseres Zentralgestirns bis zum Ende der letzten Eiszeit
rekonstruierte. Die aktive Periode könnte allerdings, so die Vorhersage der
Wissenschaftler, schon in wenigen Jahrzehnten zu Ende sein.

Großer Sonnenfleck, der Anfang September 2004 auf der Sonne zu
sehen war. Das Bildfeld umfasst ca. 45.000 mal 30.000 Kilometer
auf der Sonne - die gesamte Erde würde also mehrfach in das Bild
passen. Sonnenflecken erscheinen dunkel, weil das in ihnen durch
die Sonnenoberfläche tretende starke Magnetfeld den
Energietransport durch Gasströmungen unterdrückt. Im inneren,
dunkleren Bereich des Sonnenflecks (der Umbra) steht das
Magnetfeld senkrecht, während es in der etwas helleren
Peripherie (der Penumbra) weitgehend horizontal ist. Die
Aufnahme wurde von Vasily Zakharov mit dem
1-Meter-Sonnenteleskop auf der Insel La Palma gewonnen, das vom
Instituts für Sonnenphysik der Königlichen Schwedischen Akademie
der Wissenschaften betrieben wird. Foto:
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung |
Die Aktivität der Sonne im Verlauf der letzten 11.400 Jahre, also zurück bis
zum Ende der letzten Eiszeit, hat jetzt erstmals eine internationale
Forschergruppe um Sami K. Solanki vom Max-Planck-Institut für
Sonnensystemforschung durch Isotopenanalyse von Jahrtausende alten Bäumen und
Polareis rekonstruiert. Wie die Wissenschaftler aus Deutschland, Finnland und
der Schweiz in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature berichten,
muss man über 8.000 Jahre in der Erdgeschichte zurückgehen, bis man einen
Zeitraum findet, in dem die Sonne im Mittel ebenso aktiv war wie in den
vergangenen 60 Jahren. Aus dem Studium früherer Perioden mit hoher
Sonnenaktivität sagen die Forscher voraus, dass die gegenwärtig hohe Aktivität
der Sonne wahrscheinlich nur noch wenige Jahrzehnte andauern wird.
Schon 2003 hatte die Forschergruppe erste Hinweise gefunden, dass die Sonne
heute aktiver ist als in den 1.000 Jahren zuvor. Anhand eines neuen und längeren
Datensatzes konnte jetzt der studierte Zeitraum auf 11.400 Jahre ausgedehnt
werden, so dass nunmehr die ganze Zeitspanne seit dem Ende der letzten Eiszeit
auf der Erde abgedeckt ist.
Dabei zeigte sich, dass die Sonne seit den 40er
Jahren des letzten Jahrhunderts aktiver ist als in den 8.000 Jahren zuvor. Dies
bedeutet, dass sie mehr dunkle Sonnenflecken, aber auch mehr Eruptionen und
Gasausbrüche als in der Vergangenheit zeigt. Ursache und Energiequelle für alle
diese Phänomene ist das Magnetfeld der Sonne.
Seit der Erfindung des Fernrohrs im frühen 17. Jahrhundert beobachten
Astronomen regelmäßig die Sonnenflecken. Hierbei handelt es sich um Regionen auf
der Oberfläche der Sonne, in denen die Energieversorgung aus dem Inneren
aufgrund der in ihnen wirkenden starken Magnetfelder behindert wird.
Dadurch
kühlen diese Gebiete um etwa 1.500 Grad ab und erscheinen dunkel im Kontrast zu
ihrer rund 5.800 Grad heißen Umgebung. Die Zahl der Sonnenflecken schwankt in
einem etwa elfjährigen Aktivitätszyklus, der von längerfristigen Schwankungen
überlagert ist. So gab es beispielsweise in der zweiten Hälfte des 17.
Jahrhunderts fast gar keine Sonnenflecken.
Für viele Untersuchungen über die Ursachen der Sonnenaktivität und ihre
mögliche Wirkung auf langfristige Schwankungen des Erdklimas ist die Zeitspanne
ab dem Jahr 1610, für die systematische Aufzeichnungen von Sonnenflecken
vorliegen, viel zu kurz. Für die Zeit davor muss die Sonnenaktivität aus anderen
Daten abgeleitet werden. Diese Informationen sind auf der Erde in Form so
genannter "kosmogener Isotope" gespeichert. Das sind radioaktive Atomkerne, die
in der oberen Atmosphäre der Erde produziert werden, wenn ein energiereiches
Teilchen der kosmischen Strahlung auf ein Luftmolekül trifft.
Eines dieser
Isotope ist C-14 (radioaktiver Kohlenstoff mit einer Halbwertszeit von 5.730
Jahren), das auch zur Altersbestimmung von Gegenständen aus Holz dient
(C-14-Methode). Die Menge des produzierten C-14 hängt stark von der Zahl der
Teilchen der kosmischen Strahlung ab, welche die Erdatmosphäre erreichen. Diese
Zahl wiederum schwankt mit der Stärke der Sonnenaktivität: Ist die Aktivität
höher, so bildet das Magnetfeld der Sonne einen effektiven Schutzschild gegen
diese Teilchen, ist die Aktivität geringer, steigt die Intensität der kosmischen
Strahlung an. Folglich wird bei höherer Sonnenaktivität weniger und bei
geringerer Sonnenaktivität mehr C-14 produziert.
Das auf diese Weise in der Hochatmosphäre gebildete C-14 gelangt in die
Biosphäre und wird unter anderem in die Biomasse von Baumstämmen eingebaut.
Einige dieser Baumstämme können Jahrtausende nach ihrem Tod noch intakt aus dem
Untergrund geborgen und das in ihnen gespeicherte C-14 gemessen werden. Aus den
Baumringen kann man dann durch Vergleich verschiedener Bäume, deren Lebenszeit
sich überlappt, das Jahr bestimmen, in dem das C-14 aufgenommen wurde.
Auf diese
Art konnten die Forscher jetzt die Produktionsrate von C-14 über 11.400 Jahre
zurück verfolgen, also bis zum Ende der letzten Eiszeit. Die Max-Planck Forscher
haben nun zusammen mit ihren Kollegen aus der so bestimmten Produktionsrate des
C-14 anhand einer Reihe physikalischer Zusammenhänge die Zahl der Sonnenflecken
über diese 11.400 Jahre berechnet. Diese Zahl ist auch ein gutes Maß für die
Stärke der verschiedenen anderen Phänomene der Sonnenaktivität.
Die Rekonstruktionsmethode, welche jedes Glied der komplexen Kette - von der
Isotopenhäufigkeit in den Baumringen bis hin zur Sonnenfleckenzahl - mit
konsistenten physikalischen Modellen beschreibt, konnte durch den Vergleich mit
den historischen Aufzeichnungen über Sonnenflecken und mit früheren
Rekonstruktionen der Forschergruppe auf der Basis des kosmogenen Isotops
Beryllium-10 in den polaren Eisschilden geeicht werden.
Dies betrifft sowohl die
Bildung der Isotope durch die kosmische Strahlung, die Modulation der kosmischen
Strahlung durch das interplanetare Magnetfeld als auch den Zusammenhang zwischen
dem Magnetfeld der Sonne und der Zahl ihrer Flecken. Auf diese Weise gelang es
den Wissenschaftlern erstmals, eine quantitativ zuverlässige Bestimmung der
Sonnenfleckenzahl für den gesamten Zeitraum seit dem Ende der letzten Eiszeit zu
gewinnen.
Da auch die Helligkeit der Sonne leicht mit der Sonnenaktivität schwankt,
ergibt sich aus der neuen Rekonstruktion auch, dass die Sonne heute etwas heller
scheint als in den 8.000 Jahren davor. Ob dieser Effekt einen wesentlichen
Beitrag zur globalen Erwärmung des Erdklimas im vergangenen Jahrhundert
geleistet haben könnte, ist eine offene Frage.
Die Forscher um Sami K. Solanki
weisen jedoch darauf hin, dass die Sonnenaktivität seit etwa 1980 auf ungefähr
konstantem Niveau verharrt - abgesehen von Schwankungen mit dem 11-jährigen
Aktivitätszyklus der Sonne -, während die Temperatur auf der Erde in diesem
Zeitraum einen starken Anstieg erfahren hat. Allerdings zeigt der ähnliche
Verlauf von Erdtemperatur und Sonnenaktivität während der letzten Jahrhunderte
(mit Ausnahme der letzten 20 Jahre), dass der Zusammenhang zwischen
Sonnenaktivität und Erdklima weiterer Erforschung bedarf.
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